Wassereinbruch im Expeditionsmobil am 1. Mai, im Service-Wunderland Schweiz, und der Sinkflug des französischen Nationalhuhns

Wassereinbruch im Expeditionsmobil am 1. Mai, im Service-Wunderland Schweiz, und der Sinkflug des französischen Nationalhuhns
Kloster Brou, Bourg-en-Bresse (Bild: Helmuth Fuchs)

Reisen ist immer mit Überraschungen verbunden. Wenn man am 1. Mai, dem ominösen Tag der Arbeit, die Reise beginnt und bemerkt, dass die Wasserpumpe unaufhörlich nachpumpt, steigt weniger das Reisefieber als der Puls in Erwartung eines nicht ganz einfachen Problems. Und das an einem weit herum zelebrierten Feiertag, in der oft als Servicewüste verschrienen Schweiz.

Von Helmuth Fuchs

Kurz vor der Abreise nach Frankreich bemerkten wir, dass die Wasserpumpe unaufhörlich in kurzen Abständen ansprang, auch wenn wir keinen Wasserhahn geöffnet hatten in unserer Wohnung auf Rädern. Das konnte nur heissen, dass irgendwo Wasser austrat. Also systematisch alle Leitungen kontrollieren und dann das grosse Entsetzen beim Öffnen der Klappe, hinter der sich der Boiler und die gesamten Hauptkomponenten der elektrischen Installation (Inverter, Sicherungen…) befinden. Das Wasser in der Wanne, in welcher der Boiler steht, schwappte schon über, der Raum mit den Kabelkanälen, Inverter und Sicherungen stand schon einen Zentimeter hoch unter Wasser. Pumpe aus, alles Wasser aufwischen und dann der Sache auf den Grund gehen.

Scheinbar hat bei einer Tieftemperatur-Phase im Winter in unserer Garage das Restwasser im Boiler dafür gesorgt, dass eine Zuleitung sich gelöst hat und abgerissen ist. Das war schnell behoben, das Problem damit aber noch nicht. Es leckte zwar weniger aber irgendwo lief immer noch Wasser aus. Ironischerweise war es das Ablassventil des Boilers, das im geschlossenen Zustand leckte. Da der gesamte Wasserkreislauf über den Boiler läuft, musste das Ventil ausgewechselt werden und zwar am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, der in vielen Gegenden der Schweiz ein Feiertag, also ein Tag ohne Arbeit, ist.

Unser Boiler ist ein Modell, das in viele Schiffen verbaut wird (Sigmar Marine). Deshalb hatten wir die glückliche Eingebung, uns auf der Suche nach einem Ersatzventil auf Werften am oberen Zürichsee zu beschränken. Die Kantone St. Gallen und Schwyz sind etwas weniger feier- und krawallsüchtig am 1. Mai als die Zürcher Nachbarn. Wir wurden nach 3 Anrufen fündig bei der Helbling Werft in Schmerikon. Der Geschäftsführer, Dario Helbling, erbarmte sich unser und wir konnten mit dem LKW zu ihm fahren. Ein kurzer Blick von ihm bestätigte unsere Prognose und er hatte sogar ein passendes Ersatzventil, das er uns überliess. Nicht nur nahm er sich Zeit, uns, die wir mit grosser Sicherheit wahrscheinlich nie ein schickes Schnellboot bei ihm kaufen, warten und unterbringen werden, zu betreuen, als wären wir schon langjährige Kunden, er schaute auch noch, dass ein Sanitär in der Nähe das Ventil für uns einbauen würde. Cornel, der Besitzer der Fäh Sanitär in Eschenbach, nahm sich sofort Zeit organisierte alles und Hugo, der versierte Sanitär führte die Reparatur in kürzester Zeit durch. So lehrte uns das defekte Ventil viel über die aussergewöhnliche Hilfsbereitschaft und qualitativ hochstehende Arbeit, welche viele Handwerker und Familien-Unternehmer in der Schweiz auszeichnen und sie zu Recht stolz sein lässt auf ihren Beruf.

Unserer Reise in Richtung Frankreich stand somit nichts mehr im Wege und wir fuhren bis zum Abend, wie bei unserer letzten Frankreichreise, zum Lac de Saint-Point in der Nähe von Pontarlier. Für uns ist dieser idyllisch gelegene See im französischen Jura ein idealer Startpunkt, um zu schauen, in welche Richtung die weitere Reise uns führen soll. Das Ziel ist die Bretagne, aber der Weg dahin noch völlig offen und im Wesentlichen vom Wetter bestimmt. Eigentlich wollten wir schon letztes Jahr in die Bretagne, blieben aber dann vier Wochen im Loire-Tal hängen, da wir uns nicht satt sehen konnten an den unzähligen Schlössern, den unglaublichen, paradiesischen Gärten.

Um diesmal die Chancen zu erhöhen, auch wirklich bis in die Bretagne zu gelangen, lenkten wir unseren Steyr diesmal weiter südlich, nach Bourg-en-Bresse. Dies aus drei Gründen: Bourg-en-Bresse ist ein nettes Städtchen mit einigen gut erhaltenen mittelalterlichen Bauten, die Aussicht auf ein saftiges Poulet de Bresse und die beeindruckende Anlage des ehemals königlichen Klosters Brou, mit den Grabmälern von Margarete von Österreich (1480–1530), Tochter des römisch-deutschen Kaisers Maximilian I., ihres Mannes Herzog Philibert II.von Savoyen, auch Philibert der Schöne genannt, und ihrer Schwiegermutter, Margarete von Bourbon.

Da bekanntlich das Fressen vor der Moral und somit auch vor der Kultur kommt, steuerten wir zuerst das vermeintlich beste Haus am Platz an, die Brasserie Le Français. Alles, abgesehen vom Poulet, war wirklich gut (Gemüse, Mousse au Chocolat). Das stolze, in den französischen Nationalfarben auftretende Huhn aus Bresse (roter Kamm, weisses Gefieder, blaue Füsse), war eine veritable Enttäuschung, une misère. Da ist jedes Bio-Güggeli aus den fahrenden Grillbuden in der Schweiz saftiger und geschmackvoller. Wenn der Vogel ein Sinnbild für den Zustand des Staates ist, befindet er sich im Sinkflug.

Auf höchsten Höhen befand sich demgegenüber die Macht Margaretes von Österreich, als sie sich, ihrem mit 24 Jahren an einer Erkältung nach einem Jagdausflug verstorbenen Mann und ihrer Schwiegermutter ein monumentales Grabdenkmal erstellen liess, das Augustinerkloster Brou. In 26 Jahren (1506-1532) entstand an der Stelle einer vormaligen Benediktinerzelle ein grossartiges Augustinerkloster, geweiht dem heiligen Nikolaus von Tolentino, dessen Fest am Todestag von Herzog Philibert gefeiert wird. An verschiedenen Orten findet sich in der Kirche ihr Leitspruch «Fortune Infortune Fort Une», der verschiedene Interpretationen zulässt.

Die damals trendige Flambyoant-Gotik, versetzt mit einzelnen Renaissance-Elementen, bestimmt das Erscheinungsbild des mehrheitlich vom Brüsseler Werkmeister Lodewijk van Boghem gestalteten Baus. Im Innern der Kirche wird der Chor geprägt von drei Grabmälern, wobei die Pracht der Ausgestaltung ganz klar die Machtverhältnisse dokumentiert: Das prächtigste Grab gehört Margarete von Österreich, in der Mitte, weniger prachtvoll, dasjenige Philiberts und aussen an der Wand die einfachste Grabstätte Margaretes von Bourbon.

In Bourg-en-Bresse sind wir kulinarisch und kulturell richtig in Frankreich angekommen und sind gespannt, was uns Alles erwarten wird. Eine sehr schmerzhafte Erfahrung kann ich zumindest schon mal in Aussicht stellen (Stichwort Velo).


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