Keine Transparenz in der Politiklandschaft der Schweiz
Nationalratssaal im Bundeshaus.
Berlin/Bern – In einem Bericht von Transparency International, der Institutionen in 25 europäischen Ländern untersucht, zeigt sich wiederum, dass Transparenz in der politischen Landschaft der Schweiz Mangelware ist. Der am Mittwoch veröffentlichte Bericht «Money, Politics, Power: Corruption risks in Europe» von Transparency International fasst zum ersten Mal die Analysen von Institutionen aus 25 europäischen Ländern, darunter auch der Schweiz, zusammen und präsentiert die wichtigsten Ergebnisse zum Stand der Korruptionsprävention und –bekämpfung in Europa. Ein zentraler Punkt für die Schweiz ist dabei die fehlende Transparenz in der Politiklandschaft.
In der Schweiz wird weder die Finanzierung der Parteien, noch der Wahl- und Abstimmungskampagnen durch das Gesetz geregelt. Dies gilt für die nationale Politik sowie auch für die meisten Kantone. Dieser Mangel an Transparenz verunmöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern zu erfahren, welche Einzelpersonen und Institutionen politische Kampagnen massgeblich unterstützen und es fehlen Informationen um an der Urne eine informierte Entscheidung zu treffen.
Interessenbindungen nicht vollständig offengelegt
Auch die Interessenbindungen der Mitglieder des Parlaments und die Entschädigungen und anderen Vorteile, die mit dem politischen Mandat zusammenhängen, werden bis dato nicht vollständig offengelegt. Die momentan praktizierte Lösung ist nicht zufriedenstellend, da die Einträge in das Register der Interessenbindungen nicht genügend auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Insbesondere enthält dieses Register keinerlei Informationen über die Einkünfte, welche die Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus ihren nebenamtlichen Tätigkeiten erhalten. Aber nur so kann der Bürger wissen, welche Interessen die Politikerinnen und Politiker im Parlament wirklich vertreten.
Für Jean-Pierre Méan, Präsident von Transparency International Schweiz, ist klar: „Obwohl sich eine Mehrheit der Bevölkerung mehr Transparenz in der Politik wünscht, sind in den letzten Jahren vom Parlament alle Vorstösse in diese Richtung abgelehnt worden. Es ist an der Zeit, dass die Schweizer Politik eine praktikable Lösung zur Schaffung von mehr Transparenz findet.“
Konsequenzen ziehen und Regeln schaffen
Die Schweiz ist seit dem 1. Juli 2006 Mitglied der GRECO (Groupe d’Etats contre la corruption) des Europarats. Die GRECO hat im Oktober 2011 ihren Bericht zur Transparenz der Parteienfinanzierung in der Schweiz publiziert und Empfehlungen an die Schweizer Behörden abgegeben. Die Schweiz wird darin aufgefordert bis zum 30. April 2013 einen Bericht über die Umsetzung der Empfehlungen an die GRECO einzureichen.
Anhand der Resultate des Schweizer NIS Berichts und der Empfehlungen, die von der GRECO abgeben wurden, fordert Transparency International Schweiz deshalb:
- Die Offenlegung der Spenden an Parteien, National- und Ständeratskandidaten sowie an Wahl- und Abstimmungskomitees ab einem bestimmten Betrag (beispielsweise CHF 5‘000).
- Die Festlegung einer Spendenobergrenze für Einzelpersonen und Unternehmen bei Spenden an Parteien (beispielsweise CHF 15‘000).
- Eine transparente Rechnungslegung der nationalen und kantonalen Parteien sowie der Wahl- und Abstimmungskomitees.
- Festlegen einer Ausgabenobergrenze für Wahlen und Abstimmungen.
- Die Einhaltung dieser Vorschriften muss durch eine unabhängige Kontrollinstanz überprüft werden, welche die Kompetenz hat, bei Verstössen Sanktionen zu erlassen.
- Die Offenlegung der Entschädigungen, welche die Mitglieder des Parlaments für ihre nebenamtlichen Tätigkeiten erhalten und sonstiger Vorteile, die mit dem politischen Mandat zusammenhängen; das Register der Interessenbindungen soll aktualisiert und die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben muss gewährleistet werden.
Bundesrat und Parteien sind aufgefordert ihre Arbeit in diesem Bereich zu verstärken und konkrete Lösungen für eine transparente Politikfinanzierung zu finden.
Money, Politics, Power: Corruption risks in Europe
Der Bericht «Money, Politics, Power. Corruption risks in Europe» verdeutlicht, dass die Wirtschaft die Möglichkeit hat, einen zu grossen Einfluss auf die Regierungen zahlreicher europäischer Länder auszuüben, und damit auch Korruption zu fördern, welche die wirtschaftliche Stabilität in Europa gefährdet. Der Bericht, der zum ersten Mal die Institutionen von 25 europäischen Ländern einheitlich untersucht, zeigt die Governance Lücken, die zu den finanziellen und politischen Skandalen beigetragen haben, die Europa im letzten Jahr erschüttert haben. “In ganz Europa sind viele jener Institutionen, welche die Demokratie ausmachen und einem Land ermöglichen würden, Korruption einzudämmen, schwächer als meist angenommen. Dieser Bericht zeigt beunruhigende Tendenzen in einer Zeit, in der transparente Führung zentral wäre, um die wirtschaftliche Krise in Europa anzugehen“, sagt Cobus de Swardt, Geschäftsführer von Transparency International.
Nationales Integritätssystem (NIS)
Das nationale Integritätssystem der Schweiz und jenes von 24 anderen europäischen Ländern wurden 2011 in einer von der EU unterstützten und von Transparency International durchgeführten Studie untersucht. Das Ziel der Studien war es die Institutionen, Gesetze und Prozesse, die zu Integrität, Transparenz und Verantwortlichkeit in einer Gesellschaft beitragen und Mechanismen beinhalten, um wirksam der Korruption vorzubeugen, zu untersuchen. Es wurden die folgenden 12 Institutionen untersucht: Legislative, Exekutive, Judikative, Bundesverwaltung, Untersuchungs- und Vollzugsbehörden, Nationale Wahlbehörde, Ombudsstelle, oberste Rechnungskontrollbehörde, politische Parteien, Medien, Zivilgesellschaft und Unternehmen.
Das europäische NIS-Projekt ist die erste Analyse der Institutionen in 25 Ländern auf nationalem Niveau, die nach einheitlicher Methodologie erstellt wurde. (Transparency International/mc/ps)
Über Transparency International Schweiz
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