Baloise Session: Hattrick, 40 Jahre, kein bisschen leise und das Leben im Auge

Baloise Session: Hattrick, 40 Jahre, kein bisschen leise und das Leben im Auge
Amy Macdonald, Baloise Session 2025 (Bild: Helmuth Fuchs)

Basel – Im nach Sekunden ausverkauften Startkonzert der diesjährigen Baloise Session haben Amy Macdonald, die bereits zum dritten Mal in Basel auftrat, und Zoë Më die Erwartungen mehr als erfüllt. Von leise zu rockig, von filigran feenhaft zu ungebremst urgewaltig haben die beiden Frauen ein umfassendes Spektrum musikalischer Räume eröffnet und gekonnt bespielt.

Von Helmuth Fuchs

Vierzig Jahre Baloise Session – ein Jubiläum, das nach grossen Namen schrie und doch im Kleinen glänzte. Basel blieb Basel: Clubtische statt Tribünen, sanft gedimmtes Licht statt Stadiumscreens. Amy Macdonald kehrte nach ihrem ersten Auftritt ein zweites Mal nach 2018 zurück, sichtbar gereift, hörbar vertraut mit der besonderen Atmosphäre des Schweizer Festivaljuwels. Sie begann, nach der Eröffnung durch Zoë Më, ihr Set mit «Is This What You’ve Been Waiting for?» aus dem gleichnamigen Album, das sie diesen Juli veröffentlich hat.

Mit einer Mischung aus alten (Mr Rock & Roll, Run, Poison Prince, This Is the Life, Barrowland Ballroom, Lets start a Band (Schlusslied)) und neuen Songs (Is This What You’ve Been Waiting for (Startlied), Forward, We Survive, Can you hear me?) schlugen die 19 Lieder einen Bogen einer fast genau so langen erfolgreichen Karriere der schottischen Ausnahmekönnerin. Man sah in Basel die Konturen einer Künstlerin, deren Musik unaufgeregter geworden ist – und doch universaler, bestimmter. Der pathosfreie Pop, den sie als Zwanzigjährige erfand, zeigte an diesem Abend eine gereifte, rockige Note: Musik, die zu sich selbst gefunden hat.

Amy Macdonald – Europas beständige Stimme

Amy Macdonald ist längst mehr als eine Singer-Songwriterin – sie ist so etwas wie die moralische Instanz eines abgeklärten Pop-Europas geworden. Ihr sechstes Studioalbum liefert den Soundtrack einer Künstlerin, die sich nie vom Musikmarkt verbiegen liess. Sie schrieb ihre Songs selbst, kümmerte sich um ihre Band, spielte lieber ausverkaufte Konzerte in alten Hallen als in auf Einnahmen-getrimmten Stadien. Ein weiterer Aspekt: Macdonald hat ihr neuestes Album in Eigenproduktion mit einem Ladies-Team aufgenommen – von der Schlagzeugerin bis zur Tonmeisterin. Damit wollte sie, wie sie gegenüber britischen Medien sagte, «den Beweis liefern, dass Professionalität nicht vom Geschlecht abhängt».
In Basel zeigte die Künstlerin viel Humor und Sympathie für die Schweiz in den Ansagen mit ihrem schottischen Akzent. In keinem anderen Land erreichten ihre Alben übrigens so konstant gute Chart-Platzierungen, wie in der Schweiz, es scheint also eine Beziehung auf Gegenseitigkeit zu sein.

Zoë Më – Aufbruch mit Anmut
Eröffnet wurde der Abend von Zoë Më – der jungen Freiburgerin mit Basler Wurzeln, die beim Eurovision Song Contest im Frühjahr mit «Voyage» den zehnten Platz erreichte. Begleitet von einer fantastischen Band mit Geige, Cello, Bass, Keyboard und Schlagzeug, legte sie eine Vision von Pop vor, die sich zwischen französischer Chanson-Lyrik und elektronischer Präzision entfaltet. Getragen wurden die Leider von ihrer feenhaften aber sehr präzisen Stimme und ihrer beachtlichen Bühnenpräsenz. Zoë Anina Kressler, so ihr bürgerlicher Name, ist ausgebildete Primarlehrerin und schreibt ihre Texte im Wechsel zwischen Deutsch und Französisch, manchmal sogar in Baseldütsch. Ihr Künstlername verrät schon ihr Konzept: «Zoë», griechisch für das Leben, «Më», japanisch für das Auge – die Beobachtung des Alltags durch die Linse des Poetischen. Ihr Set aus 12 Liedern, abwechselnd und bunt gemischt in deutscher und französischer Sprache, begeisterte das Publikum sofort. Mit «Claire de Lune» bekam das Publikum ein Lied zu hören, das erst am 24. Oktober veröffentlicht wird. Ihr letzter Song «Voyage» klang an diesem Abend fast bestimmter als in der ESC-Version, getragen von ihrer Präsenz auf der Zusatzbühne mitten im Publikum.

Zwei Welten – eine Resonanz

Macdonald und Më trennen 13 Jahre, aber verbindet ein unbeirrbarer Sinn für Eigenständigkeit. Beide singen, was sie selbst geschrieben haben, beide widerstehen der Versuchung, sich in Popmechaniken zu verlieren. Musikalisch jedoch bleiben sie Antipoden: Macdonald arbeitet mit organischer Erde – Gitarren, Schlagzeug, folkig-rockiges Fundament. Zoë Më dagegen schafft Klangräume aus digitalen Texturen, gebrochenen Beats, elektronischem Atem. Und doch war der Übergang zwischen den beiden an diesem Abend makellos, fast dialogisch: Wo Zoë Më endete, begann Macdonald – und Basels Publikum hörte begeistert zu.

Schottin und Schweizerin, beide selbständig denkend, beide in Sprachen zu Hause, die sich nicht dominieren lassen. Festivalleiterin Béatrice Stirnimann hat es geschafft, dass dieses Jahr mehr Frauen auf der Bühne stehen als je zuvor. Der Auftakt lieferte den Beweis, dass dies mehr als berechtigt ist.

Amy Macdonald und Zoë Më erleuchteten den ersten Abend mit viel musikalischer Qualität. Und die Baloise Session, dieses Basler Kleinod, feierte ihr Jubiläum mit einem Abend, der klang, als könnte Pop noch viel Zukunft haben.

Die Baloise Session bieten bis zum 6. November noch zahlreiche Höhepunkte, unter anderen mit Duran Duran, Jon Batiste, Larkon Poe, zwei Pop-Up Konzerten von Zoë Më, Pegasus oder Tom Gregory.


Baloise Session

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