BlackRock Marktausblick: EZB-Tauben könnten sich im Juni in die Lüfte erheben

BlackRock Marktausblick: EZB-Tauben könnten sich im Juni in die Lüfte erheben
Ann-Katrin Petersen, Chief Investment Strategist bei BlackRock. (Bild: BlackRock)

Von Ann-Katrin Petersen, Chief Investment Strategist bei BlackRock

Kapitalmärkte: Verschnaufpause an den Börsen, Tauziehen an den Anleihemärkten

Frühling liegt in der Luft, und die Aktienmarktrallye hat sich in den vergangenen Wochen international ausgeweitet. An den US-amerikanischen, japanischen und europäischen Aktienmärkten – die zusammen etwa 90 % der Industrieländer-Aktien abbilden – jagte ein Allzeithoch das nächste, beflügelt durch das übergreifende Marktnarrativ einer sinkenden Inflation, die den Weg für Zinssenkungen ebnet, aber auch durch einen sich offenbar ausbreitenden Wachstumsoptimismus, insbesondere in den USA und Japan, bzw. der aufkeimenden Zuversicht auf eine Belebung der europäischen Konjunktur.

Solange die Unternehmensgewinne nicht nur geliefert werden, sondern die Erwartungen der Analysten übertreffen, solange der erneute Optimismus rund um die MegaForce Künstliche Intelligenz weltweit anhält, solange die Wachstumsannahmen für die US-Wirtschaft robust ausfallen und sich eine allmähliche Konjunkturerholung im Euroraum abzeichnet, kann die Aktienmärkte aktuell dem Anschein nach wenig aus der Bahn werfen. Beispielsweise die Beobachtung, dass an den globalen Börsen in Teilbereichen bereits viel Zuversicht vorweggenommen ist, das US-Wachstum (auch) durch eine lockere Fiskalpolitik unterstützt wird, oder allerhand geopolitische Risiken schwelen.

An den Anleihemärkten setzte sich das Tauziehen nach der bereits vollzogenen, kräftigen Neubewertung der Zinssenkungserwartungen fort. Inzwischen preist der Geldmarkt lediglich drei Zinssenkungen der US-Notenbank Fed um einen Viertelprozentsatz im Jahr 2024 ein und vier für die Europäische Zentralbank (EZB) – gegenüber fast sieben bzw. sechs zu Jahresbeginn. Spekulationen, wonach die EZB womöglich sogar vor der Fed die Zinsen senken könnte, nehmen entsprechend zu. Äusserungen des US-Notenbankchefs Jerome Powell rüttelten nicht an der Erwartung der Märkte, dass die erste Zinssenkung der Fed etwa Mitte 2024 erfolgen wird.

EZB-Geldpolitik: Lagarde ebnet Weg für mögliche Zinswende zur Jahresmitte

Wie erwartet beliess die EZB am vergangenen Donnerstag alle Leitzinsen unverändert. Bei der EZB verdichten sich jedoch die Anzeichen für eine erste Zinssenkung in den kommenden Monaten. Präsidentin Christine Lagarde merkte an, der Rat habe „gerade begonnen“, über eine „weniger straffe“ Zinspolitik zu diskutieren, und ebnete den Weg für eine mögliche Zinswende im Juni – sofern die Daten dafür ausreichend Konfidenz böten.

Ergo: Die Zinswende naht. Der frühe Vogel fängt im Fall der EZB den Wurm jedoch nicht. Zwar wurden die Projektionen für das Wirtschaftswachstums in der kürzeren Frist und insbesondere der Inflation nach unten korrigiert. Da der Energieschock nachlässt und vergangene Zinserhöhungen die Konjunktur unseres Erachtens stärker bremsen als diejenigen der Fed die US-Konjunktur, gehen wir jedoch davon aus, dass die Gesamtinflation im Jahr 2024 in Richtung des Inflationsziel der EZB von 2% sinken oder sogar vorübergehend darunter fallen wird. Aber dies stellt unseres Erachtens keine Rückkehr in die Welt dar, wie wir sie vor Ausbruch der Pandemie kannten, als die Inflation im Euroraum grösstenteils unter dem Ziel von 2% lag. Angesichts des immer noch angespannten Arbeitsmarkts und der gedämpften Produktivität im Euroraum könnte der binnenwirtschaftliche Kostendruck die Inflation nahe oder leicht über 2% halten, wie aus den aktualisierten Prognosen der EZB hervorgeht. Infolgedessen werden die Zinsen wahrscheinlich strukturell höher sein als vor der Pandemie.

Weder der Entscheid, noch die aktualisierten makroökonomischen EZB-Projektionen oder die Verlautbarungen bei der Pressekonferenz erwischten die Anleihenmärkte im Euroraum auf dem falschen Fuss. Denn sie hatten in den letzten Wochen in erheblichem Masse Zinssenkungen ausgepreist und den erwarteten Zeitpunkt der Zinswende von April auf Juni geschoben. Das bedeutete wiederum, dass die Hürde für Madame Lagarde, den Markt auf der „falkenhaften“ Seite zu überraschen, recht hoch lag. Dennoch dürfte zum Renditerückgang bei Bundesanleihen in der vergangenen Handelswoche die Abwärtsrevision der EZB-Inflationsprojektionen beigetragen haben.

Noch wartet die EZB geduldig auf weitere Beweise zu ihren drei Kriterien für die Inflationsaussichten – und vor allem darauf, dass sich das Lohnwachstum verlangsamt – bevor sie ihren Inflationskampf als vollendet ansieht. Die EZB dürfte in diesem Kontext vor allem die Tariflohnentwicklung im erste Quartal im Auge behalten, die im Mai zur Veröffentlichung anstehen, sowie die im Juni anstehenden Vergütungsdaten für das erste Quartal.

US-Inflation: Zwischen fallenden Güterpreisen und hartnäckigem Lohndruck

In der kommenden Woche wird der Schwerpunkt in Sachen Datenveröffentlichungen auf der Bekanntgabe der Ergebnisse der Überprüfung des operativen Rahmenwerks der EZB (Mittwoch) sowie den US-Inflationsdaten vom Februar (Dienstag) liegen.

Sollte erneut ein recht kräftiger Anstieg der US-Verbraucherpreise gemeldet werden, ginge dies für sich genommen mit Renditeaufwärtsdruck bei Anleihen einher, mit anderen Worten könnte der jüngste Renditerückgang am langen Ende ins Stocken geraten. Die US-Arbeitsmarktdaten von Freitag hatten einen festen Arbeitsmarkt gezeigt, selbst im Lichte anhaltender Nettomigrationsströme. Das Lohnwachstum hat sich abgekühlt, bleibt aber auf einem Niveau, das nicht mit einem Inflationsziel von 2% der Fed vereinbar ist.

Es bleibt bei unserer Einschätzung: Der anhaltende Lohndruck in einem angespannten US-Arbeitsmarkt dürfte die Inflation über 2024 hinaus auf eine Achterbahnfahrt schicken. In der kürzeren Frist tragen voraussichtlich weiter fallende Güterpreise dazu bei, die US-Kerninflation in diesem Jahr wieder in die Nähe der 2%-Zielmarke der Fed zu bringen. Allerdings wird die Inflation voraussichtlich wieder auf nahezu 3% ansteigen, sobald die Güterpreise nicht mehr fallen – wie es sich seit Jahresbeginn im starken Anstieg der ein- und zweijährigen US-Breakeven-Inflationsraten widerspiegelt. (BlackRock/mc/ps)

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