Nationalrat im Grundsatz für automatischen Informationsaustausch

Nationalrat im Grundsatz für automatischen Informationsaustausch
(Foto: parlament.ch)

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Bern – Der Nationalrat ist im Grundsatz dafür, dass die Schweiz Informationen über ausländische Bankkunden automatisch an andere Staaten liefert. Er hat am Mittwoch beschlossen, auf die Beratung der rechtlichen Grundlagen einzutreten.

Für die Ratslinke war es ein «historischer Moment», wie die Rednerinnen und Redner betonten. Noch vor wenigen Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass das Parlament bald über den automatischen Informationsaustausch (AIA) befinden würde, sagte Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL). Das zeige das Tempo der Veränderungen im internationalen Kampf gegen Steuerhinterziehung. Die Schweiz könne sich der Entwicklung nicht entziehen. Sie werde in Zukunft nur über einen starken Finanzplatz verfügen, wenn sie die internationalen Standards erfülle.

Das uneinsichtige Festhalten am zurecht verpönten Bankgeheimnis habe die Schweiz isoliert, stellten Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) und Ada Marra (SP/VD) fest. Nun sei das Bankgeheimnis tot. Damit sei eingetreten, was die SP bereits vor 30 Jahren gefordert habe.

«Jetzt muss einfach mal Schluss sein»
Gegen den AIA stellt sich die SVP. Sie beantragte dem Rat, gar nicht erst auf die Vorlagen einzutreten oder diese an den Bundesrat zurückzuweisen. Thomas Matter (SVP/ZH) sprach von einem «völligen Unding». Der AIA widerspreche dem Staatsverständnis der SVP. Der Staat habe in der Privatsphäre – auch in der finanziellen – nichts zu suchen, solange es keinen Verdacht auf Unrechtes gebe.

Matter zeigte sich überzeugt, dass es nicht um Steuerehrlichkeit gehe, sondern um den gläsernen Bürger. Sonst hätten die anderen Staaten nämlich das Modell der Abgeltungssteuer akzeptiert. Der SVP-Bankenspezialist warnte ferner vor Problemen für Auslandschweizer – und davor, dass es nicht lange dauern werde, bis das Bankgeheimnis auch im Inland abgeschafft werde. Die Schweiz habe zahlreiche Zugeständnisse bei der Steueramtshilfe gemacht. «Jetzt muss einfach mal Schluss sein», forderte Matter.

Letzte Verteidigerin des Bankgeheimnisses
Mit dieser Haltung stand die SVP im Nationalrat indes alleine da, der Rat lehnte die Anträge auf Nichteintreten und Rückweisung mit 124 beziehungsweise 126 zu 53 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab. «Die SVP kann sich dann brüsten, die letzte Verteidigerin des alten Bankgeheimnis gewesen zu sein», sagte Louis Schelbert (Grüne/LU). Tatsache sei aber, dass inzwischen auch die Banken den automatischen Informationsaustausch befürworteten.

Die Rednerinnen und Redner der bürgerlichen Mitteparteien zeigten sich zwar weniger begeistert von der Entwicklung als jene von SP und Grünen. Auch sie sind aber davon überzeugt, dass kein Weg am AIA vorbei führt. Wer der Wirtschaft nicht Schaden zufügen wolle, könne nicht dagegen sein, sagte Ruedi Noser (FDP/ZH). Der SVP warf er vor, sich nur dagegen zu stellen, weil sie sicher sei, dass sie damit nicht durchkomme.

Rad der Zeit nicht zurückdrehen
«Ich spiele nicht gleich eine Fanfare ab, aber er ist jetzt da, der lange gewünschte oder lange befürchtete automatische Informationsaustausch», sagte Thomas Maier (GLP/ZH). Man könne das bedauern, aber man könne es nicht ändern. Wer versuche, das Rad der Zeit zurückzudrehen, gefährde Arbeitsplätze.

Viele bürgerliche Redner betonten indes gleichzeitig, dass die Abschaffung des Bankgeheimnisses im Inland für sie kein Thema sei. Dieser Schritt steht im Moment auch nicht zur Diskussion: Entscheiden muss der Nationalrat einzig über Datenlieferungen ins Ausland.

Regelmässige Datenlieferung
Heute liefert die Schweiz anderen Staaten Informationen über Steuersünder ausschliesslich auf deren Ersuchen hin. Künftig sollen die Informationen zwischen der Schweiz und bestimmten Partnerstaaten automatisch fliessen.

Banken müssten Finanzdaten von Personen und Unternehmen, die in einem anderen Staat steuerpflichtig sind, den Schweizer Steuerbehörden melden. Diese würden die Informationen periodisch an die jeweiligen ausländischen Behörden weiterleiten. Entsprechende Abkommen hat die Schweiz bisher mit der EU und mit Australien unterzeichnet. Darüber wird das Parlament später entscheiden können.

Spontaner Austausch
Vorerst geht es nur um die rechtlichen Grundlagen. Diese sehen neben dem automatischen auch den spontanen Informationsaustausch vor: Die Steuerbehörden sollen von sich aus aktiv werden, wenn sie auf etwas stossen, das einen anderen Staat interessieren dürfte.

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf stellte am Ende der Eintretensdebatte fest, die Welt habe sich in den letzten Jahren verändert, auch im Finanzbereich. Die Schweiz müsse sich nun strategisch richtig positionieren für die Zukunft. Das Ziel sei es, eine gute Ausgangslage zu schaffen für den Finanzplatz und die Wirtschaft. Die Bundesrätin äusserte sich auch zum Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat. Steuerhinterzieher und Steuerbetrüger missbrauchten dieses, stellte sie fest. (awp/mc/pg)

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