Reformpolitik in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Die Schweiz holt auf

Das «D-A-CH-Reform­barometer» wird gemeinsam vom Institut der Deutschen Wirtschaft, von der Wirtschaftskammer Österreich und Avenir Suisse präsentiert. Es erfasst und bewertet seit September 2002 Reformen in den Bereichen Arbeitsmarkt­politik, Sozialpolitik sowie Finanz- und Steuerpolitik dieser drei Länder.


Reformen in der Invalidenversicherung, Neugestaltung des Finanzausgleichs und konsequente Haushaltspolitik
Wiesen Deutschland und Österreich bisher eine aktivere Reformpolitik auf, hat die Schweiz im letzten Jahr einen stetigen Kurs verfolgt. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die Reformen in der Invalidenversicherung, die Neugestaltung des Finanzausgleichs sowie eine konsequente Haushaltspolitik. Insgesamt aber wird der aktuelle Aufschwung in keinem der Länder genutzt, um wichtige strukturelle Reformen voranzubringen. Im Konjunkturhoch herrscht ein Reformtief.


Startwert im Jahre 2002
Die demographische Alterung und die voranschreitende Globalisierung verändern die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nachhaltig. Sollen auch in Zukunft Wohlstand und Wachstum gesichert werden, sind Anpassungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen notwendig. Vor diesem Hintergrund untersucht das «D-A-CH-Reform­barometer» die Reformpolitik von Deutschland, Österreich und der Schweiz seit September 2002. Für diesen Zeitpunkt wurde das Barometer für alle drei Länder auf den Startwert 100 gesetzt, auch wenn die Schweiz eine wesentlich bessere Ausgangsposition aufwies. Die Resultate werden jährlich präsentiert.


Fortschritte, wenn auch in bescheidenem Umfang
Auch in der Periode von Oktober 2006 bis September 2007 belegt Österreich den ersten Platz (112,1 Punkte), gefolgt von Deutschland (109,2 Punkte) und der Schweiz (105,3 Punkte). Damit hat sich im Vergleich zu 2005 und 2006 keine Veränderung in der Rangfolge ergeben. Hingegen war die Reformdynamik in der Schweiz im letzten Jahr grösser als die der beiden Nachbarn. In allen drei Teil­indikatoren – Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik sowie Steuer- und Finanz­politik -, konnten leichte Fortschritte erzielt werden. In Anbetracht des konjunkturellen Aufschwungs muss die Bilanz gleichwohl als bescheiden angesehen werden. Gänzlich erlahmt sind im letzten Jahr die Reformbemühungen in Österreich und Deutschland. Sie bewegen sich damit gegenläufig zum konjunkturellen Klima, obwohl gerade Reformen im Bereich der Sozialpolitik in wirtschaftlich guten Zeiten weniger schmerzhaft wären.


Arbeitsmarktpolitik:
Der vergleichsweise wenig regulierte und flexible Arbeitsmarkt ist nach wie vor eine Stärke der Schweiz. Doch wie andere Länder steht er vor der Herausforderung, dass die Pensionierungswelle der «Babyboom-Generation» dass Arbeitsangebot verknappen könnte. Daher wird die vorgesehene Revision in der beruflichen Vorsorge positiv bewertet, welche die Beteiligung älterer Personen am Arbeitsmarkt erleichtert. Der Indikator hat damit den Schluss- und zugleich Höchststand von 108,3 Punkten erreicht. Im Vergleich zu Österreich und Deutschland ist dies zwar noch immer ein relativ tiefer Wert, doch aufgrund der guten Ausgangslage besteht diesbezüglich in der Schweiz auch weniger Reformbedarf.


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Sozialpolitik:
Der Teilindikator Sozialpolitik liegt mit 91,8 Punkten nach wie vor deutlich unter dem Ausgangswert von 100 Punkten im September 2002. Immerhin ist ein Plus von 2,7 Punkten binnen Jahresfrist zu verzeichnen. Einen Beitrag dazu hat die 5. IV-Revision geleistet, wobei (zunächst) von der ursprünglich vorgesehenen Erhöhung des Beitragssatzes von 1.4 auf 1.5 Prozent abgesehen wurde. Damit ist die Regelung der Finanzierung der mit bald 10 Milliarden verschuldeten IV jedoch noch ausstehend. In der beruflichen Vorsorge hat der Bundesrat mit der Senkung des Rentenumwandlungssatzes einen wichtigen Reformschritt initiiert. Damit sollen erhebliche Quersubventionierungen der Rentnergeneration durch die aktive Bevölkerung vermieden werden. Noch hat das Vorhaben aber die parlamentarische Hürde nicht genommen.


Finanz- und Steuerpolitik:
Ende Oktober 2006 hat das Parlament die Ausführungsgesetzgebung zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben­teilung zwischen Bund und Kantonen unter Dach und Fach gebracht. Positiv bewertet wird insbesondere die damit verbundene wachstumsfreundlichere Steuerstruktur. Getrübt wird die positive Bewertung jedoch durch den so genannten Härteausgleich. Dieser garantiert, dass beim Übergang zum neuen System für keinen Kanton die finanziellen Zuweisungen niedriger ausfallen als zuvor. Die Übergangsfrist läuft bis 2035. Für die Verbesserung des Teilindikators Steuer- und Finanzpolitik auf den Schlussstand von 115,7 Punkten sind zwei weitere Vorlagen verantwortlich. Zum einen soll mit der Vereinfachung der Nachbesteuerung ein Anreiz geschaffen werden, hinterzogene Vermögen sowie daraus fliessende Erträge der Legalität zuzuführen. Gleichzeitig ist die Einführung einer einmaligen stra­flosen Selbstanzeige vorgesehen. Zum anderen wurde die Kreditsperre dauerhaft im Finanzhaushaltgesetz verankert. Sie trägt zu einer noch verbindlicheren Budgetdisziplin auch in der kurzen Frist bei. Umgekehrt musste die ursprünglich positive Bewertung der Unternehmenssteuerreform II nach unten korrigiert werden, da im Parlament der Kreis der Aktionäre eingeschränkt wurde, die von einer Reduktion der steuerlichen Doppelbelastung profitieren. Besonders für Investoren wurde die Steuererleichterung entwertet.


Standortvorteile erhalten:
Unabhängig vom Resultat des Reformbarometers kann konstatiert werden, dass sich die Schweiz in den letzten Jahren als eigentliche Globalisierungsgewinnerin entpuppt hat. Dies kann auch als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Rahmenbedingungen in der Schweiz – zumindest heute noch – vergleichsweise gut sind. Doch im intensiver werdenden Standortwettbewerb schwinden bestehende Vorteile rasch, wenn die Rahmenbedingungen nicht immer wieder überdacht und verbessert werden. Aus übergeordneter Sicht böte gerade der aktuelle Aufschwung die Chance, wichtige strukturelle Reformen anzugehen. Zu nennen wären für die Schweiz insbesondere, dass im Rahmen der Sozialgesetzgebung ein Leistungsbezug an Bedingungen geknüpft wird, welche die Eigeninitiative der Betroffenen fördern. Auch müssen Regelungen abgeschafft werden, die eine Erwerbsarbeit nach 65 uninteressant machen oder gar verhindern. Im Bereich der Steuer- und Finanzpolitik wäre eine Verlagerung von den direkten zu den indirekten Steuern angezeigt, da hohe direkte Steuern in der Regel negative Arbeits- und Innovationsanreize setzen. Ein zusammenhängendes Konzept ist in der jüngst vorgestellten Studie von Avenir Suisse konkretisiert: «Aufschwung als Reformchance – Analyse der Wirtschaftsentwicklung und Reformskizze für eine prosperierende Schweiz» (Bodmer, Iselin, Rentsch, 2007).

(Avenir Suisse/mc/hfu)

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