Bundesrat will in grösseren Räumen und mit Blick in die Zukunft planen

Bundesrat will in grösseren Räumen und mit Blick in die Zukunft planen

Bern – Die Bevölkerung wächst, immer mehr Kulturland wird zugebaut, für Strassen, Schienen und Leitungen fehlt der Platz. Dieser Entwicklung will der Bundesrat mit einer weiteren Revision des Raumplanungsrechts Einhalt gebieten. Geplant werden soll künftig in grösseren Räumen und mit weiterem Blick in die Zukunft.

Die Vorlage, die der Bundesrat am Freitag in die Vernehmlassung geschickt hat, stellt die heute geltende Ordnung nicht auf den Kopf: Der Bund erlässt die Grundsatzgesetzgebung, die Kantone regeln die Grundsätze der Planung in Richtplänen, die Gemeinden machen die für Grundeigentümer verbindlichen Vorschriften. Das Anliegen, mit immer knapperen Ressourcen sinnvoll und in zusammenhängenden Wirtschafts- und Siedlungsräumen zu planen, macht aber doch eine Verschiebung von Zuständigkeiten hin zum Bund nötig.

Gemeinsame Planung
So sieht der Entwurf vor, dass Bund, Kantone und Gemeinden künftig gemeinsam eine Strategie für die räumliche Entwicklung der Schweiz erarbeiten. Die Kantone sollen im Rahmen der Richtplanung prüfen, ob sogenannte funktionale Räume festzulegen sind – Gebiete, die wirtschaftlich, gesellschaftlich oder ökologisch eng miteinander verflochten sind.

Ist dies der Fall, müssen die beteiligten Kantone und Gemeinden die Raumentwicklung gemeinsam planen. Betrifft ein funktionaler Raum das Gebiet mehrerer Kantone und liegt nicht innerhalb von fünf Jahren eine gemeinsame Planung vor, soll der Bund die Planung anstelle der Kantone vornehmen können. Einer «Schönwetter-Regulierung» erteilt er in den Erläuterungen zur Vorlage eine klare Absage.

Höher werden sollen auch die Anforderungen an die Richtpläne. Darin müssten die Kantone nicht nur detailliert Auskunft geben über die Siedlungsplanung, sondern auch über Verkehr, Landwirtschaft, Natur, Landschaft und Naturgefahren, Energie, Versorgung und Entsorgung sowie über Planungen, die den Untergrund betreffen.

Weitere Zuständigkeiten sollen dem Bund zukommen, wenn es um die Freihaltung von Flächen für Infrastrukturen im nationalen Interesse geht, etwa für Hochspannungsleitungen, Autobahnen oder Flughäfen. Um den dafür nötigen Platz freizuhalten, soll der Bund Gebiete beispielsweise mit Einzonungs- oder Erschliessungsverboten sichern können.

Kulturland sichern
Ein weiteres wichtiges Anliegen der Revision ist die Versorgungssicherheit. Der Entwurf sieht dazu einen weit gehenden Schutz von Fruchtfolgeflächen, das heisst ackerfähigem Kulturland, vor. Diese wären in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt und dürften nur unter eingeschränkten Bedingungen eingezont werden. Zentrales Element des Kulturlandschutzes ist die Kompensationspflicht für Fruchtfolgeflächen. Nur wenn es um ein Bauvorhaben von übergeordnetem öffentlichem Interesse oder um zonenkonforme Bauten für die Landwirtschaft geht, soll auf Ersatz des Landwirtschaftslandes verzichtet werden können.

Zu den Konsequenzen, die sich ergeben, wenn ein Kanton den vorgeschriebenen Mindestumfang an Fruchtfolgeflächen unterschreitet, legt der Bundesrat zwei Varianten vor. Die strengere Variante sieht vor, dass der Kanton keine Fruchtfolgeflächen mehr einzonen darf. Auch die Fläche, die für Bauten von übergeordnetem Interesse oder für landwirtschaftliche Bauten in Anspruch genommen wird, müsste kompensiert werden. Die weniger strenge Variante sieht vor, dass der Bundesrat die Gesamtfläche verkleinern kann, wenn es um solche Bauten geht.

Schliesslich soll mit der Revision des Raumplanungsgesetzes das Bauen ausserhalb von Bauzonen neu geregelt werden. Die vielen, zum Teil eher punktuellen Revisionen in den vergangenen Jahren hätten zu einem komplexen und unübersichtlichen Regelwerk geführt, schreibt der Bundesrat. Dies erschwere einen einheitlichen und konsequenten Vollzug. Die Bestimmungen sollen darum neu gegliedert werden. Grundlegende materielle Änderungen sind aber nicht vorgesehen.

Im Entwurf sind zudem programmatische Neuerungen enthalten, die zu reden geben könnten. So soll die Siedlungsplanung neu auch die Bedürfnisse der Wirtschaft berücksichtigen. Ausdrücklich vorgesehen sind weiter Massnahmen, um für Haushalte mit geringem Einkommen ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Viele Anliegen bedient
Der Bundesrat greift mit der Vorlage Herausforderungen vor, die sich aus der Energiestrategie 2050 ergeben werden, etwa mit der Sicherung von Räumen für Infrastrukturen von nationalem Interesse. Zudem nimmt er die Anliegen verschiedener Initiativen auf. Auf Ernährungssicherheit und Erhalt von Kulturland zielen die Ernährungssicherheits-Initiative des Bauernverbands und die Initiative «Für Ernährungssicherheit» von Uniterre ab. In Bern ist eine Kulturland-Initiative hängig, das Zürcher Stimmvolk hat eine solche schon angenommen.

Morgen Samstag wollen die Jungen Grünen eine weitere nationale Initiative lancieren. Ziel ist es, Bauzonen einzuschränken, Kulturland zu schützen und nachhaltiges, verdichtetes Bauen zu fördern. Und schliesslich erfüllt der Bundesrat auch sein eigenes Versprechen, die Folgen des Bevölkerungswachstums unabhängig von der Beschränkung der Zuwanderung abzufedern. Die Vernehmlassung dauert bis zum 15. Mai 2015.

Zweite Etappe stösst auf Kritik
Die zweite Revision des Raumplanungsgesetzes stösst bei Verbänden auf Kritik. Während sie für die Baumeister über das Ziel hinausschiesst, meldet Pro Natura grundsätzliche Zweifel an. Die Kantone halten sich zwar offiziell noch bedeckt. Gefallen dürften sie an dem Gesetzesentwurf aber kaum finden. Bereits im April hatten die Kantone dem Bund signalisiert, bei der Reform der Raumplanung auf die Bremse zu treten. In einem Brief an Umweltministerin Doris Leuthard forderten sie einen Marschhalt von eins bis zwei Jahre für weitere Verschärfungen.

«Wir haben das Gefühl, jetzt wird das Fuder überladen», sagte der damalige Präsident der Baudirektorenkonferenz (BPUK), Jakob Stark, im April gegenüber Radio SRF. Die Zersiedelung müsse gebremst werden. Doch das Ziel sei es jetzt, die Raumkonzepte in allen Kantonen festzulegen und dafür die Kräfte zu konzentrieren. Auf Anfrage erklärte die BPUK am Freitag, sie könne zum Gesetzesentwurf derzeit keine Stellung nehmen. Erst wolle sie diesen eingehend prüfen, um dann eine gemeinsame Position der Kantone zu erarbeiten.

Neue Regulierungswelle
Grosse Vorbehalte meldet der Schweizerische Baumeisterverband an. Im neuen Raumplanungsgesetz sieht er «eine Art politisches Generalplanungsgesetz der Schweiz». Der Gesetzestext sei zu stark von «Schutzinteressen» dominiert. Nachhaltige Raumentwicklung müsse aber auch die Förderung der wirtschaftlichen Nutzung in Betracht ziehen.

Der Hauseigentümerverband (HEV) erachtet die neue Vorlage als unausgereift und inhaltlich überladen. Zudem würden die Kompetenzen der Kantone und Gemeinden beschnitten, kritisiert der Verband in einer Mitteilung. Ähnlich äussert sich der Gewerbeverband (sgv). Vor einer «neuen Regulierungswelle» müsse erst mit dem verdichteten Bauen vorwärtsgemacht werden, schreibt der Verband.

Pro Natura fürchtet, dass die zwei Reformetappe bei der Raumplanung nicht dem Willen der Stimmbevölkerung zur Eindämmung der Zersiedelung Rechnung tragen wird. Wenn die heute gestartete Revision dies nicht erreiche, lohne sie sich nicht, schreibt der Umweltverband. (awp/mc/pg)

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