Bundesrat will Konzernverantwortungs-Regeln an jene der EU anpassen

Bern/Brüssel – Der Bundesrat will die gesetzlichen Regeln zur Verantwortung international tätiger Konzerne bezüglich Menschenrechten und Umweltstandards anpassen. Sie sollen sich künftig an derzeit in der EU diskutierten neuen Bestimmungen anlehnen. Weiter will die Landesregierung offenbar nicht gehen.
Die geplanten Gesetzesänderungen sollen als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Grossunternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» dienen, wie der Bundesrat am Mittwoch mitteilte. Er legte die allgemeine Stossrichtung im Umgang mit dem auch als neue Konzernverantwortungsinitiative bekannten Volksbegehren fest.
Details noch offen
Welche Gesetzesänderungen der Bundesrat konkret plant, blieb zunächst unklar. Nach eigener Aussage will er abwarten, bis Klarheit über die künftigen Bestimmungen in der EU besteht. Die entsprechende Vernehmlassungsvorlage will die Landesregierung gemäss Mitteilung bis Ende März 2026 verabschieden.
Schweizer Unternehmen sollten bei ihrer Geschäftstätigkeit die Menschenrechte einhalten und die Umwelt schützen, hiess es im Communiqué. Gleichzeitig müssten sie im In- und Ausland wettbewerbsfähig bleiben.
Die Initiative war im Mai mit 287’164 Unterschriften eingereicht worden – nur knapp fünf Monate nach der Lancierung. Schon nach lediglich 14 Tagen hatten laut den Initianten, der Koalition für Konzernverantwortung, 183’661 Stimmberechtigte die Initiative unterschrieben.
Schon der zweite Anlauf
Es handelt sich bereits um die zweite Initiative dieser Art. Eine erste Konzernverantwortungsinitiative schaffte 2020 zwar das Volks-, aber nicht das Ständemehr.
Hinter der neuen Initiative steht eine Koalition von rund neunzig Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie Hilfswerken. Sie fordert, dass sich die Schweiz bei der Konzernverantwortung an internationalen Leitlinien und EU-Vorschriften orientiert, und will diesen Grundsatz in die Bundesverfassung schreiben. Unternehmen sollen mit einem international abgestimmten Konzernverantwortungsgesetz damit Planungssicherheit erhalten.
Konkret sieht die Initiative ein Bündel von Massnahmen vor. Dazu gehört, dass sich Konzerne und ihre Tochterfirmen auch im Ausland an Sorgfaltspflichten zu Menschenrechten und Umweltschutz sowie an international vereinbarte Temperaturziele halten müssen. Verpflichtet werden sollen sie zudem, direkte und indirekte Treibhausgasemissionen zu senken.
Eine unabhängige Aufsicht soll in Stichproben prüfen, ob die Vorgaben eingehalten werden, und gegebenenfalls Sanktionen aussprechen. Verursachen Unternehmen oder von ihnen kontrollierte Firmen Schäden, sollen sie haften müssen.
EU diskutiert Lockerungen
Wer von Menschenrechtsverletzungen betroffen ist, soll vor Gericht Klage gegen Unternehmen führen können. Der Initiativtext fordert dazu eine «angemessene Regelung für die Erbringung von Beweisen». Die Gesetzesbestimmungen für die Umsetzung der Initiative müsste das Parlament spätestens zwei Jahre nach dem Ja zur Initiative verabschieden.
Bei der Formulierung des vorgeschlagenen Verfassungsartikels dachte die Koalition für Konzernverantwortung allerdings ursprünglich an die EU-Lieferkettenrichtlinie von 2024. Dies zeigt ein Blick auf die Erläuterungen zum Initiativtext auf ihrer Website. Inzwischen haben sich die EU-Mitgliedstaaten jedoch auf eine deutliche Lockerung der Bestimmungen geeinigt. Darauf bezog sich nun auch der Bundesrat.
Eine Mehrheit der EU-Länder sprach sich im Juni dafür aus, dass nur Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitenden statt wie bislang 1000 unter das Gesetz zum Schutz von Menschenrechten fallen sollen. Zudem soll die Umsatzgrenze von 450 Millionen Euro Jahresnettoumsatz auf 1,5 Milliarden Euro angehoben werden. Im EU-Parlament ist das Geschäft noch hängig.
«Griffige Regeln»
Es bestehe weiterhin dringend Handlungsbedarf, schrieb die Koalition für Konzernverantwortung am Mittwoch in einer Stellungnahme. Bis heute verletzen Konzerne mit Sitz in der Schweiz immer wieder Menschenrechte und grundlegende Umweltbestimmungen.
«Wir erwarten, dass der Bundesrat griffige und wirksame Regeln erarbeitet, um Konzerne, welche Menschenrechte und die Umwelt missachten, endlich in die Pflicht zu nehmen», liess sich der Solothurner Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt zitieren. Müller-Altermatt ist Mitglied des Initiativkomitees. (awp/mc/pg)