Staatsschutz soll auch unbescholtene Bürger erfassen

Dies schrieb die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) in einem Bericht. Er habe auf Vorrat Daten gesammelt, ohne diese auf ihre Relevanz zu prüfen. Am Freitag hat der Bundesrat nun seine Stellungnahme dazu veröffentlicht. Er zeigt sich bereit, die Empfehlungen der GPDel anzunehmen, wie das Verteidigungsdepartement (VBS) mitteilte. Insbesondere was die Qualitätssicherung betreffe, erkenne auch der Bundesrat «dringenden Handlungsbedarf».


Drittpersonen sollen weiterhin erfasst werden dürfen
Nichts ändern will der Bundesrat am Umgang mit so genannten Drittpersonen: Dem Staatsschutz soll es weiterhin erlaubt sein, Personen zu erfassen, die selbst nicht verdächtig sind, aber einen Bezug zu verdächtigen Personen oder Organisationen haben. In die Staatsschutz-Datenbank dürften zwar nur staatsschutzrelevante Daten Eingang finden, hält der Bundesrat fest. Dies schliesse aber nicht aus, dass «unbescholtene Bürger» rechtmässig in die Datenbank gelangen könnten.


Bundesrat lehnt klare Definition von «Drittperson» ab
Würden Drittpersonen definitiv als unbedenklich eingestuft, seien die Daten zu löschen, schreibt der Bundesrat. Die GPDel hatte eine klare Definition von «Drittperson» gefordert. Dies lehnt der Bundesrat ab: Der Begriff sei bereits geregelt, erklärt er. Der Bundesrat stützt sich bei seiner Stellungnahme auf ein Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz. Demnach hat die Staatsschutz-Datenbank ISIS zwar «eher» den Charakter eines Verdachtsregisters. Dies bedeutet nach Ansicht der Juristen aber nicht, dass ausschliesslich Verdächtige eingetragen werden dürfen.


Staatsschutzrelevanz gesetzeskonform interpretiert
Der Bundesrat hält fest, der Begriff der Staatsschutzrelevanz lasse sich nicht «mathematisch-exakt» ermitteln. Was als staatsschutzrelevant betrachtet werde, hänge auch von den momentanen politischen Bedingungen, den herrschenden gesellschaftlichen Vorstellungen sowie der konkreten Bedrohungslage ab. Nach Ansicht des Bundesrates hat der Nachrichtendienst den Begriff gesetzeskonform interpretiert. Versäumt habe er, bei Entkräftung eines Verdachts die Daten zügig zu löschen, räumt der Bundesrat ein. Die Prozesse sollen nun mit externer Unterstützung überprüft und wo nötig angepasst werden.


Neue Richtlinien für neue Einträge
Für neue Einträge in die Datenbank gelten neue Richtlinien: Der Direktor des Nachrichtendienstes hatte die Richtlinien im Juli im Sinne einer Sofortmassnahme verschärft. Allgemein soll der Nachrichtendienst künftig die Qualität vor die Quantität stellen. Einverstanden zeigt sich der Bundesrat mit einer Datensperre: Daten, die vor fünf Jahren oder früher erfasst wurden und seither nicht überprüft wurden, sind – wie die GPDel gefordert hatte – vorläufig gesperrt. Der Nachrichtendienst muss die Daten überprüfen. Ob er sie danach wieder verwenden darf oder löschen muss, soll ein externer Datenschutzbeauftragter entscheiden.


Auskunftsrecht soll verbessert werden
Änderungen verspricht der Bundesrat weiter beim Fahndungsprogramm «Fotopass», mit welchem Personen aus bestimmten Ländern an der Grenze automatisch vom Staatsschutz erfasst werden. Das Programm soll in seiner heutigen Form eingestellt werden, wie die GPDel es empfohlen hatte. Geplant ist allerdings ein «Nachfolgeprojekt». Wie der Bundesrat bereits früher angekündigt hatte, soll auch das Auskunftsrecht verbessert werden: Wer wissen will, ob der Nachrichtendienst Informationen über ihn sammelt, soll dies künftig erfahren dürfen.


Keine Schwächung der Staatsschutzorgane
Der Bundesrat kündigt auch weitere rechtliche Anpassungen an. Er betont aber, die Staatsschutzorgane dürften nicht geschwächt werden. Es sei im Gegenteil zu prüfen, wie ihre Effektivität und Effizienz erhöht werden könne, ohne dass die Grundrechte «ungebührend» eingeschränkt würden. Nach dem 11. September 2001 hätten die meisten Staaten die Sicherheitsstrukturen deutlich ausgebaut, gibt der Bundesrat zu bedenken. Seiner Meinung nach sollte auch der Schweizer Staatsschutz mehr dürfen als er heute darf, zum Beispiel präventiv Telefonate abhören. Er hatte entsprechende Gesetzesänderungen vorgeschlagen, doch war das Parlament damit nicht einverstanden. In Kürze will der Bundesrat nun einen neuen Entwurf vorlegen. (awp/mc/ss/22)

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