Philippe Dro, CEO von GlycoVaxyn

Interview von Bob Buchheit


Moneycab: Herr Dro, am weitesten vorangekommen ist GlycoVaxyn in der Entwicklung eines Medikaments gegen schwere Durchfallerkrankungen, ausgelöst durch das Bakterium Shigella dysenteriae und gegen Infektionen in Spitälern, verursacht durch den sehr gefährlichen Staphylococcus aureus. Wie lange rechnen Sie, wenn alles gut läuft, bis zur Markreife? Im Falle von Entwicklungsboutiquen wie der Ihren ist das ja gleichbedeutend mit der Zulassung durch die Behörden.


Philippe Dro: Klassischerweise rechnet man mit 5 bis 8 Jahren für ein auf dem Markt zugelassenes Produkt. Es ist aber stark von der Indikation und dem Markt abhängig. Die USA gelten als schwieriger. Oft wird auch der ganze «Reimbursement»-Prozess mit den Krankenkassen unterschätzt, der noch lange gehen kann. Für grosse Phase II/III-Studien, die ja lang und teuer sind, versuchen kleine Biotech-Firmen Partner zu finden.



«Auch wenn es Risiko-Kapital heisst, wollen die Investoren ihr Risiko zumindest verstehen, wenn sie es schon nicht kontrollieren können. Das ist doch verständlich. Der Biotech-Bereich hat mit innovativer Wissenschaft zu tun und hier liegt noch ein zusätzliches Risiko nebem dem normalen Geschäftsrisiko.» Philippe Dro, CEO von GlycoVaxyn


Daneben forscht GlycoVaxyn auch an der Entwicklung von Impfstoffen gegen Neisserien, welche Hirnhautenzündung verursachen. Wie sieht da der Zeithorizont aus?


Auch hier muss man mit 5-8 Jahren rechnen. Man könnte aber schon vorher gewisse Informationen bekommen über der Wirkung. Diese bestätigte Zwischenstufe, man nennt das proof of concept, ist sehr wichtig für die Firma.


Sie konnten bisher  zahlreiche hochkarätige Investoren wie Index Ventures, Sofinnova oder in einer letzten Finanzierungsrunde anfangs 2009 Edmond de Rothschild Investment Partners gewinnen. Die  Investoren schauen den Firmen aber neuerdings strenger auf die Finger. Index Ventures beispielsweise will in Zukunft sein Kapital schrittweise an das Erreichen von Meilensteinen koppeln. Läuft das Engagement von Index Ventures bereits auf diese Weise bei Ihnen?


Auch wenn es Risiko-Kapital heisst, wollen die Investoren ihr Risiko zumindest verstehen, wenn sie es schon nicht kontrollieren können. Das ist doch verständlich. Der Biotech-Bereich hat mit innovativer Wissenschaft zu tun und hier liegt noch ein zusätzliches Risiko nebem dem normalen Geschäftsrisiko. Die Investoren gehören manchmal zum Verwaltungsrat, um die Entwicklung der Firma zu kontrollieren. Bei GlycoVaxyn werden zwar Meilensteine regelmässig in Board-Sitzungen diskutiert und definiert, aber die Finanzierung ist nicht direkt mit diesen Meilensteinen verknüpft. Forschungsaktivitäten und eine kurzfristige Finanzierung sind kaum miteinander kompatibel.



«GlycoVaxyn beschäftigt heute 36 Mitarbeiter – hauptsächlich in der Forschung. Davon haben circa die Hälfte einen Doktortitel.»


Obwohl erst 2004 gegründet hat Glycovaxyn bereits den Swiss Life Science Prize gewonnen. Welche Bedeutung haben Preise für den Erfolg und damit das Überleben eines Start-ups?


Die verschiedenen Preise sind aus mehreren Gründen sehr wichtig. Es geht hier um ein Start-up-Unternehmen, eine non-dilutive cash-Quelle, die aber auch eine gute Gelegenheit für den Entrepreneur bietet, seinen Business-Plan zu kristallisieren. Ausserdem ist es für Manager oder Entrepreneure eine grosse Herausforderung und auch eine positive Anerkennung und Unter-stützung für das Team.


Da klassische Antibiotika durch zunehmende Resistenzbildung rasch an ihre Grenzen stossen, bewegt sich GlycoVaxyn in einem Milliardenmarkt. Allein im Unterbereich für glycosylierte Vaccine liegen 4 Mrd. US-Dollar an Umsatz und ein knapp zweistelliges Wachstum drin. Die zwei ersten Finanzierungsrunden brachten Ihnen 36,5 Millionen CHF. Wie lange hält das vor?


GlycoVaxyn beschäftigt heute 36 Mitarbeiter – hauptsächlich in der Forschung. Davon haben circa die Hälfte einen Doktortitel. Der Zeithorizont hängt stark von der klinischen Intensität ab. Klassischerweise reicht eine Finanzierungsrunde für 2 bis 3 Jahre Aktivität aus. Fundraising ist eine permanente Bemühung, die nur aufgrund von positiven Daten und Ergebnissen erfolgreich sein kann.


Sie gelten in der Branche als geschickter Finanzierer. Welche Eigenkapitalrendite können Sie Ihren Investoren mit ruhigem Gewissen versprechen?


Es würde in diesem Biotech-Start-up-Business nicht seriös sein, eine Rendite zu versprechen, und man könnte es auch sicher nicht mit ruhigem Gewissen tun. Der Hauptgrund liegt darin, dass wir mit der Wissenschaft, der Biologie arbeiten und diese ist, per Definition, extrem komplex und unvorhersehbar. Viel mehr als die Rendite ist für jeden Teilhaber die Hoffnung wichtig, ein Arzneimittel zu erfinden, der Patienten etwas Hoffnung oder Erleichterung bringen, oder sogar Leben retten kann. Da kommt dann zusätzlich auch eine finanzielle Belohnung für die Investoren hinzu.


Die Vereinfachung der Produktion der immunanregenden Stoffe durch Ihr hauseigenes Ein-Schritt-Verfahren macht die Arzneimittelproduktion ja gerade auch armen Ländern zugänglich. Wäre eine Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen oder Fundraising im Charity-Bereich sinnvoll?


GlycoVaxyn ist in diesem Bereich sehr aktiv. Wir haben Kontakt mit verschiedenen NGO oder Entwicklungsländern, um unsere Projekte dort zu entwickeln und spezifische Finanzierungen hierfür zu bekommen. Wir haben vor kurzem erst einen Grant über mehrere Millionen USD von dem National Instute of Health (NIH) in den USA für das Staphilococcus aureus-Projekt bekommen. Dies ist einerseits ein wichtiger finanzieller Beitrag und andererseits eine bedeutende Anerkennung fürs Team.


Die auf einem gentechnologischen Verfahren im Bakterium E.coli beruhende Produktion der immunstimulierenden Glycoproteine erlaubt eine bessere Ausbeute, Reinheit und Reproduzierbarkeit. Auch bereits bestehende Impfstoffe könnten so noch einmal verbessert und auch sicherer gemacht werden. Könnten Sie sich nicht auch zu einem Unternehmen entwickeln, das für andere Impfstoffproduzenten die Verfeinerung bestehender Verfahren übernimmt und damit eine reine Dienstleistung erbringt?


Das wäre möglich. Unsere Technologie hat nicht nur Herstellungs-, sondern auch Entwicklungs-Vorteile. Die Zeit, um einen neuen Impstoff zu entwicklen ist deutlich kürzer und wir sind in der Lage, Substanzen zu entwickeln, die mit den klassichen Verfahren nicht machbar sind. Dies ist ein grosses innovatives Potential.


Seit 2006 schützt GlycoVaxyn sein Verfahren durch zunehmende Patentdichte. Wieviele genehmigte Patente halten Sie zurzeit?


Die Technologie ist breit geschützt und wir reichen regelmässig neue Patente weltweit ein.



«Viel mehr als die Rendite ist für jeden Teilhaber die Hoffnung wichtig, ein Arzneimittel zu erfinden, der Patienten etwas Hoffnung oder Erleichterung bringen, oder sogar Leben retten kann.»


Hatten Sie bereits einen Patentstreit?


Nein.


Wie gross sehen Sie die Gefahr, dass jemand kommt und Ihre Patente anzweifelt oder aushebelt?


Diese Gefahr existiert zwar immer im Biotech-Bereich, wir betrachten jedoch unsere Position als sehr stark und einzigartig im Bereich Glycosylation und bakteriellen Impfstoffen.





Der Gesprächspartner:
Philippe Dro stiess im Mai 2008 als CEO zu GlycoVaxyn. Zuvor war er Chairman and CEO von Endoart SA, einem Medtech-Unternehmen das telemetrisch gesteuerte Implantate herstellt. Von 1999 bis 2003 war  Dr. Dro Chief Operating Officer (COO) und Gründungsmitglied von AXOVAN AG, einer Entwicklungsboutique die schliesslich von Actelion aufgekauft wurde. Insgesamt verfügt er über 20 Jahre Berufserfahrung in der Pharma, Biotech- und Medtechindustrie. Dr Dro hat ein Diplom in Pharmazie der Universität Grenoble und einen MBA der Ecole Supérieure de Commerce de Lyon ( France ) und der Cranfield School of Management.


Das Unternehmen:
GlycoVaxyn, das aus Zucker und Impfstoff zusammengesetzte Wort, soll andeuten, dass das Schlieremer Start-up seine Kernkompetenz im Herstellen konjugierten Impfstoffen hat. Glykoproteine, welche die Immunabwehr anregen, werden in einem vereinfachten biologischen Verfahren hergestellt, das viele aufwendige Verfahrensschritte klassischer Methoden vermeidet. Das Spin-off der ETH-Zürich ist auf dem bestem Weg, ein breites Portfolio von Impfstoffen gegen weitverbreitete und schwerwiegende bakterielle Erkrankungen zu entwickeln.

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