Affäre Hildebrand: Ständeratskommission sieht keine Immunität Blochers

Affäre Hildebrand: Ständeratskommission sieht keine Immunität Blochers

SVP-Nationalrat Christoph Blocher. (Copyright: Das Schweizer Parlament)

Bern – Christoph Blocher muss sich in der Affäre Hildebrand dem Strafverfahren stellen. Zu diesem Schluss kommt nach der Immunitätskommission des Nationalrats auch die Rechtskommission des Ständerats. Aller Voraussicht nach kann die Zürcher Justiz sämtliche Vorwürfe gegen Blocher untersuchen. Die Immunitätskommission des Nationalrats hatte bereits im April entschieden, dass Blocher erst ab seiner Vereidigung als Nationalrat am 5. Dezember 2011 Immunität geniesst. Zum Verhängnis wird dem SVP-Strategen damit, dass er zwei Tage zuvor, am 3. Dezember, den Informatiker der Bank Sarasin und Anwalt Hermann getroffen hat.

Die ständerätliche Rechtskommission (RK) schloss sich in dieser Frage der Nationalratskommission an, wie RK-Präsidentin Anne Seydoux (CVP/JU) am Donnerstag vor den Medien in Bern sagte. Sie beschloss mit 11 zu 2 Stimmen, dass Blocher für den 3. Dezember nicht durch parlamentarische Immunität geschützt ist. In besagtem Treffen in Blochers Villa in Herrliberg ZH soll der alt Bundesrat Screenshots von Kontodaten des inzwischen zurückgetretenen Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand zumindest gesehen haben. Damit wäre nach Ansicht der Zürcher Staatsanwaltschaft der Tatbestand der Verletzung des Bankgeheimnisses erfüllt.

Daten für die «Weltwoche»
Was die Zeit nach der Vereidigung betrifft, sind sich die Kommissionen noch nicht einig. Diese Frage betrifft den 27. Dezember. An dem Tag soll Blocher versucht haben, den Thurgauer SVP-Kantonsrat Lei dazu anzustiften, zusammen mit dem Sarasin-Informatiker die Bankunterlagen des Ehepaars Hildebrand an die «Weltwoche» weiterzuleiten. Die Zürcher Staatsanwaltschaft hält auch diese Vorgänge für strafwürdig. Die Nationalratskommission war zum Schluss gekommen, dass Blocher für Handlungen in der Affäre Hildebrand nach der Vereidigung Immunität geniesst. Sie war mit 5 zu 4 Stimmen knapp dagegen, diese aufzuheben.

Anders beurteilt die Ständeratskommission den Fall. Aus ihrer Sicht sind auch Blochers Handlungen nach der Vereidigung nicht durch die parlamentarische Immunität geschützt. Dies hat die Kommission laut Anne Seydoux mit 10 zu 3 Stimmen beschlossen.

Fehlender unmittelbarer Zusammenhang mit dem Mandat
Die Begründung: Es bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Mandat. Es sei am Parlament, aber nicht an einem einzelnen Parlamentarier, die Oberaufsicht wahrzunehmen. Kommissionsmitglied Claude Janiak (SP/BL) verwies auf Artikel 26 des Parlamentsgesetzes. Dieser hält fest: «Die Bundesversammlung übt die Oberaufsicht aus über die Geschäftsführung des Bundesrates (…) und anderer Träger von Aufgaben des Bundes.»

Laut Janiak hätte sich Blocher an die Geschäftsprüfungskommission wenden und eine Untersuchung beantragen sollen. Dies sei langjährige Praxis der Aufsichtskommissionen, die schnell handeln könnten. Blocher war mit seinen Informationen direkt zur damaligen Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey gegangen.

Justiz wird alles untersuchen dürfen
Nun muss sich die nationalrätliche Kommission nochmals mit den Handlungen nach der Vereidigung befassen. De facto setzt sich die ständerätliche Kommission aber ohnehin durch. Die Justiz wird sämtliche Vorwürfe gegen Blocher untersuchen können – auch die Weitergabe von Informationen an die Medien. Grund dafür ist eine Bestimmung im Parlamentsgesetz. Ihr zufolge ist ein zweiter Nichteintretensentscheid einer Kommission endgültig. Dass sich nächste Woche die Immunitätskommission des Nationalrats nochmals damit beschäftigen muss, ist reine Formsache.

Die eidgenössischen Räte haben im vergangenen Sommer die Immunitätsregeln verschärft. Neu muss nicht nur ein Zusammenhang, sondern ein «unmittelbarer» Zusammenhang zur parlamentarischen Tätigkeit gegeben sein, damit die Immunität aufgehoben werden kann.

Blocher: Rücktritt kein Thema
Christoph Blocher selbst ist nicht erstaunt darüber, dass ihn die Kommissionen der Justiz ausliefern wollen. Es handle sich um einen «politischen Entscheid», sagte er am Donnerstagabend im Bundeshaus. Das Strafverfahren fürchtet der SVP-Nationalrat nach eigenen Angaben nicht. Er sei in die Weitergabe von Informationen an die Medien «nicht involviert» gewesen, versicherte er. Viel mehr habe er verhindern wollen, dass die Informationen an die Presse gelangten. Einen Rücktritt schliesst Blocher aus: «Ich würde auch dann Nationalrat bleiben, wenn ich verurteilt würde.»

Nach dem Entscheid der ersten Kommission hatte Blocher Ende April in einem Interview gesagt «auch ich habe lieber einen Freispruch als Immunität.» Am 3. Dezember sei er rechtsgültig gewählter Nationalrat gewesen. Deshalb habe er bereits vor der Vereidigung am 5. Dezember Entschädigungen für die Teilnahme an Fraktionssitzungen erhalten. (awp/mc/ps)

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