BlackRock Marktausblick: (Zentral-) Banken im Fokus

BlackRock Marktausblick: (Zentral-) Banken im Fokus
Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock. (Foto: zvg)

Von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie BlackRock

Die amerikanische Notenbank hat in der vergangenen Woche wie erwartet erneut den Leitzins erhöht, auf nunmehr 5,0-5,25%. Damit ist die Fed Funds Target Rate in weniger als 14 Monaten um 500 Basispunkte gestiegen, der bei weitem steilste Pfad seit 1980. Angesichts der notorisch langen Wirkungsverzögerungen geldpolitischer Straffung geht die Zentralbank damit ganz bewusst das Risiko einer Rezession in der US-Wirtschaft ein.

Dabei haben gerade die Daten der letzten Woche einmal mehr das Dilemma aufgezeigt. Denn während der Arbeitsmarkt und die Nachfrage der Konsumenten nach wie vor robust erscheinen, sinken die Inflationsraten zu langsam, um der Geldpolitik hinreichend Entwarnung zu signalisieren. Der Arbeitsmarktbericht am letzten Freitag vermeldete nicht nur mehr neu geschaffene Stellen als erwartet, sondern auch erneut eine sehr niedrige Arbeitslosenquote (mit 3,4% jetzt wieder auf dem tiefsten Wert seit 1969) und einen mit 4,4% (Vormonat 4,2%) unerwünscht starken Lohnanstieg. Und während einerseits nachlassende Energiepreise das von der Fed beobachtete Inflationsmass (den sogenannten Deflator der persönlichen Konsumausgaben – PCE) auf zuletzt 4,2% sinken liessen, hängt die trägere Kernrate, aus der Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet werden, bei 4,6% fest. Die Finanzmärkte haben dennoch diese starken Arbeitsmarktdaten, anders als in der jüngeren Vergangenheit, positiv bewertet. Good news is good news again. Der Grund für diese – auf den ersten Blick überraschende – Interpretation dürfte sein, dass die Payrolls just an dem Tag herauskamen, der auf die de facto-Ankündigung einer Zinspause durch die Fed folgte. Damit preiste der Markt eher die Erleichterung über die robuste Wirtschaft als Angst vor höheren Zinsen ein.

Bei alledem könnte allerdings die Erleichterung verfrüht sein. Denn die seit März zu beobachtenden Spannungen im Bankensystem, genauer: bei den Regionalbanken, sind keineswegs beendet. Die vom Staat gerettete Silicon Valley Bank und die von JP Morgan übernommene First Republic sind noch in frischer Erinnerung, in der vergangenen Woche kamen Turbulenzen um eine weitere Regionalbank an der US-Westküste, PacWest, dazu. Dass bei diesem Institut zuletzt der Einlagenabfluss gestoppt werden konnte und Cash sowie liquide Aktiva mehr als ausreichen, um die unversicherten Einlagen (also jene über 250.000 Dollar) abzudecken, zeigt, dass es beim Risiko einer Bankenkrise stets mehr um Vertrauen geht als um fundamentale Daten. Und so hat der Index der Regionalbanken letzte Woche erneut um 7% nachgegeben. Seit Beginn der Unsicherheiten um die US-Regionalbanken beträgt der Kursrückgang mehr als 40%, verglichen mit einem Anstieg des breiten S&P 500 um rund 6% im gleichen Zeitraum. Es wird also deutlich, dass der 500 Basispunkte-Blindflug der Fed sehr wohl Folgen hat, wenn auch – noch – nicht in Arbeitsmarkt und Konsum, spürbar aber bereits auf der Ebene der regionalen Kreditinstitute. Dass die Fed zwischen den Stühlen Inflation und Finanzstabilität sitzt, wird immer offensichtlicher.

Daher mutet es wie Pfeifen im Walde an, wenn Fed-Chairman Jerome Powell vom ‚gesunden und widerstandsfähigen Bankensystem‘ spricht, wie am vergangenen Donnerstag geschehen. Immerhin übersteigen die Aktiva der bisher gescheiterten drei Banken (PacWest wohlgemerkt nicht eingeschlossen) mit 552 Mrd. Dollar bereits jetzt jene der in den Jahren 2008 und 2009 zusammen pleite gegangenen Institute (535 Mrd.). An der Tatsache, dass vor 15 Jahren 165 Banken zusammenkommen mussten, um diese enorme Summe zu erreichen, während diesmal drei genügen, kann man erkennen, dass es im Jahr 2018 keine gute Idee der Trump-Administration war, grosse Institute wieder weitgehend von Regulierungsauflagen zu befreien, sofern sie weniger als 250 Mrd. Dollar Bilanzsumme aufwiesen. Und für Jerome Powell bedeutet all dies, dass er erstens angesichts dieser Risiken die Zinsen nicht viel weiter erhöhen kann, obwohl die Inflation noch mehr als doppelt so hoch ist wie der Zielwert. Und zweitens, dass er wegen der massiv verschärften Kreditbedingungen für die zweite Jahreshälfte doch noch mit einer ausgewachsenen Rezession rechnen muss und daher auch mit seiner am Donnerstag wiederholten Ankündigung, die Zinsen nicht so bald zu senken, möglicherweise falsch liegen könnte. Die Märkte jedenfalls rechnen weiter mit deutlichen niedrigeren Leitzinsen bis Jahresende.

Endlich sieht die EZB mal cooler aus als die Fed
Die EZB dürfte gerade mehrere Seufzer der Erleichterung darüber ausstossen, dass man anders als die US-Regulierer nicht einen wichtigen Teil des Bankensystems wieder von der Regulierungskette gelassen hat. Denn obwohl ein Überspringen auf europäische Kreditinstitute nicht ausgeschlossen werden kann – wie gesagt: es geht bei Banken um Vertrauen, nicht um Fakten – dürften Verwerfungen wie jene, die wir bei den US-Regionalbanken beobachten, auf dem alten Kontinent weniger wahrscheinlich sein. Die EZB hat damit die Möglichkeit, die Zinsen noch weiter anzuheben, ohne übermässige Angst vor einem Banken-Crash zu haben. Und das dürfte sie auch tun. Zumindest im Juni, eventuell dann sogar noch einmal Ende Juli, bevor man die Sommerpause nutzen könnte, um der Inflation weitere Zeit zur Entspannung zu geben. Dafür spricht auch, dass die europäische Geldpolitik sich bisher nur moderat im restriktiven Bereich befindet, um etwa 125 Basispunkte, verglichen mit einem doppelt so hohen Abstand von der neutralen Rate in den USA. Die Zeichen stehen damit also auf weiter kernige EZB-Rhetorik und einen eher festeren Euro. (BlackRock/mc/ps)

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