WIMMER plus: ALLES HAT SEINE ZEIT …

WIMMER plus: ALLES HAT SEINE ZEIT …

Lohner : Carlson, Wisconsin Night 1995

Prien – Die Ausstellung ALLES HAT SEINE ZEIT vereint Kunstwerke von Künstlern, deren zentrale Fragestellung die Zeit selbst ist. Allen ist gemein, dass sie sich dem Phänomen Zeit als Prozess widmen.

Was aber ist Zeit und wie kann man sie bestimmen? Wir alle glauben zu wissen, was Zeit ist, sobald wir aber versuchen, sie objektiv zu bestimmen und ins rechte Verhältnis zu unserem subjektiven Zeitempfinden zu setzen, verwickeln wir uns in Schwierigkeiten und Widersprüche.

Zeit und Raum nicht mehr als getrennte Phänomene betrachten
Die Kunst und die Künstler beschäftigen sich seit der Moderne und ihrer wissenschaftlichen, philosophischen und nicht zuletzt wirtschaftlichen Revolution in neuer Form mit dem Phänomen Zeit. Die Futuristen, Kubisten, Dadaisten, die russischen Konstruktivisten und die Künstler des Bauhauses begriffen, dass Zeit und Raum nicht mehr als getrennte Phänomene untersucht werden konnten, sondern nur noch in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit. Das heisst, man konnte nicht mehr erst den Raum ausdenken und dann ausfüllen mit Handlung irgendwelcher Art, sondern nun ging es viel mehr um Erfahrung von Wirklichkeit – um persönliche Erfahrung von Zeit und Bewegung im Raum. Diese liess sich nicht mehr einfach abbilden, sondern bedurfte der Entwicklung einer neuen Bild- bzw. Formensprache.

John Cage, einer der ersten Multimediakünstler überhaupt ist durch Duchamp und seiner Idee des sozialen Kunstwerks beeindruckt. Erst durch den Betrachter wird ein Kunstwerk ein Kunstwerk. In seinen Kompositionen – seien diese visueller, musikalischer oder anderer Natur – bezieht er die gesamte Umwelt in den Prozess des Kunst Werdens und Machens mit ein. Diese Öffnung des künstlerischen Prozesses hin zur Beteiligung von Publikum, der Einbeziehung von zufälligen Ereignissen in das Kunstwerk schliesst eine prozessuale Erfahrung durch den Betrachter mit ein. Das Kunstwerk benötigt  geteilte Erfahrungszeit, um sich als Werk zu entfalten.

Lohner : Carlson, ein Künstlerduo, das in Los Angeles, Berlin und New York lebt und arbeitet, schafft aus den Ideen von Cage eine neuartige Form des Videobildes. Das Videobild ist zwar faktisch ein Film, aber es ist keine Erzählung im filmischen Sinne sondern eine Art stehendes Bewegtbild. Dramaturgie entsteht durch ein zufälliges im Zeitablauf stattfindendes Ereignis, das uns das Vergehen von Zeit erst bewusst macht.

Mit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts tritt Zeit als wesentliche künstlerische Kategorie in Performances und Videos in den Vordergrund. Der Prozess der Entstehung eines Kunstwerkes geht eine Einheit mit der künstlerischen Aussage ein. Subjektive Erfahrung von Zeit ist Kunst. Künstler wie On Kawara, Hanne Darboven, Yves Klein, Roman Opalka sind Paten für einige hier gezeigte Künstler. Lebenszeit und Kunstwerk fliessen ineinander. In der Ausstellung vertreten sowohl die Hamburgerin Li Trieb wie auch die in Prien lebende Künstlerin Barbara Nedbal diese künstlerische Idee.

Während Li Trieb Zeit anhand eines Naturbildes sichtbar macht, das ausgehend von einem Foto einen extrem langwierigen Schaffensprozess verursacht und dem Betrachter Zeit als Bild erfahrbar macht, ist bei Barbara Nedbal die kontemplative Tätigkeit des Zeichnens Ausdruck geistiger Klarheit und Auflösung von Zeit. Ihre Zeit ist ganz wie bei Augustinus innere Zeit.

Jill Goodall-Seer, gebürtige Australierin, lebt und arbeitet am Chiemsee. Sie beschäftigt sich intensiv mit Fotografien des Wassers, die in der Auflösung der Materie und des Raumes reine Phänomene des Lichts sind. Die Fotografie erreicht durch ihre technische Bedingtheit die Sichtbarmachung kosmischer Zeit. (KH Emden/mc/hfu)

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