Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Abseits

Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: Abseits
Martin Neff, ehemaliger Raiffeisen-Chefökonom. (Foto: zvg)

Amerikas grösste Bank JP MorganChase & Co. hat im ersten Quartal unglaubliche 14 Milliarden Dollar verdient, der höchste Quartalsgewinn überhaupt ihrer Geschichte. Als ob das nicht reichte, hatte JP MorganChase noch Grösseres vor. Doch der Schuss ging gehörig nach hinten los. Im stillen Kämmerchen brüteten die Investmentbanker mit elitären Fussballbonzen über der Idee einer europäischen Super League. Das Interesse für Fussball dürfte sich bei den amerikanischen Investmentbankern in Grenzen halten, wahrscheinlich kennen sie nicht einmal die Abseitsregel.

Dafür steckt das Gespür für Geschäfte in ihren Genen. Geschäfte jeder Art, egal mit was, egal mit wem, schon gar nicht für wen, hauptsache Profit. So läuft die Maschinerie der Wallstreet bekanntlich. Es braucht immer nur ein sogenanntes Underlying, zu Deutsch Basiswert, um darauf Geschäfte aufzutürmen, Derivate wie Futures oder Optionen und was nicht alles noch. Wieso also nicht auch mal im Fussballgeschäft?

So war JP MorganChase gern bereit, den ohnehin zum Grössenwahn neigenden Clubchefs von Real Madrid, Juventus Turin oder Manchester United und anderen europäischen Grossclubs einen Startkredit in Milliardenhöhe zu gewähren, um eine elitäre Liga zu gründen, welche den superreichen Clubs vorbehalten gewesen wäre. Dass Bayern München oder Paris Saint-Germain nicht dabei sein sollten oder wollten, ist für mich schwer zu verstehen. Im Nachhinein können die sich aber glücklich schätzen, wurde die Übung doch schneller abgeblasen als sie angedacht war und so blieb ihnen die Schmach des Verrates erspart. Es blamierten sich hauptsächlich die spanischen, englischen und italienischen Grossclubs.

Und natürlich auch JP MorganChase, die im Fussball so grosse Geschäfte witterte. Den allfälligen Verlust steckt die Bank locker weg, aber das Image dürfte leiden. Mit solch einem Sturm auf Twitter, auch von namhaften Kunden der Bank, hatte JP MorganChase kaum gerechnet. Es zeigt einmal mehr, wie weit sich Investment Banker mitunter von der Realität entfernen. Fussball und Investmentbanking passen einfach nicht zusammen.

Fussball ist zweifellos eine Milliardengeschäft, aber eben auch eine höchst emotionale Angelegenheit. Das muss man unter einen Nenner bringen, sonst funktioniert das Geschäftemachen nicht. Und so mussten die Herren, die sich schon Anfang Jahr zum geheimen Stelldichein getroffen hatten und grosse Pläne geschmiedet hatten, einer nach dem anderen zurückkrebsen. Nichts wird es aus den rund 300 Millionen Euro, die allein zum Start in die Kassen jedes teilnehmenden Clubs gespült worden wären und zwar völlig unabhängig vom sportlichen Erfolg. Und mit der Vermarktung des elitären Clubproduktes in Asien oder Amerika wird es nun auch nichts, eine absolute Fehlinvestition der US-Banker und vor allem der drei mutmasslichen Haupttreiber hinter dem Unterfangen. Florentino Peréz von Real Madrid, Andrea Agnelli von Juventus Turin, die wohl die eigentlichen Initiatoren waren, und Ed Woodward Präsident von Manchester United.

Letzterem dürfte die Übung gar den Kopf gekostet haben, zumindest kündigte er per Ende Jahr seinen Rücktritt an. Manchester United gehört der amerikanischen Familie Glazer, welche Medienberichten zufolge das Projekt gepusht haben sollen. Ed Woodward hatte seinerzeit als Investmentbanker bei JP MorganChase die Übernahme des Clubs durch die Glazers beratend begleitet.

United Business also an allen Ecken und Enden und woran scheiterte es? An Fans, Spielern und Trainern, all denen also, die den Job machen und die die Nase voll haben vom schuldengetriebenen Karussell des Finanzmarktcasinos, das ohnehin schon dazu geführt hat, dass der Fussball immer mehr geld- denn leistungsbezogen ist. In Frankreich oder Deutschland etwa steht der Meister oft schon vor Ende der Saison fest. Anderswo haben maximal drei Mannschaften realistische Chancen auf den Titel. Es sind stets die Vereine mit der grössten Finanzkraft, welche oft in einer eigenen Liga spielen. Nicht selten stammt das Geld von Superreichen, oft aus erdölfördernden Staaten und zum Teil aus China, für die Fussball keine Herzensangelegenheit ist.

Gleichzeitig türmen die wenigen Topvereine auch Berge von Schulden auf und sind daher auf Geld von aussen angewiesen. Damit werben sie der Konkurrenz fast jedes aufstrebende Talent zu Höchstpreisen ab. Der Wettbewerb ist schon verzerrt genug, das Geld regiert die internationalen Ligen und das zieht den Groll der Fans mehr und mehr auf sich. Jetzt hat sich dieser entladen und das ist gut so. Wer einmal in einem Stadion live ein Spiel verfolgt und den Enthusiasmus und das Herzblut der Fans aufgesogen hat, der weiss im Fussball nimmt der Gewinner nicht alles mit. Das Spielfeld ist kein Casino. Der höchste Einsatz zählt zwar auf/in beiden, aber nicht nur der monetäre sondern auch der emotionale. Mit Geld lässt sich doch nicht alles kaufen, schon gar nicht die Herzen. Das hat JP MorganChase jetzt wohl begriffen, wie der Foulende, der die rote Karte gezeigt kriegt. Wallstreet, Du hast schon genug Weiden, die Du erntest, ohne zu säen. Lass die Finger wenigstens vom Fussball!

Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen

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