Kleines Furkahorn, grosses Weitsicht-Kino

Kleines Furkahorn, grosses Weitsicht-Kino
Blick vom Chli Furkahorn auf den Galenstock (Foto: Helmuth Fuchs)

Mit immer mehr Reiserestriktionen ist ein Mittel gegen Fernweh ein spontaner Kurztrip im eigenen Land. Bei Nebel, Regen und etwas Schnee auf den Furka und am nächsten Tag bei Bilderbuchwetter auf das «Chli Furkahorn».

Von Helmuth Fuchs

An Fernweh und der Sehnsucht nach dem, was hinter dem Horizont sein könnte, kann man leiden, oder man gibt den beiden nach. Zwei Tage mobiles Office mit angepassten Stunden im Reisemobil wirken Wunder. Nach kurzem Wetterstudium ist die Schönwetterlücke entdeckt. Abendliche Ankunft bei misslichem Wetter beim ebenso misslich aussehenden, vergammelten Hotel Furkablick.

Dabei hat das Haus eine durchaus illustre Vergangenheit und trägt in Teilen die Handschrift des bekannten Architekten Rem Koolhaas. Mit dem Umbau und der Erweiterung des Hotels erhielt Koolhaas 1989 seinen ersten Auftrag in der Schweiz. Der Abschluss der Bauarbeiten erfolgte 1992, kurz vor der Hundertjahrfeier des 1893 eingeweihten Hotelbaus. Auftraggeber war der Neuenburger Galerist Marc Hostettler, von 1978 bis 2004 Besitzer des Hotels. Er lancierte 1983 das Projekt FURKART, eine in Europa einzigartige Kunstperformance. Rund um das Hotel Furkablick beheimatete das Kunstlabor bis zu seiner Schliessung 1999 mehr als 60 Kunstinstallationen.

Ich stelle den Steyr auf dem Parkplatz nahe des Hotels ab, der bei schönem Wetter einen grandiosen Ausblick bieten könnte (und das kurz vor Sonnenuntergang und vor allem am nächsten Tag auch tut). Auf 2’428 Meter kann auch die Heizung ausgiebig getestet werden.

Der nächste Morgen bietet einen viel versprechenden Blick aus dem Bett durch das Kajütenfenster.

Also Wanderschuhe montieren und nach dem Frühstück den Weg zum nahe gelegenen Chli Furkahorn (3’025 Meter über Meer) suchen. Da es tags zuvor noch ein wenig geschneit hat, ist vom Weg oberhalb von etwa 2’700 Metern nicht mehr wirklich viel zu sehen. Die blau-weissen Markierungen sind nur sporadisch auszumachen, Steinmännchen helfen hier und dort, um wenigsten ansatzweise auf dem richtigen Weg zu bleiben. Kurze Versteiger mit Rückkehr und erneuten Versuchen in einer endlos scheinenden Geröll- und Felsblockhalde beschleunigen die Aufstiegsgeschwindigkeit ebenfalls nicht.

Die Mühen werden aber bei der Ankunft auf dem Chli Furkahorn mehr als nur belohnt. Ein überwältigendes Panorama der Berner-, Walliser, Urner-, Bündner und gefühlt aller übrigen Alpengipfel tut sich auf. Die Kehren des Grimselpasses mäandern weit unten am Hang, ebenso die ersten Kurven des Furkapasses.

Eingedeckt mit einer solchen Ladung Weitblick und vorgeführter eigener Bedeutungslosigkeit geht es an den Abstieg. Auch hier führt der nicht vorhandene und deshalb selbst geschaffene Weg bis etwa 2’800 Meter durch Felsblöcke, Geröll und Schnee, von da weg auf einem Pfad etwas weiter südlich als die Aufstiegsroute, so dass eine kleine Rundtour entsteht.

Der Tag wirkt wie ein Kurzurlaub. Ein anderer Tagesrhythmus, eine Tour mit atemberaubenden Ausblicken, Schlafen und Essen im Steyr, die Zeit dehnt sich und erlaubt eine grösstmögliche Distanz zum Gedröhne und den Dissonanzen des Alltags. Keine zwei Stunden vom Wohnort entfernt, in einem parallelen Universum.


Der Furkapass
Der Furkapass ist ein 2429 m ü. M. hoher Schweizer Strassenpass in den Alpen. Er verbindet das Urserental (das obere Tal der Reuss) im Kanton Uri mit dem Bezirk Goms im Kanton Wallis. Auf ihm verläuft die Europäische Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Nordsee. Weitere Informationen bei Wikipedia.

Dampfbahn Furka-Bergstrecke
Die Dampfbahn Furka-Bergstrecke (DFB) ist eine konzessionierte Gebirgsbahngesellschaft in der Schweiz. Sie befährt die meterspurige Zahnradstrecke von Realp im Kanton Uri durch einen Tunnel knapp unterhalb des Furkapasses nach Oberwald im Kanton Wallis. Betreiberin ist eine nicht gewinnorientierte Aktiengesellschaft (DFB-Dampfbahn-Furka-Bergstrecke AG). Das Personal der Bahn rekrutiert sich fast ausschliesslich aus Ehrenamtlichen aus mehreren Ländern, die ihre Arbeitskraft über einen Förderverein für Bau, Unterhalt und Betrieb unentgeltlich zur Verfügung stellen. Weitere Informationen bei Wikipedia.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert