Reisen aus den erhabenen Bergen in die endlosen Weiten

Die Berge stellen eine immerwährende Herausforderung dar. Aufreizend demonstrieren sie die Vergänglichkeit und Kleinheit der eigenen Existenz. Im Gegenzug verwöhnen sie die Menschen, die mit ihnen vertraut sind, täglich mit atemberaubender Schönheit, immer wechselnden, immer neuen Aspekten und unzähligen Geheimnissen. Dennoch Zeit, die Berge für unsere Reise eine Weile gegen Landschaften mit weiten Ebenen zu tauschen.
Von Helmuth Fuchs
Wir lieben die Berge. Schon in unserer ersten Heimat, dem Klosterdorf im ehemals stillen Walde (Einsiedeln), gaben sie uns Halt, Rahmen, waren die Bühne für unvergessliche Erlebnisse. In unserer zweiten Heimat, dem Tal des Lichts (Val Lumnezia), haben wir uns ihnen vollständig ausgeliefert. Sie umgeben uns, wir bau(t)en unser Heim und Dasein in ihrer Präsenz.



Berge unserer zweiten Heimat (zum Vergrössern auf das Bild klicken. Alle Bilder © Helmuth Fuchs)
Für die jährliche Reise von zwei Monaten suchen meistens wir den Kontrast.
Deshalb beginnen wir die Reise mit einer langsamen Annäherung an sanfte Hügel, grüne Wellentäler mit eingelagerten Seen und lieblichen Auen. Der erste Halt im historischen Städtchen Sempach, wo die realen Helden der Gebirge fiktiven Schlachtheroen (Winkelried) weichen.
Und wir werden Zeugen moderner Kämpfer. Zwei Männer auf Foilboards, die sie nur durch kräftiges Beinpumpen durch das Wasser treiben, ringen uns Bewunderung und viele Fragen ab. Im Gespräch erfahren wir viel Neues zur Technologie und Technik, bekommen Anschauungsunterricht zum Startprozedere, der Kurventechnik und den Tücken der Boards.


Moderne Helden am Sempachersee (zum Vergrössern auf das Bild klicken. Alle Bilder © Helmuth Fuchs)
Das nächste Ziel ist eine unserer vielen Lieblingsdestinationen in Frankreich: Beaune, das Zentrum der burgundischen Côte d’Or, in der einmaligen Landschaft zwischen Flüssen, Kanälen und dem UNESCO Weltkulturerbe, den Climats de Bourgogne (burgundisches Konzept des Terroirs, kleinräumigen Weinbergen mit jeweils speziellen Böden, Bepflanzungen und Rebsorten). Auf dem Weg dorthin eine erste kleine Velotour dem idyllischen Doubs entlang, zwischen Audincourt und Besancon (34 Kilometer, 420 Höhenmeter).




Auf dem Weg nach Beaune, mit Zwischenhalt am Le Doubs (zum Vergrössern auf das Bild klicken. Alle Bilder © Helmuth Fuchs)
Im Zentrum Beaunes thront das Hotel-Dieu mit dem Mosaikdach aus glasierten Ziegeln, den vergoldeten Wetterfahnen und dem flämisch inspirierten Innenhof. Zum zweiten Mal scheitern wir daran, uns genügend Zeit für eine Besichtigung zu nehmen. Wahrscheinlich bewusst, um einen Grund für eine baldige Rückkehr zu haben.
Wir nutzen das perfekte Wetter für eine Erkundung der Umgebung mit den Fahrrädern. Von Beaune zur Saone, dann entlang des Canal du Centre nach Chagny und von dort durch die Weinberge (Climats de Bourgogne) zurück nach Beaune (74 Kilometer, 430 Höhenmeter).









Zwischen Saône, dem Canal du Centre und Weinbergen rund um Beaune (zum Vergrössern auf das Bild klicken. Alle Bilder © Helmuth Fuchs)
Abends ein Ausflug in die Geheimnisse der französischen Küche im Biz‘tro. Ein Lamm, das auf der Zunge vergeht nach siebenstündiger schonenden Garzeit, ein paniertes Ei, gekocht zur Perfektion auf einem Beet frischer Bohnen, dazu lokale Weine, eine erfrischende Erdbeer-Rhabarber-Tarte. Die Küche Frankreichs bleibt eine ständige Inspiration.







Bemerkenswerte französische Küche im Biz’tro in Beaune (zum Vergrössern auf das Bild klicken. Alle Bilder © Helmuth Fuchs)
Auf dem Weg nach Auxerre, unserem nächsten Etappenziel, machen wir einen Zwischenhalt für eine kleine Fahrradtour von Bessy-surCure zum Châtel Censoir und entlang des Canals du Nivernais zurück (46 Kilometer, 550 Höhenmeter). Das heimische Gebirgspanorama wird ersetzt durch die Weiten einer Landschaft, die keine Grenzen zu kennen scheint. Alles wird zu einem Fliessen zwischen Flüssen. Sanft wellende endlose Getreide- und Rapsfeldern entlang der L‘Yonne und dem Canal du Nivernais. Kein Berg, der erklommen werden muss, um von dessen Spitze die Unendlichkeit zu erblicken. Die Unendlichkeit liegt einem hier umsonst gleich zu Füssen. Mit dem Versprechen, hunderte von Menschen über Generation zu ernähren. Mehr Ruhe und Gelassenheit kann eine Kulturlandschaft kaum ausstrahlen.
Was in der Schweiz die Bahnen sind, sind in Frankreich die Kanäle: Eine nicht hoch genug einzuschätzende Ingenieurs-, Bau- und Willensleistung, die Jahrhunderte überdauert. Ein Kulturmonument das Generationen prägt. Und ein Naturreservat für Vögel, Insekten und Reptilien, das gerade in der abnehmenden Biodiversität von unschätzbarem Wert ist. Kilometer und Stunden verlieren ihre Bedeutung beim Dahingleiten durch das Gezwitscher, Gequake und die kunstvollen Gesänge.










Weite Landschaften an einem der schönsten Kanäle Frankreichs, dem Canal du Nivernais (zum Vergrössern auf das Bild klicken. Alle Bilder © Helmuth Fuchs)