Hoher Preis für die Einschränkung der Zuwanderung

Hoher Preis für die Einschränkung der Zuwanderung
(© Christian Schwier - Fotolia.com)

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Zürich – Die Personenfreizügigkeit ist in der Schweiz nicht mehr mehrheitsfähig. Mit der Annahme der Volksinitiative «Ge­gen Masseneinwanderung» am 9. Februar steht der erfolg­reiche bilaterale Weg mit Europa auf der Kippe und damit einer der Pfeiler des hohen Wachstumspotenzials der Schweiz. Gross wird daher die Verunsicherung in der Wirt­schaft sein. Das Beschäftigungswachstum dürfte sich folg­lich halbieren und mit der üblichen Verzögerung von einem Jahr auch die Zuwanderung bremsen. Betroffen ist davon hauptsächlich der Mietwohnungsmarkt. In den Zentren dürfte sich der Druck auf den Wohnungsmarkt reduzieren und die Marktmieten allenfalls leicht sinken lassen. Mittel-und langfristig erwarten wir jedoch wachsende Leerstände, in erster Linie ausserhalb der urbanen Räume.

Wie es nach dem hauchdünnen Ja weitergehen wird, ist un­klar. Klar ist einzig, dass für die EU Kontingente mit der Per­sonenfreizügigkeit nicht vereinbar sind. Dadurch sind nicht nur die bilateralen Verträge I gefährdet, sondern ist grundsätzlich die weitgehend gleichberechtigte Partizipation der Schweiz an der Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes infra­ge gestellt.

Grosse Verunsicherung in der Wirtschaft …
Unmittelbar dürfte die Annahme der Initiative keine merklichen Auswirkungen auf die Zuwanderung haben, denn die Initiative lässt die Höhe der künftigen Kontingente offen und gewährt dem Bundesrat eine dreijährige Übergangsfrist, bis ein Aus­führungsgesetz die offenen Fragen geklärt haben muss. Gross wird dagegen die Unsicherheit sein, die besonders in der Wirt­schaft bereits um sich zu greifen begonnen hat. Der bisherige bilaterale Weg kann so nicht mehr weitergeführt werden. Gangbare alternative Wege mit Europa stehen derzeit nicht zur Disposition, sodass man diesbezüglich vor einem Scherben­haufen steht und von Schadensbegrenzung die Rede ist.

… kostet Arbeitsplätze und reduziert Zuwanderung
Verunsicherung ist Gift für Investitionen – und als eine Investition ist auch die Einstellung von Personal zu verstehen. Kurz­fristig ist deshalb ein empfindlicher Rückgang des Beschäfti­gungswachstums zu erwarten. Gemäss unseren Berechnun­gen dürfte sich dieses ungefähr halbieren. In Zahlen ausge­drückt dürften über die nächsten drei Jahre rund 80’000 Ar­beitsplätze weniger geschaffen werden.[1] Die geringere Dyna­mik auf dem Arbeitsmarkt hätte Konsequenzen für das Wachstum des Bruttoinlandproduktes: Wir rechnen mit einem um 0.3 Prozentpunkte tieferen Wirtschaftswachstum im Ver­gleich zu unseren bisherigen Prognosen.

Mietwohnungsmarkt am stärksten betroffen
Da die Zuwanderung jeweils mit Verzögerung auf Signale der Beschäftigungsentwicklung reagiert, dürfte das Ja kaum Aus­wirkungen auf die Zahl der Immigranten im laufenden Jahr haben. 2015 dürfte sich das geringere Beschäftigungs­wachstum jedoch in einer Reduktion von 70’000 auf 50’000 Nettozuwanderer niederschlagen. Ironischerweise wird die Zuwanderung zunächst nicht durch Kontingente reduziert, sondern durch Standortunsicherheiten der Unternehmen. Da­mit dürften im nächsten Jahr rund 10’000 Wohnungen weni­ger nachgefragt werden. Diese Wohnungen befinden sich bereits in Erstellung und werden auch im Falle gedrosselter Neubauplanung in jedem Fall auf den Markt kommen. Wir rechnen folglich mit einer Beschleunigung des bisherigen Trends zu leicht höheren Leerständen. 2015 dürfte die Leer­standsziffer von heute 0.96% auf rund 1.2% zunehmen. Da die meisten Zuwanderer zunächst eine Wohnung mieten, ist in erster Linie der Mietwohnungsmarkt vom Rückgang der Zu­wanderung betroffen. Welche Mietwohnungsmärkte die Fol­gen im Detail spüren würden, zeigt eine vertiefte Analyse der Raumtypen, auf welche sich die internationalen Zuwanderer in der Vergangenheit konzentriert haben (vgl. Abb. 1). Die Grafik veranschaulicht, dass sich internationale Zuwanderer mehr­heitlich in den Zentren niedergelassen und dort die neugebau­ten Wohnungen vollumfänglich absorbiert haben. Der Zuwan­derungsdruck hat zudem bewirkt, dass bisher in den Zentren Ansässige abwanderten (sogenannte Binnenwanderung) oder dann näher zusammenrückten (negativer Mehrverbrauch).

Bemerkenswert ist, dass nachgerade die Zentren, welche dem Zuwanderungsdruck am stärksten ausgesetzt sind, die Initiati­ve abgelehnt haben. Die Probleme auf dem Immobilienmarkt können daher das Ja ursächlich nicht erklären.

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Anstieg der Leerstände in der Peripherie
In den von Wohnungsknappheit geplagten zentralen Regionen dürfte sich die Wohnsituation aufgrund der reduzierten Zuwan­derung leicht entspannen. Der Anstieg der Marktmieten dürfte gebremst werden und stellenweise könnten Mietpreisrückgän­ge die Folge sein. Der anhaltende Trend zur Reurbanisierung und eine mögliche Umkehr der jüngsten Binnenwanderung aus den Zentren werden weitergehende Konsequenzen im urbanen Raum verhindern. Dagegen ist zu erwarten, dass Leerstände vermehrt in der Peripherie auftreten werden. Sinkt der Siedlungsdruck in den Zentren, reduziert sich auch die Abwanderung aus den Städten und die Nachfrage im ländli­chen Raum sinkt. Hinzu kommt, dass sich die Planung von neuen Mietwohnungen verstärkt auf ländliche Regionen kon­zentriert (vgl. Abb. 2). Der geschätzte Anstieg der Leerstände um 0.25 Prozentpunkte im Jahr 2015 dürfte damit vor allem den rot eingefärbten Wirtschaftsregionen entspringen.

Mittelfristig beschränkte direkte Auswirkungen auf den Immobilienmarkt
Mittelfristig ist auch bei einer Kontingentierung nicht mit einem massiven Rückgang der Zuwanderung zu rechnen. Die Erfah­rungen mit den früheren Kontingentssystemen lehren, dass sich die Zuwanderung damit nur eingeschränkt steuern lässt. Völkerrechtliche Verträge, die hohe Lebensqualität in der Schweiz und das grosse Lohngefälle dürften die Zuwanderung in die Schweiz nicht so rasch abklingen lassen. Im Falle anhal­tend guter makroökonomischer Bedingungen erscheint eine Zuwanderung im Umfang von rund 40’000 bis 50’000 Perso­nen pro Jahr auch unter einem Kontingentsystem wahrschein­lich. Mit einem Einbruch der Zuwanderung ist daher nach ei­nem einmaligen Rückgang nicht zu rechnen, sodass sich auch die direkten Auswirkungen auf den Immobilienmarkt mittel- bis langfristig in Grenzen halten dürften.

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Wohneigentum nur indirekt betroffen
Zwei Entwicklungen werden den Markt jedoch stärker prägen. Erstens dürfte die aktuelle Angebotsausweitung, deren Wucht aufgrund von strukturellen Problemen in der Bauwirtschaft bisher nur teilweise auf den Markt hat einwirken können, ver­stärkt Spuren hinterlassen. Zweitens wird das langfristig gerin­gere Wachstum der Schweizer Wirtschaft die Wohnraumnach­frage unseres Erachtens nicht nur über die Zusatznachfrage der Zuwanderer reduzieren, sondern auch über eine reduzierte Binnennachfrage. Dies dürfte beispielsweise den Wohneigen­tumsmarkt stärker tangieren, der kurzfristig kaum von der Ab­stimmung betroffen ist. Die Eigenheimpreise sind hauptsäch­lich von den tiefen Zinsen beflügelt worden und auf diese hat die Abstimmung keine Auswirkung. Am ehesten dürften die Verunsicherung und die Eintrübung der Beschäftigungssituati­on die Nachfrage dämpfen. Zu den graduell ansteigenden Zinsen und der verschärften Regulierung gesellt sich damit ein dritter Bremsfaktor, sodass Ende 2014 ein leichtes Minus bei den Eigentumspreisen resultieren könnte. Solange die Zinsen aber noch immer weit unter ihren historischen Mittelwerten notieren, dürfte das hohe Preisniveau vor grösseren Rück­schlägen geschützt sein. (Copyright © 2014 Credit Suisse Group AG)

[1] Vgl. Credit Suisse Economic Research, Research Alert: «Switzerland votes Against “excessive“ immigration and growth»

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