Schätzungsweise 10’000 Schweizer von FTI-Pleite betroffen

Schätzungsweise 10’000 Schweizer von FTI-Pleite betroffen

Zürich – Von der Pleite des drittgrössten europäischen Reisekonzerns FTI sind in der Schweiz rund 10’000 Kunden betroffen. Das schätzt der Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV), Martin Wittwer, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.

In der Schweiz hätten allerdings Kunden, die bei einem Reisebüro gebucht hätten, eine Sicherheit. Denn der Garantiefonds der Schweizer Reisebranche sichere das Geld der Kunden ab. «Es kommt niemand zu Schaden, der bei einem Reisebüro gebucht hat», sagte Wittwer. Zudem würden die Reisebüros Lösungen für Leute suchen, deren FTI-Reisen jetzt abgesagt worden seien.

«Das ist der Mehrwert gegenüber Onlinebuchungen. Da stecken die Betroffenen jetzt irgendwo in einer Warteschlange», sagte Wittwer.

Allenfalls müssen sie vor Ort in den Destinationen für ihre bereits bezahlte Reise nochmals nachschiessen. Betroffene berichten gegenüber mehreren Medien, dass beispielsweise Hoteliers nochmals Geld gefordert hätten.

Allerdings kann in der Schweiz der Garantiefonds der Reisebranche derzeit noch gar nicht tätig werden. «Wir kommen erst zum Einsatz, wenn über die Schweizer Tochter FTI Touristik AG mit Sitz in Allschwil der Konkurs verhängt worden ist», sagte Garantiefonds-Geschäftsführer Marco Amos gegenüber AWP. Deshalb sollten von Reise-Annulationen betroffene Schweizer Kunden sich zuerst bei FTI Touristik AG melden und dort ihr Geld zurückverlangen.

Deutscher Mutterkonzern insolvent
Anders ist die Situation in Deutschland: Dort hat die FTI Touristik GmbH als Obergesellschaft der FTI Group am Montag Insolvenzantrag beim Amtsgericht München gestellt. In der Folge würden aber auch für weitere Konzerngesellschaften entsprechende Anträge gestellt, hatte das Unternehmen mitgeteilt.

Damit seien Kunden, die ihre Pauschalreisen bei der FTI Touristik GmbH gebucht hätten, durch den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) abgesichert, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Axel Bierbach der Nachrichtenagentur DPA. Derzeit arbeitet Insolvenzverwalter Bierbach mit Hochdruck an Lösungen für betroffene Kunden und Mitarbeiter. Oberste Priorität habe die Unterstützung der etwa 60’000 Kunden, die aktuell mit FTI unterwegs seien, sagte Bierbach. Dieser Prozess laufe bisher sehr strukturiert und weitestgehend geordnet ab. Ansprechpartner des Unternehmens seien für die FTI-Kunden bei möglichen Problemen vor Ort erreichbar. FTI hat eine Hotline für Kundenanfragen eingerichtet.

Im Juni keine Reisen antreten
Die Reisen von FTI-Kunden, die in den kommenden Tagen losfahren wollten, müssen nach Auskunft Bierbachs abgesagt werden, da ein reibungsloser Ablauf in den Zielländern nicht garantiert werden könne. Dies gelte für alle über die FTI Touristik GmbH gebuchten Reisen bis einschliesslich Montag, den 10. Juni.

Für Reisen nach diesem Zeitpunkt werde derzeit nach Lösungen gesucht. «Wir loten mit Hochdruck sämtliche Möglichkeiten aus, um die gebuchten Reisen ab einem frühestmöglichen Zeitpunkt wie geplant von anderen Reiseanbietern durchführen zu lassen», sagte Bierbach. Nach seinen Angaben laufen bereits Gespräche mit anderen Anbietern. «Wir hoffen, eine Lösung für Reisen ab spätestens 1. Juli zu finden.»

Pauschalreise-Kunden müssten daher nicht befürchten, durch die Insolvenz Geld zu verlieren. Auch etwaige Vorauszahlungen von Pauschalreise-Kunden werde der DRSF erstatten, falls es nicht gelinge, diese Reisen durchzuführen. Der Anteil an Pauschalreise-Buchungen bei FTI beträgt mehr als 90 Prozent.

Der vorläufige Insolvenzverwalter will nun alle Optionen prüfen, ob und in welcher Form Fortführungsmöglichkeiten für das insolvente Unternehmen bestehen. Der Debatte stünden auch Möglichkeiten für den Verkauf von Geschäftsbereichen im In- und Ausland.

Sawiris mit 75 Prozent eingestiegen
Die Pleite des Reiseveranstalters dürfte auch den ägyptischen Immobilien- und Hotelinvestor Samih Sawiris treffen, der im Jahre 2020 einen Anteil von 75,1 Prozent an der Muttergesellschaft FTI Finanzholding GmbH übernommen hatte. Er war im Oktober 2014 bei der FTI Group eingestiegen und hielt bis dahin 33,66 Prozent an dem Touristikunternehmen. Ob Sawiris allerdings noch am Reisekonzern beteiligt ist, ist unklar.

Vor einem Monat wollte ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestors Certares die FTI Group für einen Euro übernehmen und 125 Millionen Euro frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Die Wettbewerbshüter mussten dem Deal noch zustimmen.

Den Angaben zufolge sind jedoch die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. «Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte», teilte FTI am Montag mit.

Dem deutschen «Handelsblatt» zufolge soll sich bei FTI kurzfristig eine Deckungslücke in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages aufgetan haben. Die deutsche Bundesregierung lehnte neue staatliche Hilfen für den Reisekonzern ab. (awp/mc/pg)

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