Bundesrat schafft rechtliche Basis für weitere Reservekraftwerke

Bundesrat schafft rechtliche Basis für weitere Reservekraftwerke
Simonetta Sommaruga. (Screenshot)

Bern – Reserve-Gaskraftwerke sollen neben den verschiedenen bereits ergriffenen Massnahmen helfen, die Stromversorgung in den nächsten Wintern sicherzustellen. Die Mehrkosten tragen die Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher.

Der Bundesrat hat am Mittwoch die entsprechende Winterreserveverordnung in die Vernehmlassung geschickt. Diese regelt die Schaffung einer Stromreserve, die als Absicherung gegen ausserordentliche Knappheiten dient, die am ehesten im Winter bis Frühling auftreten können. Die neuen Regeln sollen spätestens Mitte Februar 2023 in Kraft treten. Die Vernehmlassung dauert bis am 18. November 2022.

Die Verordnung umfasst neben der Wasserkraftreserve neu auch Reservekraftwerke und Notstromgruppen. Grundlage dafür ist das «Konzept Spitzenlast-Gaskraftwerk» der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom), das ab 2025 eine Reservekraftwerksleistung von 1000 Megawatt (MW) vorsieht.

Zwar habe die Gasbranche in den vergangenen Monaten die geforderten Gasreserven sichergestellt, sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien in Bern. Trotzdem brauche es Gas-Reservekraftwerke. «Diese bringen im Notfall zusätzlichen Strom ins System.» Die Schaffung einer gezielten Winterreserve sei für die kommenden Jahre «notwendig und sinnvoll».

Keine übermässigen Gewinne
Teilnehmen können Betreiber von Kraftwerken, die mit Gas oder anderen Energieträgern betrieben werden. Die Kraftwerke produzieren Strom ausschliesslich für die Reserve und nicht für den Markt. Kann die Reserve nicht im notwendigen Umfang gebildet werden, können Inhaber geeigneter Reservekraftwerke oder andere Unternehmen zur Teilnahme verpflichtet werden.

Notstromgruppen können ebenfalls an der Reserve teilnehmen. Die Betreiber der Reservekraftwerke und der Notstromgruppen erhalten eine Vergütung für die fixen Kosten und eine Entschädigung bei einem tatsächlichen Abruf der Reserve, die auch die Kosten der Betriebsbereitschaft beinhaltet. Übermässige Gewinne können laut dem Bundesrat begrenzt werden.

Damit die Anlagen rechtzeitig zur Verfügung stehen, sind temporäre Lockerungen der Vorschriften zum Lärmschutz und zur Luftreinhaltung sowie der Vorschriften insbesondere betreffend Bau und Erschliessung erforderlich. Die nötigen Rechtsanpassungen erfolgen parallel zur Verordnung, wie der Bundesrat schreibt.

Die Verordnung legt auch Eckwerte fest, wann welche Reserve zum Einsatz kommen wird und wer darüber entscheidet. Laut Elcom-Präsident Werner Luginbühl wird bei einer drohenden Mangellage vorzugsweise Wasserkraft abgerufen. Die Reservekraftwerke seien nur «für den äussersten Notfall» vorgesehen. Am ehesten kritisch werde es in der zweiten Hälfte des Winters, falls zu wenig Strom importiert werden könnte.

Kosten in Milliardenhöhe
In seiner Einschätzung der aktuellen Versorgungssituation sprach Luginbühl von einer gewissen Entspannung, auch wenn sich die Preise immer noch auf sehr hohem Niveau bewegten. Der jüngst erfolgte deutliche Preisabschlag weise indes auf ein gestiegenes Vertrauen der Marktakteure hin. Trotzdem blieben die Risiken bezüglich der Versorgungssicherheit «beträchtlich».

Für den kommenden Winter 2022/2023 stehen vorerst rund 250 MW des Reservekraftwerks in Birr AG zur Verfügung. «Verhandlungen über weitere bestehende Reservekraftwerke sind noch im Gange, ebenso für die Integration von Notstromgruppen in die Winterreserve», schreibt der Bundesrat.

Gemäss dem Elcom-Konzept von 2021 liegen die mittelfristigen Investitionskosten für die Reserve-Gaskraftwerke mit einer Leistung von bis zu 1000 MW bei insgesamt maximal rund 700 bis 900 Millionen Franken. Die Kosten für bestehende Reservekraftwerke und Notstromgruppen für die Zeitperiode von Winter 2022/2023 bis Winter 2025/2026 werden auf insgesamt rund 580 Millionen Franken geschätzt. Nicht eingerechnet sind die variablen Kosten, die beim tatsächlichen Einsatz der Reservekraftwerke entstehen würden.

Bei der Wasserkraftreserve betragen die Kosten für die Zeitperiode von Winter 2022/2023 bis Winter 2025/2026 grob geschätzt insgesamt rund 2,2 Milliarden Franken. Die Finanzierung erfolgt über das Netznutzungsentgelt für das Übertragungsnetz. Somit tragen die Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher die Kosten der Reserve. Für die Zeitperiode 2024 bis 2026 dürften die Strompreise um durchschnittlich rund 1,4 Rappen pro Kilowattstunde steigen.

Langfristige Massnahmen im Parlament
Sommaruga wie Luginbühl räumten ein, die Bereitstellung von Krisenreserven sei mit Kosten verbunden in den kommenden vier Jahren. Aber eine Mangellage oder gar ein Blackout käme noch viel teurer zu stehen, betonten beide. Man versuche, mit minimalem Mitteleinsatz ein Optimum an Wirkung zu erzielen.

Die Winterreserveverordnung ist bis Ende 2026 befristet und soll so rasch als möglich von einer Regelung auf Gesetzesstufe abgelöst werden. Im sogenannten Energie-Mantelerlass ist per 2040 ein Zubau von Kraftwerken zur Erzeugung von erneuerbarer Energie von mindestens sechs Terawattstunden vorgesehen. Davon müssen mindestens zwei Terawattstunden sicher abrufbar sein. Als nächstes befasst sich der Nationalrat mit der Vorlage.

Sommaruga appellierte am Mittwoch erneut an die Bevölkerung. Die Energiekrise sei mit der Schaffung von Reserven nicht vorbei. Ein Ausbau der erneuerbaren Energien sei zwingend. «Wir müssen uns von der Abhängigkeit von Öl und Gas lösen – je schneller, desto besser.» (awp/mc/pg)

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