Peter Burema, CEO Acino

Von Christa Spoerle


Moneycab: Herr Burema, neun Monate an der Spitze von Acino, was sind Ihre bisherigen Erfahrungen?

Peter Burema: Mein Start war durch die negativen Entwicklung unserer Aktienkurse wirklich eine  grosse Herausforderung.  Aber ich fand ein Unternehmen vor mit einer ungewöhnlich starken Position in Forschung und Entwicklung (F&E), mit grossen Herstellungsressourcen und einer sehr engagierten Belegschaft. Unsere Produktepipeline dürfte der Wachstumsmotor für die Zukunft sein. Die Organisation hat bewiesen, dass sie aus schwierigen Zeiten gestärkt hervorgeht. Aber es war auch klar, dass wir Veränderungen vornehmen und einseitige Abhängigkeiten von einem Produkt oder einem Markt abbauen müssen. Also haben uns auch die Umstände gezwungen, vordringlich eine neue Strategie durchzusetzen. 



«D ie Bedeutung von Clopidogrel für die Entwicklung von Acino wurde überschätzt. Wir werden das Medikament auch weiterhin anbieten, denn unsere Produktion ist sehr kostengünstig. Aber für die Zukunft von Acino spielt es einfach keine Rolle mehr.» Peter Burema, CEO Acino


Was sind Ihre wichtigsten Ziele als CEO für Acino?


Ich bin mit der Absicht zu Acino gekommen, zusammen mit meinem Team eine neue Wachstumsstrategie zu entwickeln. Die pharmazeutische Industrie steht einer enormen Veränderung gegenüber, ausgelöst durch steigende Gesundheitskosten in den Industriestaaten aufgrund einer überalterten Bevölkerung. Die Regierungen suchen nach Wegen, Kosten einzusparen und die meisten denken, das liesse sich über Einsparungen bei den Medikamenten am einfachsten lösen: Sei es durch Preiskontrollen, beschränkten Zugang zu neuen Behandlungsmethoden oder die Bevorzugung von Generika. Gleichzeitig nimmt in den aufsteigenden Märkte mit dem deutlichen Wirtschaftswachstum die Bedeutung der Mittelschicht zu und damit die Nachfrage nach einem besserem Zugang zu modernen medizinischen Methoden. Acino entwickelt Generika, die den Patienten eine angenehmere Darreichungsform ermöglicht mit weniger Nebenwirkungen. Diese gezielte Pharmatherapie ist aber auch etwas kostspieliger.


Wir wollen uns in drei Bereichen besonders hervortun:











1. In den Industriestaaten werden wir weiter das Business to Business Modell verfolgen, denn wir sind von der Grösse der Organisation und Infrastruktur unserer Partner in diesen Märkten überzeugt und wollen hier das Geschäft als wichtiger Partner noch weiter ausbauen.
2. Gleichzeitig haben wir aber auch bewiesen, dass wir in der Medikamentenweiterentwicklung grosses Know-how besitzen. Dieses wollen wir den  ursprünglichen Herstellern anbieten, damit diese den Lebenszyklus ihrer Medikamente besser bewirtschaften können. Zugleich wollen wir den Patienten bisher nicht realisierte Wünsche an das Medikament erfüllen.
3. Dritter Eckpfeiler unserer neuen Strategie ist, unser Produkteportfolio selbst in den Schwellenländern anzubieten. Wir werden diese unter dem Markennamen Acino vertreiben. So erstaunlich, wie sich das anhört, sind die Patienten dort, wo sie es sich leisten können, bereit, für Qualitäts-Medikamente aus der Schweiz oder Deutschland , sogar eine Prämie zu zahlen. Das Markenbewusstsein ist dort höher als in Europa oder den USA. 

Mit der Durchsetzung dieser drei Strategien will Acino ein nachhaltiges und berechenbares Wachstum erzielen.


Nach der Rückrufaktion für das Blutgerinnungsmittel Clopidogrel und nach der Senkung der Umsatzguidance hat die Börse Acino abgestraft. Halten Sie das in der Form für angebracht?


Die Investoren haben eben reagiert, wie sie reagiert haben. Aber ich denke, dabei wurde die Bedeutung von Clopidogrel für die Entwicklung von Acino überschätzt. Als ich am 1. April zu Acino kam, hatte ich natürlich keine Ahnung, dass das Medikament drei Wochen später zurückgerufen werden würde. Aber für mich spielte Clopidrogel schon damals keine Rolle für die künftige Strategie des Unternehmens, sondern war nur ein Zubrot, solange es verkauft werden kann. Es ist ein einfach herzustellendes Medikament und ich rechnete bereits damit, dass bald neue Produzenten auftauchen und die Margen sinken würden. Aber es herrschte auch das grosse Missverständnis, dass wir Clopidogrel nicht mehr verkaufen dürften. Dies ist aber nicht der Fall, sondern wir mussten nur die aktiven Substanzen auswechseln. Das konnten wir dank unseres Logistik-Teams in Liesberg in Rekordzeit bewältigen, so dass wir immer auf dem Markt blieben und wir werden das Medikament auch weiterhin anbieten, denn unsere Produktion ist sehr kostengünstig. Aber für die Zukunft von Acino spielt es einfach keine Rolle mehr.


Nachdem Sie 2010 als «verlorenes Jahr» bezeichneten, wie könnte Ihre Kennzeichnung für 2011 und 2012 lauten?


2011 wird das Jahr der Konsolidierung und eines bescheidenen Wachstums. Wir wollen die ersten Früchte unserer neuen Strategie durch die geografische Expansion und neue Kundenkreise durch «business to busines» und unsere eigene Marke ernten. Wir werden neu das Schmerzmittel Hydromorphon auf den Markt bringen und das Franchising für das Fentanyl Pflaster verstärken. 2011 wird aber vor allem ein Jahr der Vorbereitung für 2012, das in vielen Beziehungen ein ganz spannendes Jahr für Acino werden wird.


Ihre Produktepipeline mit 13 Projekten in klinischer Phase oder in Zulassungsverfahren und 11 in vorklinischer Entwicklung ist tatsächlich beeindruckend. Welchen Produkten weisen Sie den grössten Markterfolg zu, welches wird wohl als erstes auf den Markt kommen?


Gosereline und Leuproline dürften unsere wichtigsten Wachstumsträger werden. Hier befinden wir uns in der einzigartigen Lage, praktisch konkurrenzlos anbieten zu können. Erstmals habe ich an der Präsentation der Q3-Ergebnisse vom Rivastigmin  Pflaster gesprochen (Exelon, Novartis), das vermutlich das grösste Marktpotenzial besitzen dürfte.


Wachsen wollen Sie auch über neue Kunden und Märkte, wo liegt Ihr Schwergewicht?


Wir werden alle vorhin angesprochenen Bereiche forcieren. Aber unsere grössten Stärken werden im Schmerzmittelbereich mit Fentanyl und Buprenorphin und dem Oxycodon Sortiment, sowie der Krebstherapie mit Goserelin und Leuprorelin Implantaten, liegen. Beide Bereiche werden sich stark ergänzen, denn Onkologen gehören zu unseren wichtigsten Kunden. Zudem sind wir schon im Mittleren Osten vertreten und – je nach Zulassungszeit  für die Produkteregistrierung – werden weitere Märkte hinzukommen. Zudem schliessen wir derzeit Vereinbarungen mit lokalen Partnern auf verschiedenen Märkten ab und sind über Regionalmanager im Mittleren Osten, Asien und Afrika präsent.


Wo erwarten Sie die grössten Umsatzbeiträge in den «neuen» Märkten?


Ausschlaggebend für uns ist der Bereich, wo wir die grösste Wertschöpfung und eine aussichtsreiche Position erreichen können. Die Grösse der Märkte spielt keine Rolle. Wir wollen weder in einen harten Preiskampf einsteigen, noch mit grossen Firmen und riesigen Marketing-Budgets konkurrieren. Wichtig sind uns aber vor allem Märkte, wo wir die grössten Chancen auf einen Markteintritt haben. Denn wir wollen unsere Gewinn- und Verlustrechnung nicht mit hohen Kosten bei ungewissem Ausgang belasten.



«2011 wird das Jahr der Konsolidierung und eines bescheidenen Wachstums. Wir wollen die ersten Früchte unserer neuen Strategie durch die geografische Expansion und neue Kundenkreise durch «business to busines» und unsere eigene Marke ernten.»


Ab wann rechnen Sie mit deutlich verringerten Abhängigkeit vom deutschen Markt?


Deutschland wird für uns ein wichtiger und auch wachsender Markt bleiben, aber andere Märkte werden stärker wachsen, so dass der deutsche Anteil an unserem Umsatz weiter sinken wird. Derzeit verkaufen wir 40% unseres Umsatzes beim nördlichen Nachbar, 2009 war es noch die Hälfte.  Die anvisierten Verkäufe in den USA und den Schwellenländern dürften diesen Prozentsatz ab 2012 jedoch deutlicher sinken lassen.


Werden Sie weiterhin mehr als die in der Generika-Branche üblichen 6-7% des Umsatzes in Forschung un Entiwcklung investieren?


Acino ist eben kein typischer Generika Hersteller, sondern eher ein Pharma Spezialitäten Hersteller. Deshalb werden wir immer mehr als reine Generika Firmen investieren. Für die Weiterentwicklung vieler unserer Produkte sind vor der Zulassung noch klinische Test vorgeschrieben. Das erhöht sowohl die Kosten als auch die Risiken unserer Entwicklungen. Das spezielle Know-how in der Medikamenten Entwicklung, die Erfahrung mit klinischen Tests und die höheren Investitionen setzt hohe Barrieren für einen Eintritt in unseren Marktbereich.


Sie sprachen auch von der Möglichkeit von Akquisitionen. Welche Voraussetzungen müssen dabei erfüllt sein?


Wir haben drei verschiedene Zielgruppen festgelegt:


1. Technologie-Firmen in Europa und den USA, die unsere Technologie Plattform erweitern können. Sie sollten aber bereits Einkommen erzielen, damit unsere F&E Ausgaben im Verhältnis zum Umsatz nicht übermässig hoch ausfallen,.
2. Lokale Pharma-Firmen in Schwellenländern mit einem auch für andere Märkte attraktiven Produkteportfolio.
3. Spezifische Produkte oder Produktelinien, die unser aktuelles Portfolio und die Projekt-Pipeline ergänzen.


Warum wollen Sie die Finanzberichterstattung ab 2011 auf den Halbjahres- und Jahresabschluss beschränken?


Unsere Generika-Kunden ordern in sehr grossen Mengen. Diese Mengen sind auf Monatsbasis nicht vorhersehbar, weil alles davon abhängt, wann die Aufträge abgerufen werden. Das kann am Ende eines Quartals oder erst zu Beginn des nächsten der Fall sein, was natürlich die Quartalsumsätze stark beeinflusst. Diese Fluktuationen können mit der halbjährlichen Berichterstattung reduziert werden.





Der Gesprächspartner:
Peter Burema, Jahrgang 1958, ist niederländischer Staatsbürger und leitet die Acino seit 1. April 2010 als Mitglied der Gruppenleitung und CEO.  Er absolvierte die Business School St. Olof in den Niederlanden. Zwischen 2008 bis 2010 war er als unabhängiger Berater von Pharmaunternehmen, Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaften in bezug auf deren Healthcare-M&A-Strategien mit speziellem Fokus auf (Marken-)Generika tätig. In den Jahren 2006 bis 2008 war er President Global Pharmaceutical Business bei Ranbaxy Laboratories Limited, London, und CEO der Ranbaxy Gesellschaften in Frankreich (RPG Ranbaxy Pharmacie Generiques) und Rumänien (Ranbaxy Terapia Rumania). 2004 bis 2006 war er President und davor Regional Director (2000-2004) für Europa, GUS, Afrika & Lateinamerika bei Ranbaxy Europe Ltd., London. Davor hatte er verschiedene Führungspositionen bei Bayer Healthcare (darunter Country Manager Indonesien, Division Director Skandinavien für die Divisionen Consumer Care und Pharmaceutical, General Manager Pharmaceutical Division Bayer Norway AS) inne.


Das Unternehmen:
Acino ist spezialisiert auf die Entwicklung, Registrierung und Herstellung von generischen und innovativen Pharmazeutika mit anspruchsvollen Formulierungstechnologien, für die Acino auch eigene Patente besitzt. Mit Fokus auf feste orale Darreichungsformen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung, therapeutische Systeme zur transdermalen Wirkstoffabgabe wie Pflaster und bioabbaubare, subkutane Implantate, beliefert Acino die grössten Anbieter auf den europäischen Arzneimittelmärkten. Die Acino Gruppe hat ihren Hauptsitz in Basel, beschäftigt gegenwärtig rund 420 Mitarbeitende und erwirtschaftete 2009 einen Jahresumsatz von rund CHF 240 Mio. Die Acino Holding AG ist an der SIX Swiss Exchange kotiert (SIX: ACIN).

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