Revidiertes Gleichstellungsgesetz: Lohngleichheitsanalyse aus Sicht des Entlöhnungsexperten

Revidiertes Gleichstellungsgesetz: Lohngleichheitsanalyse aus Sicht des Entlöhnungsexperten

Zürich – Das am 1. Juli 2020 in Kraft tretende revidierte Gleichstellungsgesetz verpflichtet Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ab 100 Arbeitnehmenden, eine betriebsinterne Lohngleichheitsanalyse durchzuführen und diese durch eine externe Stelle überprüfen zu lassen. Zusätzlich sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet, das Ergebnis der Lohngleichheitsanalyse gegenüber den Mitarbeitenden und den Aktionären schriftlich zu kommunizieren.

Von Yves Gianella und Thomas Heer, GFO

Ausgangslage: Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern nimmt (nur) allmählich ab
Gemäss den neuesten Zahlen des Bundesamtes für Statistik, nimmt das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern seit 2014 alle zwei Jahre um rund einen halben Prozentpunkt ab. Während im Jahr 2014 der gesamtwirtschaftliche Medianlohn der Frauen noch rund 12.5% tiefer als derjenige der Männer lag, so reduzierte sich dieser Wert im Jahr 2016 auf 12.0% und im 2018 auf noch 11.5%. Das Bundesamt für Statistik weist drauf hin, dass sich diese Lohnunterschiede teilweise durch strukturelle Merkmale und unterschiedliche Tätigkeiten erklären lassen. Sie verdeutlichen die ungleiche berufliche Eingliederung des weiblichen und männlichen Personals auf dem Arbeitsmarkt. Ohne auf statistische Feinheiten einzugehen, lässt sich trotzdem vereinfachend feststellen, dass mindestens die Hälfte des Lohngefälles durch unterschiedliche Tätigkeiten oder durch die Branchenzugehörigkeit erklärbar ist.

Gesetzlich verankerte Verpflichtung zur Gleichstellung
Trotz den kleinen Fortschritten und auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein grösserer Teil der Lohnunterschiede durch objektive Faktoren erklärbar ist, lässt sich in der Schweiz immer noch eine geschlechterspezifische Lohndifferenz beobachten. Die seit 1981 verfassungsrechtlich verankerte Lohngleichheit verlangt, dass Frauen und Männer bei einer Arbeitgeberin oder einem Arbeitgeber den gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit erhalten (BV Art. 8 Abs. 3). Um die Lohnunterschiede nun schneller abzubauen, hat das Parlament das bestehende Gleichstellungsgesetz revidiert. Die neuen Artikel treten am 1. Juli 2020 in Kraft. Diese schreiben künftig die Durchführung eines drei stufigen Verfahrens vor:

  • Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen eine betriebsinterne Lohngleichheitsanalyse durchführen
  • Die korrekte Durchführung der Lohngleichheitsanalyse ist von einer unabhängigen Stelle zu überprüfen
  • Die Mitarbeitenden und das Aktionariat sind über das Ergebnis zu informieren

Die Lohngleichheitsanalyse muss bis spätestens Ende Juni 2021 durchgeführt und die Überprüfung durch eine unabhängige Stelle bis spätestens Ende Juni 2022 vorgenommen worden sein. Die Arbeitnehmenden sowie die Aktionärinnen und Aktionäre sind bis spätestens Ende Juni 2023 über das Ergebnis der Lohngleichheitsanalyse zu informieren.

Durchführung der Lohngleichheitsanalyse
Gemäss Gesetz sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet, die Lohngleichheitsanalyse alle vier Jahre durchzuführen. Zeigt die Lohngleichheitsanalyse, dass die Lohngleichheit eingehalten ist, so werden die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von der Analysepflicht befreit (rGlG, Art. 13a). Arbeitgeberin resp. Arbeitgeber, welche bereits im Rahmen eines öffentlichen Beschaffungs- oder Subventionsverfahren eine Lohnanalyse durchgeführt haben, sind von einer erneuten Durchführung der Analyse befreit, sofern der Zeitpunkt der Analyse weniger als 4 Jahre zurückliegt.

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können die Lohngleichheitsanalyse selbst durchführen oder ein externes Unternehmen damit beauftragen. Sie sind in der Wahl des Analyseverfahrens insofern frei, als dass das angewendete Verfahren über einen Nachweis der Wissenschaftlichkeit und der Rechtskonformität verfügt. Der Bund selbst stellt betroffenen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ein kostenloses Analyse-Tool (Logib) zur Verfügung, welches die Gleichstellung im Lohn anhand einer
eingeschränkten Anzahl von persönlichen und arbeitsplatzbezogenen Merkmalen untersucht. Diese verwendeten Merkmale (Ausbildung, Alter und Dienstalter, Anforderungsniveau, berufliche Stellung, etc.) sowie die Lohnbestandteile (Grundlohn, variable Lohnbestandteile, Gratifikationen, Zulagen, Naturalleistungen, etc.) müssen von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern bereits im Rahmen der Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik durch die Unternehmen erhoben werden. In Bezug auf die Durchführung der Lohngleichheitsanalyse hält sich damit der Aufwand für die Datengewinnung im Modell des Bundes in gewissen Grenzen und es wird deshalb für die meisten Unternehmen die erste Wahl darstellen.

Zusätzlich gilt bei der Durchführung der Analyse mit dem Instrument Logib aufgrund der vereinfachten Merkmalsauswahl eine sogenannte „Toleranzschwelle“ von 5%. Diese geht davon aus, dass die Lohngleichheit zwischen Frau und Mann gewährleistet ist, wenn die nicht erklärbaren Lohnunterschiede kleiner als die festgelegte Toleranzschwelle ist, d.h. beim statistischen Standardverfahren wird eine unerklärbare Lohndifferenz im Umfang von bis zu 5% toleriert.

Überprüfung der Lohngleichheitsanalyse durch unabhängige Stellen
Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen ihre Lohngleichheitsanalyse von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen. Zugelassene Stellen sind:

  • ein nach dem Revisionsaufsichtsgesetz zugelassenes Revisionsunternehmen
  • eine Organisation nach Art. 7 GlG oder eine nach dem Mitwirkungsgesetz bestellte Arbeitnehmervertretung

Die Revisionsstelle muss unabhängig sein und sich ihr Prüfungsurteil objektiv bilden. In der Konsequenz heisst dies, dass die mit der formellen Prüfung beauftragte Revisionsstelle nicht bei der Erarbeitung der Lohngleichheitsanalyse beratend oder ausführend tätig sein darf. Die Durchführung der Lohngleichheitsanalyse ist deshalb durch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder durch ein externes Unternehmen resp. einen anerkannten Entlöhnungsexperten vorzunehmen.

Informationspflicht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber
Sämtliche von der Pflicht zur Durchführung einer Lohngleichheitsanalyse betroffenen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen bis spätestens ein Jahr nach Abschluss der Überprüfung ihre Arbeitnehmenden schriftlich über die Ergebnisse der Analyse informieren, d.h. erstmals spätestens bis am 30. Juni 2023. Börsenkotierte Gesellschaften müssen das Ergebnis der Lohngleichheitsanalyse zudem im Anhang der Jahresrechnung veröffentlichen.

Das Gesetz verzichtet auf eine Meldepflicht gegenüber dem Staat und sieht auch bei einer nachgewiesenen systematischen Ungleichbehandlung der Geschlechter keine Sanktionen vor. Mit der Verpflichtung, die Ergebnisse gegenüber den Mitarbeitenden und dem Aktionariat gegenüber zu kommunizieren, entsteht ein gewisser Druck auf die Arbeitgeber, sich die Peinlichkeit eines „Durchfallens“ zu ersparen. Liegt zudem eine nachgewiesene, systematische Lohndiskriminierung erst einmal vor, dann steigt für die Arbeitgeberin resp. den Arbeitgeber zusätzlich auch das Risiko von Lohndiskriminierungsklagen durch Mitarbeitende resp. deren Verbände.

Fallstricke aus der Sicht des Entlöhnungsexperten
Das zur Anwendung kommende statistische Modell des Bundes (Logib) führt nun die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen auf insgesamt fünf erklärende Merkmale zurück. Erklärend bedeutet hier, dass ein Lohnunterschied dann legitim ist, wenn er aufgrund von objektiven und per se nicht-diskriminierenden Gründen zustande kommt. In der Analyse werden diejenigen Merkmale berücksichtigt, welche mit vertretbarem Aufwand mess- resp. bestimmbar sind: individuelle Ausbildung, Alter, Dienstalter, Anforderungsniveau sowie berufliche Stellung. Damit wäre beispielsweise ein Lohnunterschied zwischen zwei Personen dann gerechtfertigt, wenn bei der Person mit dem höheren Lohn auch eine höhere Ausbildung vorliegt. Dies macht jedoch bei näherer Betrachtungsweise keinen Sinn, da sich der Lohn im Grundsatz aufgrund des Schwierigkeitsgrads der Arbeit bildet. Bei gleichen Aufgaben und gleicher Verantwortung wäre eine Lohndifferenz nur aufgrund eines anderen Bildungsabschlusses weder für einen Mitarbeitenden noch für eine Führungskraft nachvollziehbar.

Im beschriebenen Modell des Bundes bleiben zudem verschiedene Einflussfaktoren auf den Lohn unberücksichtigt, welche einen Beitrag zur Erklärung der Lohnunterschiede beisteuern könnten. Hier ist beispielsweise die konkrete nutzbare Erfahrung oder auch die teilweise stark ausgeprägten regionalen Lohnunterschiede zu erwähnen. Ebenfalls ist die Zuweisung der arbeitsplatzbezogenen Merkmale (Anforderungsniveau, berufliche Stellung) auf die betriebsinternen Stellen mit einer gewissen Unschärfe verbunden. Hier ist insbesondere die Zuordnung der Führungskräfte ab dem oberen Management zu erwähnen. Diese sind aufgrund der fehlenden Merkmalsausprägung kaum korrekt zuzuordnen und sachlich gerechtfertigte Lohnunterschiede werden ignoriert. Unter Umständen wird dieses Modell der Realität im untersuchten Unternehmen nicht gerecht und es wird fälschlicherweise eine Lohndiskriminierung vermutet. Hier gilt es, die Zuordnung der Merkmale zu den konkreten Stellen mit besonderer Sorgfalt durchzuführen.

Im Endeffekt ermittelt die statistische Regressionsanalyse wie sie in Logib verwendet wird, eine einzelne Zahl (den sog. „Diskriminierungskoeffizienten“). Das Analyseinstrument ist darüber hinaus jedoch nicht in der Lage, konkrete und auf den einzelnen Mitarbeitenden bezogene Korrekturmassnahmen aufzuzeigen. Es besteht somit insbesondere bei einem Ergebnis ausserhalb der Toleranzgrenze das dringende Bedürfnis nach vertieften und über die Regressionsanalyse hinausgehenden Analysen. Nicht ganz unwichtig ist zudem die Erwähnung des Zeit- und Ressourcenbedarfs für die Beschaffung und Bearbeitung der erforderlichen Daten. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie bereits frühzeitig mit den entsprechenden Arbeiten beginnen. Die Datenerhebung muss zudem revisionssicher durchgeführt sein, d.h. sie muss in transparenter Weise dokumentiert werden. Sonst besteht die Gefahr, dass im Zuge der externen Überprüfung die komplette Arbeit ein weiteres Mal durchgeführt werden muss.


Kontakt zu den Autoren:
GFO Unternehmensberatung AG
Kurvenstrasse 17
CH-8006 Zürich

Yves Gianella ([email protected])
Thomas Heer ([email protected])

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