Lichtblicke: BAG-Chefin Anne Lévy im Blick-Interview: «Es sieht nach einer Trendwende aus»

Lichtblicke: BAG-Chefin Anne Lévy im Blick-Interview: «Es sieht nach einer Trendwende aus»
Anne Lévy, Direktorin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) (Bild: SRG)

Die Zahlen der Hospitalisationen sind weiterhin hoch, ebenfalls die Zahl der Toten bei den über 80-Jährigen und doch zeichnet sich ab, dass die Massnahmen wirken. Die Zahlen sind rückläufig. Der viel kritisierte «Schweizer Weg» kann von der Bevölkerung mitgetragen werden, ohne das die Wirtschaft zum Stillstand kommt. Wenn die Tendenz anhält und die Massnahmen strikt eingehalten werden, hat die Schweiz einen für sie im Föderalismus, mit Selbstverantwortung gangbaren Weg.

Anne Lévy, Direktorin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) im Blick Interview vom 22. November 2020: «Wir stehen nicht wesentlich schlechter da als das europäische Ausland. Aber jeder verfrühte ­Todesfall ist ­einer zu viel, sehr ­tragisch und muss verhindert werden. Die Übersterblichkeit macht uns grosse Sorgen. Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass wir momentan in die richtige Richtung ­gehen. Zentral ist ja auch, dass die Bevölkerung die Mass­nahmen ­mitträgt.»

Nebst der Leiterin des BAG sind auch andere Exponenten und Experten verhalten optimistisch bezüglich der Strategie des Bundesrates zur Bekämpfung des Coronaviruses.

Antje Heise, Leiterin der Intensivstation am Spital Thun und Präsidentin der Ärzteschaft der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin im Spiegel zur Frage, ob die Schweiz insgesamt strengere Massnahmen brauche: «Vor einer Woche hätte ich persönlich gesagt: Ja, das wäre gut. Im Moment sehen wir aber, dass die Neuinfektionen nach unten gehen. Insofern habe ich inzwischen das Gefühl, die Schutzmaßnahmen in der Schweiz reichen vielleicht doch aus.»

Marcel Tanner, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates, der COVID-19 Task Force des Bundes, in der Rundschau des Schweizer Fernsehens SRF vom 18. November 2020: «Es muss niemand Angst haben, dass jetzt plötzlich alles kollabiert. So wie die Situation sich jetzt entwickelt und die Tatsache , dass die Fallzahlen sich reduzieren zeigt, dass wir das handhaben können, durch die Koordination zischen den Kantonen. Es ist auch nicht eine Frage, ob wir genügend Betten haben, man kann bei den Betten noch aufrüsten, das ist bekannt und dokumentiert.»

Urs P. Gasche im Infosperber zu den Zahlen bei den Intensivbetten und den Schlagzeilen, dass alle Intensivbetten belegt seien in der Schweiz: «Diese Schlagzeile war definitiv falsch. Denn die SGI und der KSD bezogen sich lediglich auf die von der SGI 876 «zertifizierten» Intensivbetten. Daneben standen am 19. November jedoch 266 weitere, ausgerüstete und personalbestückte Intensivbetten bereit. Das waren 68 mehr als vor zwei Wochen. Dank dieser Aufstockung waren am 19. November noch 237 oder 21 Prozent sämtlicher Intensivbetten leer, während es zwei Wochen vorher 241 oder 23 Prozent waren.»

Anzeichen nicht erkannt?
Widerspruch gab es am Wochenende hingegen von der Epidemiologin Emma Hodcroft von der Universität Bern und David Nabarro, dem Sondergesandten der Weltgesundheitsorganisation WHO im Kampf gegen Covid-19. Hodcroft sagte gegenüber der Zeitung «Le Matin Dimanche»: «Der langsame Anstieg der Fallzahlen im Juni und Juli hätte uns alarmieren müssen.» Das seien schleichende Anzeichen gewesen, an die man sich aber gewöhnt habe.

Nabarro erklärte in einem Interview mit den CH Media-Medien vom Samstag, die Schweizer Behörden hätten es verpasst, in den Sommermonaten die nötige Infrastruktur aufzubauen, nachdem sie die erste Welle unter Kontrolle gebracht hatten. Die Folge sei die zweite Welle. Wenn man jetzt nicht handle, werde man Anfang 2021 die dritte Welle haben.

Die Länder Ostasiens hätten klar gezeigt: wenn man die Fallzahlen hinuntergebracht habe wie im Sommer, lockere man die bisherigen Massnahmen nicht. «Man wartet, bis die Fallzahlen tief sind und tief bleiben», so Nabarro. Erst müsse man vorbereitet sein, um künftige Ausbrüche zu stoppen.

«Güterabwegung»: Maurer sticht in Wespennest
Hoch gingen die Wogen am Wochenende – vor allem in den sozialen Medien – auch im Zusammenhang mit einer Aussage von Bundesrat Ueli Maurer in der «Samstagsrundschau» von Schweizer Radio SRF. Er hatte sich dort unter anderem auch zur hohen Zahl der Todesopfer in der zweiten Welle geäussert.

Er wies den Vorwurf zurück, die Corona-Krise sei diesbezüglich aus dem Ruder gelaufen. «Wir sind bewusst dieses Risiko eingegangen, weil wir eine Güterabwägung gemacht haben.» Die Gesundheit sei zwar unbestritten wichtig, aber auch die Wirtschaft müsse leben und ein gesellschaftliches Leben müsse ebenso möglich sein. «Der Weg, den wir eingeschlagen haben, stimmt für mich.»

Dass man ältere Menschen opfere, um die Wirtschaft am Laufen halten zu können, wies auch BAG-Direktorin Lévy zurück. Die Schweiz stehe nicht wesentlich schlechter da als das europäische Ausland. Aber jeder verfrühte Todesfall sei «einer zu viel, sehr tragisch und muss verhindert werden».

Auch GDK-Präsident Engelberger räumte ein, er könne sich vorstellen, «dass wir es dem Schwelbrand im Sommer zu einfach gemacht haben, indem wir zu sehr gelockert haben». Es sei aber noch zu früh, um das beurteilen. Man wisse noch nicht, ob es die Schweiz am Schluss wirklich schlimmer treffe.(mc/hfu/pg)


Es geht darum, auch in der Kommunikation zur Coronakrise eine Balance zu finden zwischen dauernder Alarmierung und Schönfärberei. Da viele Medien Skandale, Randale und Drama höher gewichten als Fakten in einem komplexen Gesamtkontext, versuchen wir hier, zwischendurch ein wenig Gegengewicht zu schaffen. Geniessen Sie den Sonntag, halten Sie Abstand, wenden Sie die Hygienemassnahmen an und vermeiden Sie Ansammlungen von grossen Menschenmengen. Und erfreuen Sie sich an den Lichtblicken.

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