Das Tabu über Geld in Familien: Eine ökonomische und kulturelle Herausforderung

Das Tabu über Geld in Familien: Eine ökonomische und kulturelle Herausforderung
Matthias Wolf, Goldpfad (Bild: Goldpfad)

Bautzen – Über Geld spricht man nicht – dieser Satz prägt seit Generationen das gesellschaftliche Selbstverständnis in Deutschland. Während andere Themen wie Politik oder Gesundheit offen diskutiert werden, bleibt das Finanzielle ein blinder Fleck. Dieses Schweigen hat jedoch nicht nur persönliche, sondern auch volkswirtschaftliche Konsequenzen: Altersvorsorge wird falsch geplant, Erbschaften werden zum Streitfall und Pflegekosten treffen unvorbereitete Angehörige.

Matthias Wolf hat sich seit Jahren intensiv mit familiärer Finanzkommunikation befasst. Der Gründer und Geschäftsführer der Goldpfad GmbH begleitet Unternehmerfamilien bei der finanziellen Lebensplanung und plädiert für eine neue Gesprächskultur: „Unternehmer schweigen über ihr Vermögen, weil sie Angst vor Verurteilung haben. In Deutschland wird Besitz oft mit Schuld gleichgesetzt. Ich breche bewusst damit. Vermögen ist nichts Anstössiges, es entsteht im Kopf und ist das Ergebnis von Mut, Fleiss und klugen Entscheidungen.“

Eine lange Tradition des Schweigens

Die kulturelle Zurückhaltung gegenüber Geldthemen hat tiefreichende Wurzeln. Die protestantische Arbeitsethik etwa verknüpft Fleiss mit stiller Genügsamkeit. Geld soll nicht zum Zweck, sondern zum Nebenprodukt guter Arbeit werden – wer darüber spricht, gerät leicht in Verdacht der Eitelkeit oder Habgier. In patriarchalisch geprägten Familien war Geld zudem ein Instrument der Kontrolle. Finanzielle Informationen waren Herrschaftswissen, die Weitergabe an Jüngere wurde als Schwächung der Autorität gewertet.

Zwar ist finanzielle Bildung heute in aller Munde, doch die Praxis sieht anders aus: Fast ein Drittel der Deutschen regelt seinen Nachlass ohne Rücksprache mit der Familie. Ähnlich verhält es sich mit Fragen der Altersvorsorge oder möglichen Pflegebedarfen. Die Konsequenzen sind vielfältig. Erbauseinandersetzungen kosten nicht nur Geld, sondern auch Beziehungen. Im Pflegefall wiederum fehlen oft Vollmachten oder klare Zuständigkeiten – nicht selten müssen Angehörige in finanzielle Vorleistung gehen.

„Wenn finanzielle Fragen innerhalb der Familie ausgespart bleiben, ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis daraus Unsicherheit oder Konflikt entsteht“, warnt Wolf aus der Praxis seiner Beratungsgespräche.

Ökonomische Dynamik und psychologische Hürden

Deutschland steht vor der grössten Vermögensübergabe der Nachkriegsgeschichte. Laut Bundesbank werden bis 2040 über vier Billionen Euro übertragen – ein riesiger Hebel, der wirtschaftliche Stabilität oder soziale Zerreissproben bedeuten kann.

Für Wolf ist deshalb klar: „Das grösste Familienvermögen ist nicht das Kapital auf dem Konto, sondern das gemeinsame Verständnis über seinen Sinn und seine Verteilung.“ Wer nicht über Ziele, Bedürfnisse und Vorstellungen spricht, verschenkt Gestaltungsspielraum.

Wenn Pflegefälle eintreten, ist oft unklar, wie lange die Kosten tragbar sind – und wer sie überhaupt übernimmt. Viele Kinder erfahren erst bei Antragstellung auf Pflegegrad von finanziellen Verpflichtungen, die auf sie zukommen. Dieses Unwissen kann Haushaltspläne ruinieren.

Dazu kommen psychologische Barrieren: Geld ist nicht nur eine Zahl, sondern ein Symbol. Wer viel hat, will nicht gierig erscheinen. Wer wenig hat, möchte sich nicht schämen. Eltern befürchten, durch Offenheit Macht zu verlieren. Kinder wiederum scheuen sich, Ansprüche zu formulieren, um keine Konflikte zu provozieren. So entsteht ein Kreislauf der Sprachlosigkeit.

Strategien für mehr Offenheit

Ein strukturierter Dialog kann helfen, emotionale Spannungen zu vermeiden. Dafür eignet sich ein fester Termin, eine offene Tagesordnung und – bei Bedarf – eine externe Moderation. Das Gespräch muss nicht sofort alle Fragen klären, aber es sollte beginnen. Regelmässige Familientreffen, bei denen über finanzielle Themen gesprochen wird, können zur Routine werden. Die Tagesordnung reicht von Budgetplanung über Nachlassregelung bis zu gemeinsamen Investitionen.

„Ein moderiertes Gespräch bringt nicht nur Struktur, sondern schafft auch Raum für Verständnis – besonders, wenn bisherige Tabus aufgelöst werden sollen“, rät Wolf.

„Familien- Unternehmens- und Eigentümerinteressen stehen oft im Widerspruch zueinander und können Konflikte auslösen. Beratung von aussen kann helfen, die verschiedenen Interessenlagen sichtbar zu machen und Lösungswege aufzuzeigen, die für alle Beteiligten langfristig tragfähig sind.“, betont der Goldpfad-Chef.

Der Wandel beginnt zu Hause

Kinder sollten frühzeitig lernen, über Geld zu sprechen – nicht als reines Konsumthema, sondern als Instrument der Lebensgestaltung. Transparenz stärkt Beziehungen. Wenn Familienmitglieder ihre Erwartungen, Wünsche und Sorgen kennen, können sie Verantwortung teilen statt Kontrolle ausüben.

Die Finanzkultur einer Gesellschaft beginnt nicht im Parlament, sondern im Privaten. Wer den Mut hat, Geld nicht nur zu verdienen, sondern auch darüber zu reden, stärkt seine Familie – und langfristig die ökonomische Gesundheit eines Landes.

Wolf fasst zusammen: „Wir brauchen eine neue Kultur der Verantwortung in Finanzfragen – und die beginnt nicht bei der Bank, sondern am Küchentisch. Warten Sie nicht auf den Ernstfall. Sprechen Sie heute darüber.“ (gp/mc/hfu)


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