Schweiz will europäischem Luftabwehrsystem «Sky Shield» beitreten

Schweiz will europäischem Luftabwehrsystem «Sky Shield» beitreten
Boris Pistorius, Viola Amherd und Klaudia Tanner unterzeichnen die Absichtserklärung. (Foto: VBS/DDPS, Bettina Berger)

Bern – Die Schweiz will sich am europäischen Luftverteidigungssystem «Sky Shield» beteiligen. Verteidigungsministerin Viola Amherd hat am Freitag in Bern eine entsprechende Absichtserklärung unterschrieben. Die Neutralität sei dadurch nicht gefährdet, sagte sie.

«Jegliche Teilnahme an internationalen Konflikten wird explizit ausgeschlossen», sagte Amherd vor den Medien in Bern. Die Schweiz habe wie Österreich ihre neutralitätsrechtlichen Vorbehalte in einer Zusatzerklärung festgehalten. Jedes Land könne das Ausmass seiner Beteiligung am Luftschild selbst definieren. Laut Amherd geschieht dies «von Fall zu Fall».

Die Unterzeichnung der Absichtserklärung erfolgte beim jährlichen trilateralen Treffen der Verteidigungsminister Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Neben Amherd nahmen der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius und dessen österreichische Amtskollegin Klaudia Tanner teil. Auch Österreich will «Sky Shield» beitreten.

Er erwarte nichts von der Schweiz und von Österreich, sagte Pistorius auf eine Journalistenfrage. Aber die Möglichkeit, sich abzustimmen, sei nun trotz Neutralität da, und das bedeute ein Mehr an Sicherheit. Die «Sky Shield»-Initiative sei kein Bündnis, sondern eine Beschaffungskooperation. Die Systeme sollen miteinander operieren können und austauschbar sein.

Kosteneinsparungen als Ziel
Die Schweiz prüft als Folge der Absichtserklärung, in welchen Bereichen sie die Zusammenarbeit stärken kann. Das VBS hatte im Vorfeld der Unterzeichnung als Beispiel das bodengestützte Luftverteidigungssystem (Bodluv) namens «Patriot» genannt. Dort könnten Synergien genutzt werden, etwa beim Informationsaustausch sowie bei Betrieb und Ausbildung. Das VBS rechnet dadurch mit weniger Kosten.

Die von Deutschland initiierte «European Sky Shield Initiative» soll vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine helfen, Lücken im derzeitigen Nato-Schutzschirm für Europa zu schliessen. Defizite gibt es beispielsweise im Bereich ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn grosse Höhen erreichen, aber auch bei der Abwehr von Drohnen und Marschflugkörpern. Zusammen mit der Schweiz und Österreich haben sich mittlerweile 19 europäische Staaten dem Projekt angeschlossen.

Der Bundesrat war in seinem Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht im September 2022 zum Schluss gekommen, die Verteidigungspolitik konsequenter als bisher auf die internationale Zusammenarbeit auszurichten und die Beteiligung daran auszubauen. Am Freitag sagte Amherd, dass die Schweiz ihre Beschaffungsvorhaben mit den europäischen Partnern enger koordinieren wolle. Als Grund nannte sie die massiv verschlechterte sicherheitspolitische Lage. «Kooperation ist deshalb wichtiger denn je», sagte Amherd.

Die SVP und die Organisation Pro Schweiz kritisierten das geplante Schweizer Bekenntnis zu «Sky Shield» scharf. Das Volk müsse dazu das letzte Wort haben. Amherd sagte dazu, dass die Entscheidkompetenz beim Gesamtbundesrat liege. Das sei kein Entscheid, den das Parlament und letztlich das Volk fällen müsse.

«Lösungen im Rahmen des für die Schweiz Möglichen»
Im Treffen mit den deutschen und österreichischen Partnern wies Amherd weiter darauf hin, dass die Schweiz in der Ukraine und für die Ukraine wertvolle Arbeit leiste, auch wenn sie keine Waffen liefern könne. Der Bund helfe aber beispielsweise bei der Minenräumung.

Sie habe dem deutschen Amtskollegen versichert, dass sie sich weiterhin «für Lösungen im Rahmen des für die Schweiz Möglichen» einsetzen wolle, sagte Amherd. Das Parlament diskutiert derzeit eine Ausserdienststellung von 25 Leopard-2-Kampfpanzern, die im Anschluss an den deutschen Hersteller zurückverkauft werden sollen.

Pistorius begrüsste die Entscheidung des Nationalrats, den Rückverkauf zu ermöglichen. Er hoffe nun, dass der Ständerat im Herbst nachziehe, sagte er. Gleichzeitig bedauerte Pistorius das Nein des Bundesrats zum Verkauf von 96 Leopard-1-Panzern, die der Ukraine «wahnsinnig geholfen hätten». Er plädierte dafür, die gesetzlichen Spielräume zu nutzen, um der Ukraine Hilfe zu leisten.

Insgesamt stelle der Ukraine-Krieg für die Schweiz «keine einfache politische Ausgangslage» dar, so Amherd. Dass Teile der Neutralität nicht überall auf Verständnis stiessen, sei nachvollziehbar. Deshalb sei Dialog wichtig, «damit kein Zweifel an unserer Solidarität» entstehe. (awp/mc/pg)

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