Kommentar zum Steuerstreit: Symptom, nicht Ursache

Kommentar zum Steuerstreit: Symptom, nicht Ursache

Von Helmuth Fuchs, Moneycab

Vorbei die Zeiten, als bedeutende Vertragswerke zwischen zwei Staaten von Politikern, Themenexperten und Kommentatoren positiv gewürdigt und medial gebührend beklatscht wurden. Der Umgangston ist nicht nur zwischen den Vertragsparteien härter geworden, auch die Öffentlichkeit und die Experten lassen sich nur noch schwer begeistern. Man mag dies als Zeichen der allgemeinen Krise werten, im Falle des Steuerabkommens liegen die Ursache tiefer, auf beiden Seiten.

In Deutschland, das innerhalb der EU-Staaten dank seiner Wirtschaftskraft und der geschickten Politik Angela Merkels in die nicht unbedingt gesuchte absolute Führungsposition gerutscht ist, schwindet die Lust, mit der Schweiz zu jedem Thema ein gesondertes Abkommen zusätzlich zu den EU-Verträgen auszuhandeln und der Schweiz dabei noch besonders vorteilhafte Bedingungen zu gewähren. Im vorliegenden Fall will man auch verhindern, dass weitere EU-Mitgliedstaaten in Versuchung kommen, für sich Bedingungen nach dem Vorbild der Schweiz einzufordern. Zudem steht Deutschland mitten im Wahlkampf, den nur gewinnen kann, wer der unteren und mittleren Schicht grössere Gerechtigkeit im Verteilkampf verspricht. Dabei haben Steuerflüchtlinge nach Jahren, in denen die Vermögen von unten nach ganz oben verteilt wurden, keine Lobby.

Begehrlichkeiten statt Bewunderung
In der Schweiz dagegen wird immer klarer, dass trotz oder vielleicht gerade wegen der wirtschaftlich hervorragenden Position die Grundlagen des Erfolgs durch die Machtzentren EU, USA und neu auch China massiv unter Druck geraten. Bankkundengeheimnis, finanziell attraktive Lösungen für Steuerflüchtlinge und die Sonderposition der Banken in der Schweiz wecken immer mehr Begehrlichkeiten statt Bewunderung. Dass dabei die nackte Machtanwendung anstelle rechtskonformen Vorgehens zur Anwendung kommt ist zu bedauern, aber kaum zu ändern. Die Schweiz als stark export-orientiertes Land ist durch seine wirtschaftliche Abhängigkeit, seine fehlende Grösse und seine Unabhängigkeit, in diesem Fall seine fehlende Vernetzung, erpressbar. Es ist in dieser Situation auch wenig hilfreich, dass die führenden Politiker sich schon seit Jahren im kleingeistigen Hickhack zermürben, ohne die Diskussion um die Zukunft der Schweiz und ihre möglichen neuen Rollen in den geänderten Machtkonstellationen zu führen und dem Volk unterschiedliche Szenarien vorzulegen. Während die Bevölkerung sich monatelang intensiv mit dem Bau einzelner Minarette auseinandersetzt und dazu zur Urne gerufen wird, gibt es keine breite Diskussion darüber, wie sich die Schweiz in den nächsten 20 oder 30 Jahren entwickeln soll, welche wichtigsten Werte gepflegt, welche überholten Vorstellungen entrümpelt werden sollten.

Denken über Bauern und Banker hinaus
Weil die Zukunftsplanung fehlt, fehlt auch eine Aussage darüber, welchen Stellenwert die grossen Finanzinstitute zukünftig haben sollen. Schon heute ist das Image der Grossbanken in weiten Kreisen der Bevölkerung arg ramponiert. Vielen hängt die Diskussion über die überrissenen Managerlöhne und Boni schlicht zum Halse raus, da sich hier eine ganze Berufsgattung vom Alltagsleben, wie es die meisten kennen, entkoppelt hat. Den wirtschaftlichen Kern der Schweiz bilden kleine und mittlere Unternehmen (KMU), welche in vielen Bereichen zu den Weltmarktführern gehören und, auch wenn sie nur lokal tätig sind, sich mit hervorragend qualifizierten Mitarbeitenden und Produkten im Wettbewerb behaupten können. Weder Bauern noch Banker sind wirtschaftlich nur annähernd so bedeutend wie die zehntausende von KMU. Das sollte auch für die Zukunftsplanung der Schweiz endlich anerkannt werden. Das ergäbe andere, neue und unbelastete Optionen für Zukunfts-Szenarien. Wer eine vergangene Schweiz für Bauern und Banker erhalten will, kann nur noch in Rückzugsgefechten das Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit hinauszögern. Wie das aussieht, erleben wir aktuell in der Steuerdiskussion mit Deutschland. Wir schulden aber uns selbst und vor allem kommenden Generationen mehr als das Verwalten überholter Werte. Wir sind mitverantwortlich für das Gestalten neuer Möglichkeiten. Zeit, dass wir dieser Verantwortung gerecht werden.

 

 

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