Bauwirtschaft will differenzierte Mindestlöhne und starke Sozialpartnerschaft erhalten

Bauwirtschaft will differenzierte Mindestlöhne und starke Sozialpartnerschaft erhalten
Anlässlich des Parlamentarieranlasses im Raiffeisen Forum vom 11. Juni diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik die Vorlage kontrovers. (Foto: zvg)

Bern – Mindestlöhne in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen sollen Vorrang vor kantonalen Mindestlöhnen haben. Mit einer Anpassung im Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG) wäre dieser Grundsatz zukünftig gesetzlich verankert. Die Stammgruppe Ausbaugewerbe und Gebäudehülle von Bauenschweiz unterstützt diesen Schritt ausdrücklich. Denn damit bleibt das bewährte System der sozialpartnerschaftlich ausgehandelten Mindestlöhne erhalten — zum Schutz der Löhne und der Berufsbildung.

Ausgangspunkt der aktuell diskutierten Vorlage ist eine Motion von Ständerat Erich Ettlin. Diese fordert, die bewährte sozialpartnerschaftliche Ordnung gegen politische Eingriffe abzusichern. Konkret soll im Bundesgesetz verankert werden, dass die Mindestlöhne in allgemeinverbindlich erklärten GAV gegenüber kantonalen Mindestlöhnen Vorrang haben. Auch dann, wenn die GAV-Mindestlöhne tiefer sind. Mit der Anpassung des AVEG soll Rechtsunsicherheit abgebaut und die Rolle der Sozialpartner gestärkt werden. Die Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK-N) hat diese Haltung mehrheitlich unterstützt und empfiehlt, die Vorlage anzunehmen. Die Stammgruppe Ausbaugewerbe und Gebäudehülle teilt diese Sichtweise ausdrücklich. «Die Sozialpartnerschaft ist ein tragender Pfeiler des Schweizer Arbeitsmarkts.

Sie schafft Verbindlichkeit, Planungssicherheit und faire Bedingungen für Arbeitgebende und Arbeitnehmende», betont Peter Meier, Präsident der Stammgruppe Ausbaugewerbe und Gebäudehülle. «Darum ist es entscheidend, dass die in GAV vereinbarten Mindestlöhne auch künftig Vorrang haben und die Branche weiterhin eigenverantwortlich differenzierte Lösungen entwickeln kann.» Diese Haltung ist in der Wirtschaft breit abgestützt: 29 Wirtschaftsverbände, zusammengeschlossen in der Allianz «für die Stärkung der Sozialpartnerschaft», unterstützen die Stossrichtung der Vorlage ebenfalls.

Angeregte Diskussion der Vorlage
Anlässlich des Parlamentarieranlasses im Raiffeisen Forum vom 11. Juni diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik die Vorlage kontrovers. Als Einstieg stellte Initiant Erich Ettlin (Die Mitte/OW) seine der Vorlage zugrundeliegende Motion vor und betonte, dass diese nötig sei, um das bewährte System der Sozialpartnerschaft zu erhalten. Cédric Wermuth (SP/AG) stellte sich gegen die Vorlage und wies auf die Problematik hin, dass mit der Gesetzesänderung kantonale Mindestlöhne übersteuert werden könnten. Diana Gutjahr (SVP/TG) dagegen argumentierte, dass gerade die differenzierten Löhne aus dem ave GAV faire Arbeitsbedingungen garantieren. Aus Sicht der Unternehmerin ist klar: «Wir dürfen jetzt nicht einfach einzelne Rosinen herauspicken. Ein austarierter ave GAV ist ein Gesamtpaket.» Dieser Aussage schloss sich auch Anita Luginbühl, Vizepräsidentin Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM, an.

Genau wie in der vorhergehenden Medienkonferenz mit den Wirtschaftsvertretern Peter Meier (Präsident Stammgruppe Ausbau und Gebäudehülle), Beat Imhof (Präsident GastroSuisse), Anita Luginbühl (Vizepräsidentin VSSM) sowie Stephan Saxer (Vizepräsident Ceruniq und Unternehmer) zeigte sich in dieser angeregten Diskussion die gemeinsame Haltung der Wirtschaft zur klaren Befürwortung der Vorlage.

Differenzierte Löhne stärken die Berufsbildung
Mindestlöhne in ave GAV bieten der Bauwirtschaft und ihren Beschäftigten seit jeher einen wirksamen Schutz vor Lohndumping und garantieren faire Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig ermöglichen sie eine Differenzierung der Löhne nach Qualifikation, Berufsart und Erfahrung. Kantonale Mindestlöhne hingegen sind meist undifferenziert.

Wird Bildung durch einen einheitlichen Mindestlohn weniger lohnrelevant, reduziert sich auch der Anreiz sich aus- und weiterzubilden. «Für die Stärkung der Berufsbildungssysteme ist es daher wichtig, dass sich Ausbildung, Leistung und Berufserfahrung lohnwirksam niederschlagen», erläutert Diana Gutjahr, Nationalrätin (SVP/TG) und Geschäftsleitungsmitglied sowie Verwaltungsratspräsidentin der Ernst Fischer AG.

Die in ave GAV festgelegten Mindestlöhne für ausgebildetes Personal liegen zudem meist deutlich über den kantonalen Mindestlöhnen. Ein Vorrang kantonaler Mindestlöhne würde diese differenzierte Systematik nivellieren und damit auch der Berufsbildung schaden.

Rechts- und Planungsunsicherheiten für KMU vermeiden
Für die in der Bauwirtschaft tätigen Unternehmen hätte eine fragmentierte Lohnlandschaft konkrete negative Folgen im Alltag. Vor allem bei ausserkantonalen Aufträgen und der Offertstellung entstünde erhebliche Rechts- und Planungsunsicherheit. Stephan Saxer, Unternehmer und Vizepräsident Ceruniq, hält fest: «Für Unternehmen mit Aufträgen in mehreren Kantonen wird es zunehmend schwierig, rechtskonforme und wettbewerbsfähige Angebote zu kalkulieren, wenn überall unterschiedliche Lohnvorgaben gelten.» Gerade kleinere und mittlere Betriebe, die in
der Regel schweizweit tätig sind, würden durch eine solche Entwicklung unverhältnismässig belastet.

Sozialpartnerschaft erhalten, Spielregeln respektieren
Die Sozialpartnerschaft hat sich in der Bauwirtschaft über Jahrzehnte als tragfähiges Modell bewährt. Differenzierte Mindestlöhne, die von den Branchen selbst ausgehandelt werden, schaffen faire Bedingungen und sichern die Qualität. Politische Eingriffe, die diese Regelungen übersteuern, gefährden die Akzeptanz der GAV bei den Sozialpartnern und führen zu mehr Unsicherheit statt zu besserem Schutz. Die Stammgruppe Ausbaugewerbe und Gebäudehülle unterstützt deshalb die geplante Anpassung des Bundesgesetzes und die Stossrichtung der Motion Ettlin ausdrücklich.

Stammgruppe führt gemeinsame Kommunikation weiter
Um den Wandel und die Herausforderungen zu stemmen sowie Fachkräfte für die Berufe zu gewinnen, führt die Stammgruppe Ausbaugewerbe und Gebäudehülle eine gemeinsame Kommunikationsoffensive unter dem Titel: «Wir gestalten Lebensräume: Das Ausbaugewerbe». Unter www.ausbaugewerbe.ch werden die Bedeutung der Teilbranche zusammengefasst und die verschiedenen Verbände präsentiert. Weiter ist geplant, zu aktuellen gesellschaftlich und politisch relevanten Themen, die das Ausbaugewerbe und Gebäudehülle betreffen, Stellung zu beziehen und sich entsprechend zu positionieren. (pd/mc)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert