Meret Schneider: Krumme Rüebli für dumme Büebli

Ich wurde ausgezeichnet! Und als wäre dies nicht selten genug, geschah dies sogar vom Podcast des Nebelspalters von Markus Somm und Dominik Feusi. Ich wurde ausgezeichnet für einen der drei dümmsten Vorstösse der Sommersession, wie sie es nannten. Vorstoss des Anstosses war mein Postulat für wirksame Massnahmen im Bereich Lockerung der Gemüsenormen, um dem Ziel der Halbierung der Lebensmittelverluste gegenüber 2017 bis 2030 näherzukommen. Kurz: Mehr krumme Rüebli, mehr unförmige Gurken, Schluss mit den absurden Kalibergrössen für Gemüse und Obst, die zur Folge haben, dass jährlich tonnenweise konsumierbare Lebensmittel entsorgt oder gar nicht erst geerntet und untergepflügt werden.
Herr Somm und Herr Feusi verstehen ihr Handwerk, klar. In ihrem Podcast “Bern einfach” machten sie sich über den Vorstoss lustig, indem sie postulierten, ich wolle damit auch unförmigem Gemüse eine Chance geben, quasi eine Massnahme im Sinne der Diversity, der Inklusion und aller weiteren Reizworte, die Herrn und Frau Podcasthörer – wobei, bleiben wir bei Herrn Podcasthörer – bereits die Empörungsröte ins Gesicht treiben. Wie schön, spöttelten sie, dass ich mich auch im Reich des Gemüses für jede Minderheit einsetze.
Fernab davon, dass dies selbstverständlich nicht im Ansatz mein Ansinnen war und die Herren Somm und Feusi das auch wissen, wäre das auch nicht der schlimmste Vorwurf, den man mir machen könnte. Abgestraft, weil zu freundlich, damit kann ich leben. Was mich an der Folge viel eher stört, ist die Folgerung daraus, ich würde überall Probleme suchen und dies sei ein klassisches Beispiel für die “Nörgelipartei”, die überall nur Opfer sehe, sogar unter den Rüebli. Letzteres wurde nämlich nicht mehr im Duktus des mehr oder weniger gelungenen Witzes vorgetragen, sondern enthielt als Konklusion plötzlich eine unnötige Bissigkeit, die einzig darauf abzielte, mich und die Grünen als Miesmacher und Nörgler zu framen – was weder aus dem Witz davor, ich würde mich für die armen, krummen Rüebli stark machen, noch aus dem eigentlichen Anliegen, das produzierte Gemüse auch zu verwerten statt wegzuwerfen, zu folgern war. Tatsächlich war es eine handwerklich einigermassen plumpe, rhetorische Spielerei, die den Zuhörenden letzten Endes vor allem die Konklusion “Meret Schneider = Grüne = Nörgelpartei” mit auf den Weg gab.
Leicht konsterniert über so viel handwerklich schlecht gemachte Satire warf ich einen Blick auf die Online-Kommentare und erwartete das Schlimmste. Doch weit gefehlt: Kein Kommentar teilte die Analyse, wenn man sie denn so nennen möchte, von Herrn Somm und Herrn Feusi, im Gegenteil. Es wurde klargestellt, dass es nicht um die “armen, krummen Rüebli”, sondern um die Reduktion des Foodwastes ging und der Vorstoss wurde als sinnvoll erachtet. Weder auf die Seitenhiebe auf mich, noch auf die Grüne Partei wurde eingegangen und dies, obwohl die geneigten Lesenden des Nebelspalters bestimmt nicht grossmehrheitlich zu meinem Wählerklientel gehören.
Das hat mich ehrlich gefreut und mir gezeigt, dass in Online-Kommentarspalten offenbar doch nicht einfach nur geschimpft und beleidigt, sondern auch differenziert beurteilt wird. Und für die beiden Podcaster noch ein paar Fakten zum Vorstoss: Jährlich werden 250’000 Tonnen Obst und Gemüse entsorgt, weil es zu gross/klein oder zu krumm ist. Das müsste nicht sein, wie mir auch der Verband der Schweizer Gemüseproduzenten zustimmt.
Für diesen ist klar: Soll weniger frisches Gemüse verschwendet werden, müssten die Normen und Vorgaben gelockert werden, damit einwandfrei konsumierbares Gemüse und Obst nicht tonnenweise vom Handel abgewiesen wird, wie es leider immer wieder der Fall ist. Um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und tatsächlich auf die Teller zu bringen, was auf dem Feld wächst, braucht es eine Lockerung, ist der Verband der Gemüseproduzenten überzeugt. Und nun sei es den beiden Herren überlassen, die Obst- und Gemüseproduzenten ebenfalls als “woke” oder linksgrün zu bezeichnen, kann mir aber nicht vorstellen, dass sie sich ausgerechnet mit den Bäuerinnen und Bauern anlegen möchten.
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