Minarett-Verbot: Schweizer Unternehmen in Nahost alarmiert

 von Gérard Al-Fil
«Ich hoffe, dass das Schweizer Stimmvolk vernünftig ist und wie ich ein Nein in die Urne legt», sagte Peter Huber, CEO des Bereichs Private Placement Life Insurance (PPLI) bei Swiss Life, zwei Wochen vor der Abstimmung gegenüber Moneycab.com. Wie fast alle namhaften Finanzunterehmen unterhält auch der grösste Lebensversicherer der Schweiz seit einem Jahr in Dubai eine Niederlassung, will von hier aus den Markt im gesamten Nahen Osten aufrollen. Ein weiterer Neuling am Golf ist der Bankensoftware-Hersteller Avaloq Evolution AG aus Zürich.


Arabische Medien berichten denn auch «alarmiert» über die Abstimmung. Reaktionen von Politikern in Nahost dürfte es erst in den kommenden Tagen geben, da die islamische Welt derzeit das Opferfest Eid Al-Adha begeht. Unpassender hätte der Zeitpunkt für im Mittleren Osten tätige Schweizer Konzerne wohl nicht ausfallen können.

 

Exporteure fürchten Einbussen

Ins selbe Horn wie Huber blies auch Paul Eberle, Export Manager bei Bauwerk Parkett AG in St. Margrethen/St. Gallen: «Kurzfristig rechnen wir bei einem Ja mit Einbussen am Persischen Golf, so wie wie vor drei Jahren Firmen aus Dänemark beim Karikaturenstreit», sagte Eberle zu Moneycab.com am vergangenen Donnerstag auf der Industriemesse Big 5 in Dubai. 2008 führten helvetische Konzernein die Vereinigten Arabischen Emirate Waren im Wert von 2,84 Mrd. Franken aus, 44,1 Prozent mehr als im Vorjahr.

 

Die dänische Zeitung Jyllands-Posten hatte am 30. September 2005 den Propheten Mohammed, dem Begründer der islamischen Religion, karikativ dargestellt und damit eine diplomatische Krise zwischen zahlreichen muslimischen Ländern und Kopenhagen losgetreten. Es kam zu Protesten in Nahost. Dänische Waren wurden boykottiert.
Nach Angaben des Magazins GMR Marketing Review in Dubai konnten dänische Firmen im Nahen Osten erst heute, vier Jahre nach dem Karikaturenstreit in den Golfstaaten bei den Ausfuhren in die Region 80 Prozent des Vorboykottniveaus erreichen.

 

Enge Verflechtungen in die Finanzwelt
Arabische Staatsfonds sind an den Grossbanken UBS und Credit Suisse beteiligt.  Das Emirat Abu Dhabi übernahm AIG Private Bank in Zürich 2008 komplett. Seitdem firmiert sie unter Falconbank. Mit dem Ja zu einem Verbot von  Minaretten dürften für die Schweiz weitere Geschäfte in der Region nicht einfacher werden. Die Schweizer Finanzwelt hat durch die in Turbulenzen geratene UBS ohnehin stark an Ansehen verloren. «Früher hiess es: UBS ? you and us. Heute: UBS ? you and nobody», spottet man selbst auf Bankkonferenzen in den arabischen Ölstaaten.


Gotteshäuser nicht-islamischer Religionsgemeinschaften am Persischen Golf üblich

Das Resultat stösst auch auf Unverständnis weil Kirchen und Gotteshäuser am Golf üblich sind und jedes Jahr neue hinzukommen. Alleine in den VAE gibt es 59 christliche Krichen, und auch in der Islamischen Republik Iran sind Dome und Tempel aller Weltreligionen weit verbreitet. Teheran verfügt beispielsweise über zwanzig Synagogen, sechs jüdische Schulen und ein Dutzend koscherer Lebensmittelgeschäfte. «Islam-Feindlichkeit in Europa auf dem Vormarsch», schreibt die Tehran Times in ihrer heutigen Ausgabe.

«The National» in Abu Dhabi und «Gulf News» in Dubai widmen der Abstimmung ausführliche, aber ausgeglichene Berichte.


Die Argumentation des Bundesrats, dass Moscheen in der Schweiz ja weiter erlaubt seien, nur eben keine Minarette, dürfte im Orient kaum auf Verständnis stossen. Denn eine Moschee ohne Minarett ist wie eine Kirche ohne Kirchturm. Und angesichts von bisher vier existierenden Minaretten in der ganzen Schweiz kann nur schwer von einer architektonischen «Überfremdung» gesprochen werden.
 

Bislang kaum als tolerant aufgefallen
Die Schweiz ist zudem aus Sicht der islamischen Welt in den letzten Jahren als nicht sonderlich tolerant aufgefallen. 2005 erklärten die Grossbanken UBS und Credit Suisse keine neuen Kundenbeziehungen aus dem Iran mehr zu eröffnen. Ein Jahr später im 2006 konnte erst nach jahrelangen politischen Debatten in Bern ein islamische Bank in Genf ihre Tätigkeit aufnehmen, die Feisal Private Bank. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Finanzplatz London bereits drei Islamic Banks, und er gilt heute als Brückenkopf der schnell wachsenden Scharia-Finance in Europa. Negativ stiess in arabischen Medien auch das «Schwarze Schafe-Plakat» der Schweizerischen Volkspartei (SVP) im Parlamentswahlkampf 2007 auf.


Die Schweiz im Nahen Osten: seit Sonntag ein Sonderfall.

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