Paul Glutz, CEO CSC Switzerland

Von Helmuth Fuchs


Moneycab: Herr Glutz, durch den Gewinn der UBS als Kundin übernehmen Sie in der Schweiz auch fast 100 Mitarbeitende. Wie stark ist die CSC seit Ihrem Eintritt zu Beginn 2008 gewachsen und wie bewältigen die Mitarbeitenden jeweils den Kulturwechsel zum Beispiel von einem Finanzinstitut zu einem IT-Dienstleister?


Paul Glutz: Das sind gleich drei Themen auf einmal. Von der UBS übernehmen wir – direkt oder indirekt über unsere Partner – in der Schweiz tatsächlich rund 100 Mitarbeiter. Zusätzlich dazu sind in diesem Jahr bereits Mitarbeiter von der Zurich zu CSC gekommen. Dadurch wird sich unser Umsatz mit Schweizer Kunden allein in diesem Jahr mehr als verdoppeln. Wir profitieren dabei natürlich von der globalen CSC-Organisation, die diese weltweiten Transaktionen erst ermöglicht hat.


Der Kulturwechsel durch den Eintritt in eine neue Firma wird von vielen Mitarbeitern begrüsst. Es handelt sich ja um IT-Experten, die sich bei einem IT-Dienstleister naturgemäss gut aufgehoben fühlen und hier auch Entwicklungsmöglichkeiten für die eigene Karriere erkennen. Viele der Topleute bei CSC sind ursprünglich durch das Outsourcing eines Kunden zu uns gekommen.



«Dass sich nun die Swiss Health Platform so gut entwickelt hat und auf dem besten Weg ist, Marktführer in der Schweiz zu werden, freut uns und unseren Partner Adcubum natürlich sehr. In diesem Fall sind die Kostenvorteile für die Anwender so offensichtlich, dass die Lösung fast ein Selbstläufer ist.» Paul Glutz, CEO CSC Switzerland


Nach einer Welle des Outsourcings bei Grossfirmen wie der UBS oder der Zurich werden die Möglichkeiten in diesem Segment weniger. Werden Sie sich jetzt vermehrt auf KMUs konzentrieren, oder wie wollen Sie künftig in der Schweiz weiter wachsen?


Offen gesagt, sehe ich da weiterhin grosse Wachstumsmöglichkeiten, selbst in der kleinen Schweiz. Zurich und UBS sind ja nur zwei von vielleicht zehn grossen globalen Konzernen, die hier ihren Hauptsitz haben. Natürlich gibt es auch kleinere Firmen, die ebenfalls weltweit aktiv sind und bei denen wir durch unsere lokale Verankerung in Verbindung mit der globalen Präsenz gute Chancen sehen. Dabei werden wir uns weiterhin auf die Branchen konzentrieren, von denen wir wirklich etwas verstehen. Und schliesslich bieten wir zusätzlich zum Outsourcing für Schweizer Kunden auch spezifische Services im Sinne von Outtasking.



«Durch moderne Technik möchten wir beispielsweise auch den Energieverbrauch im Rechenzentrum der Zurich senken. Hier sehen wir ein Einsparungspotenzial von 20 Prozent.»


Während im reinen Outsourcing die Skaleneffekte eine bedeutende Rolle spielen und sich durch Technologien wie die Virtualisierung noch steigern lassen, ist im Consulting ein Wachstum nicht von der Anzahl der Mitarbeitenden zu entkoppeln. Nach der Krise könnten aber gerade in diesem Bereich einige Projekte, die von den Kunden auf Eis gelegt wurden, jetzt gestartet werden. Werden Sie hier investieren, auch wenn die Margen geringer sind als im Outsourcing-Bereich?


Das Beratungsgeschäft war schon immer integraler Bestandteil unseres Angebots, weil wir unsere Kunden von der Prozessberatung über die Umsetzung der IT-Strategie bis hin zum Betrieb begleiten wollen. Es gibt ja nur ganz wenige Dienstleister, die dieses Spektrum auf einer globalen Basis und obendrein herstellerneutral anbieten. Natürlich werden wir im Consultinggeschäft weiterhin aktiv bleiben und auch investieren, wo wir Chancen sehen. Übrigens sind die Margen hier durchaus höher als im Outsourcing. Allerdings ist die Auslastung von Beratern schwieriger planbar und sehr abhängig vom Konjunkturverlauf beziehungsweise von der aktuellen Entwicklung der jeweiligen Branchen.


Mit der SBB entwickelte die CSC Schweiz ein neues Dispositions-System, das «Rail Control System». Welche Kompetenzen konnte die CSC hier beisteuern und lässt sich dieses System auch in anderen Ländern einsetzen?


Da sprechen Sie ein System an, auf das wir besonders stolz sind und das wohl weltweit zu den modernsten seiner Art zählt. Es ging hier darum, die Kapazitäten des SBB-Schienennetzes optimal zu nutzen. Es handelt sich um das dichteste und meistgenutzte Schienennetz Europas. In einer sehr engen, über drei Jahre währenden Partnerschaft mit den SBB hat CSC eine schweizweit einheitliche Lösung für die Lenkung des Bahnverkehrs aufgebaut, die eine höhere Auslastung bei gleichbleibendem Betriebsaufwand ermöglicht. Ausserdem ist die Pünktlichkeit der Züge deutlich gestiegen. Das ursprüngliche Know-how für diese Lösung stammt aus dem Bahnkompetenzzentrum von CSC in Dresden. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie CSC die Nähe zum Kunden mit weltweit erworbenem Wissen kombiniert. Das in der Schweiz entwickelte System lässt sich nun wiederum global einsetzen.


Ein immer wichtigerer Aspekt der IT wird die Umweltverträglichkeit, Stichwort «Green IT». Wie werden die CSC-Rechenzentren diesen Ansprüchen gerecht und wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich bezüglich «Green IT»?


Den Energieverbrauch nachhaltig zu senken, ist eine grosse Aufgabe, die wir alle – ob privat oder im Beruf – zu leisten haben. Daran besteht sicherlich kein Zweifel. Darüber hinaus liegen hier für viele Unternehmen handfeste Einsparpotenziale. Denn Rechenzentren sind Stromfresser. Hier können wir in den meisten Fällen deutliche Verbesserungen erzielen. Durch moderne Technik möchten wir beispielsweise auch den Energieverbrauch im Rechenzentrum der Zurich senken. Hier sehen wir ein Einsparungspotenzial von 20 Prozent.


Daneben kann die IT natürlich auch mithelfen, den Energieverbrauch in anderen Bereichen zu senken. Das ist auch unseren Kunden ein wichtiges Anliegen. Gerade das Rail Control System der SBB ist hier ein schönes Beispiel: Indem die Trassen besser ausgelastet werden können, müssen weniger neue Geleise verlegt werden. Und theoretisch könnten die Zugführer früher über bevorstehende Bremsmanöver informiert werden, sie könnten die Züge allmählich abbremsen und so Energie effizienter zurückgewinnen.


Nachdem die geplante «Swiss Banking Platform» leise begraben wurde, scheint sich die «Swiss Health Platform» (SHP) nach dem Gewinn der SWICA und der SUVA zum Industriestandard zu entwickeln. Was lief hier anders, welchen Beitrag leistet die CSC und wie ist die weitere Entwicklung der SHP geplant?


Die Swiss Banking Platform ist eine wunderbare Sache. Die Zuger Kantonalbank hat damit eine extrem effiziente und benutzerfreundliche Lösung gefunden. Dass sie nicht zum Verkaufserfolg wurde, ist bedauerlich. Das war noch vor meiner Zeit, aber aus heutiger Sicht scheint es vor allem an der Kommunikation gelegen zu haben. Es wurde viel Zeit und Geld in die Entwicklung der technischen Lösung investiert, aber mit der Kommunikation der Kundenvorteile begann man offenbar spät und eher stiefmütterlich. Die mittelständischen Banken mögen von der Grösse einer CSC und einer SAP eingeschüchtert gewesen sein und gaben letztlich lokalen Anbietern mit günstigeren Einstiegspreisen den Vorzug. Dass sich nun die Swiss Health Platform so gut entwickelt hat und auf dem besten Weg ist, Marktführer in der Schweiz zu werden, freut uns und unseren Partner Adcubum natürlich sehr. In diesem Fall sind die Kostenvorteile für die Anwender so offensichtlich, dass die Lösung fast ein Selbstläufer ist.


Für ausgebildete IT-Spezialisten herrscht in der Schweiz ein grosser Nachfrageüberhang, zudem sind Energie-, Leitungs- und Verbindungskosten im Vergleich zu anderen Standorten in Europa eher hoch. Lohnen sich Rechenzentren in der Schweiz noch oder müssen wir damit rechnen, dass die Leistungen in Zukunft aus Off- und Nearshore-Betrieben stammen?


Lassen Sie mich die Antwort zu dieser Frage bitte aufteilen. Sprechen wir zunächst vom geografischen Standort des Rechenzentrums. Im Prinzip kann das Rechenzentrum irgendwo auf der Welt stehen. Wir sehen zurzeit allerdings bei der Datenverwaltung eine Entwicklung, wie wir sie schon seit langem von der Verwaltung privater Vermögen kennen: Die Schweiz ist überaus beliebt. Das liegt an der politischen und sozialen Sicherheit, an der transparenten Rechtsprechung und letztlich – in Bezug auf die Rechenzentren – auch an der Zuverlässigkeit der Energieversorgung und des Kommunikationsnetzes.



«Die IT befindet sich vermutlich auf dem Weg, ein standardisierter Massenartikel zu werden, wie es Strom und Wasser seit langem sind. Wer will heute schon seinen eigenen Brunnen und sein eigenes Kraftwerk betreiben – vor allem bei den Auflagen, die das mit sich bringt?»


Für den Betrieb eines Rechenzentrums benötigt man relativ wenige Spezialisten vor Ort, die allerdings besonders erfahren sein müssen. Zahlenmässig ist die Nachfrage nach anwendungsorientierten IT-Experten bedeutender. Hier ist die Kundennähe wichtig, und es ist in der Schweiz tatsächlich schwierig, den Bedarf zu decken. Zusätzliche Fachkräfte aus Deutschland waren und bleiben nötig. Die Verlagerung in Offshore-Länder betrifft heute tatsächlich alle Bereiche von der Entwicklung bis zum Betrieb. Diese Tendenz wird nicht mehr umzukehren sein und wir profitieren ja auch alle davon.


Cloud Computing ist inzwischen sogar im Privatbereich angekommen. Der Rechner mit der eigenen Software verliert an Bedeutung, wenn dieselbe Leistung aus dem Netz bezogen werden kann und die Kosten dafür mit einem Kauf vergleichbar sind. Wo sehen Sie Chancen, Grenzen und Risiken des Cloud Computings?


Welche Grenzen? Schon bald nach dem Entstehen des Web war klar, dass die Webserver sinnvollerweise in einem Rechenzentrum stehen. Das klappt seither bestens. Auch die Mailserver der kleinen und mittleren Unternehmen sind meistens ausgelagert. Das spart Servicekosten und Lizenzgebühren. Heute sind es vor allem die Komplexität von Release-Wechseln, die Ausfallsicherheit, vielleicht das Backup, vor allem aber die hohen Desktop-Service-Kosten und die Skalierbarkeit, die Firmen dazu bringen, auch andere Anwendungen von einem zentralen Anbieter zu beziehen. Rein technisch gesehen spielt es ja keine Rolle, ob der Bildschirminhalt von einem Client unter dem Schreibtisch, vom lokalen Server oder von einem entfernten Datacenter generiert wird – vorausgesetzt, die Verbindung funktioniert. Die zentralen Dienste bieten ausserdem den Vorteil, dass sie von jedem Endgerät abgerufen werden können, also auch vom Handy oder vom Notebook in der Ferienwohnung. Politische Grenzen spielen allerdings eine Rolle, wie wir gerade am Beispiel von Research in Motion und Indien gesehen haben. Manche Regierungen schreiben vor, dass die Daten entweder im eigenen Land liegen oder der Staat darauf zugreifen kann.



«Der Schweizer Markt ist in unserem Geschäft gar nicht so klein! Der grösste gewerbliche Kunde der weltweiten CSC kommt aus der Schweiz.»


Dynamischer Bezug von Anwendungen und Rechenleistung oder Cloud Computing kommen vor allem dort zustande, wo der Anbieter Skaleneffekte erzielen kann. Dies setzt aber voraus, dass Prozesse standardisiert und globalisiert werden. Erleben wir das Ende der Individualsoftware und der extensiven Anpassung an jedes spezifische Kundenbedürfnis?


Ja und nein. Sicher lag Nicholas Carr mit seiner provokanten Frage «Does IT matter?» nicht vollkommen falsch. Die IT befindet sich vermutlich auf dem Weg, ein standardisierter Massenartikel zu werden, wie es Strom und Wasser seit langem sind. Wer will heute schon seinen eigenen Brunnen und sein eigenes Kraftwerk betreiben – vor allem bei den Auflagen, die das mit sich bringt? Wir sind jedoch meines Erachtens noch Jahrzehnte davon entfernt, dass IT wirklich eine Massenware ist. Wegen der zunehmenden Komplexität und der Kosten, die durch Desktops verursacht werden, erleben wir eine Verlagerung der Rechenleistung zurück in die Datacenter, wo Serviceleistungen zentral erbracht werden können. Insofern gibt es tatsächlich einen Trend weg von der Individualsoftware und hin zu Standardisierungen. Gleichzeitig erkennen die Unternehmen jedoch in der Prozessoptimierung eine Möglichkeit, sich von den Wettbewerbern zu unterscheiden. Deswegen gehören Anpassungen an die spezifischen Bedürfnisse des Kunden keineswegs der Vergangenheit an – wobei der Begriff Kunde in diesem Fall für ein Unternehmen mit Tausenden Anwendern steht.


Die Schweiz spielt in grossen internationalen Konzernen wegen der geringen Marktgrösse oft eine untergeordnete Rolle. Wie ist die Position der CSC Schweiz innerhalb der Gesamtgruppe, bei welchen Themen haben Sie vielleicht sogar eine führende Rolle inne?


Der Schweizer Markt ist in unserem Geschäft gar nicht so klein! Der grösste gewerbliche Kunde der weltweiten CSC kommt aus der Schweiz. Über die Zurich und die UBS haben wir bereits gesprochen. Auch die Swiss Re ist seit langem ein wichtiger Kunde von uns. Anfang August durften wir die Verlängerung des seit 2003 bestehenden BPO um weitere zehn Jahre kommunizieren. Zudem haben wir in diesem Jahr mit PartnerRe einen weiteren der zehn grössten Rückversicherer als Kunden gewinnen können. Die Schweiz bekommt also eine Menge Aufmerksamkeit von der Corporation. Die Gründe dafür haben wir bereits genannt: hervorragende Outsourcing-Verträge, eine weltweit einzigartige Lösung im Bahnverkehr, eine erfolgreiche Plattform für Krankenversicherer und eine stattliche Anzahl potenzieller Kunden.


Nach einem für die CSC auch in der Wirtschaftskrise sehr erfolgreichen Geschäftsjahr 2010 (Fiskaljahresende im ersten Quartal 2010: Umsatz stabil, Rentabilität gestiegen, rekordhohes Neukundengeschäft), welche Ziele haben Sie sich für das laufende Jahr bezüglich Anzahl Mitarbeitende und Umsatz gesetzt?


In erster Linie wollen wir die bestehenden Kunden sehr gut bedienen und für unsere Mitarbeiter ein attraktiver Arbeitgeber sein. Ausserdem wäre es schön, wenn wir organisch im oberen einstelligen Prozentbereich wachsen könnten. Unser Angebotsportfolio besteht aus Beratung, Projektgeschäft und Outsourcing, kombiniert mit guten Branchenkenntnissen und globalem Know-how – mit diesem Rüstzeug können wir den Kunden einen echten Mehrwert bieten.


Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?


Ich wünsche mir gute Gesundheit und Zufriedenheit für meine Familie und für meine Mitarbeiter. Und wenn es damit klappt, noch ein paar schöne Velotouren.





Der Gesprächspartner:
Paul Glutz ist seit dem 01. Januar 2008 Geschäftsfüher der CSC Switzerland. Glutz hat 1988 als Elektro-Ingenieur die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich abgeschlossen. Seine berufliche Laufbahn begann er in der Schweizer Beratungsfirma AWK. 1996 wechselte er zu EDS, wo er verschiedene Positionen innehatte, unter anderem Direktor der Geschäftseinheit Öffentliche Verwaltung, Direktor für Technische Infrastruktur und Direktor für die Lieferorganisation und zuletzt Geschäftsführer.


Über CSC
Die Computer Sciences Corporation (CSC) zählt zu den weltweit führenden Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Informationstechnologie (IT). Durch die Entwicklung massgeschneiderter Lösungen unterstützt CSC Kunden in Wirtschaft und Verwaltung, ihre spezifischen Geschäftsziele zu erreichen und vom Einsatz moderner Informationstechnologie zu profitieren.


Mit rund 90 000 Beschäftigten realisiert CSC innovative Kundenlösungen durch den Einsatz führender Technologien und durch hochentwickeltes Know-how. Das Leistungsspektrum umfasst Systemdesign und -integration, IT- und Geschäftsprozess-Outsourcing, Entwicklung von Anwendungssoftware, Web und Application Hosting sowie Managementberatung. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Falls Church, USA, erwirtschaftete in den zwölf Monaten bis zum 28. März 2008 einen Umsatz von 16,5 Milliarden US-Dollar.

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