Nachhaltige biomedizinische Textilien mit Zukunft

Nachhaltige biomedizinische Textilien mit Zukunft
Eine menschliche Muskelzelle wächst auf einem Vlies aus mikrometerdünnen Polymerfasern. Auf diese Weise kann die Kunstmembran biologisch getarnt werden und wirkt fürs Immunsystem wie ein normales Blutgefäss. (Abb: Empa)

Dübendorf – Die Textil- und Bekleidungsindustrie hat in der Schweiz eine lange Tradition. Um sich auch zukünftig im internationalen Wettbewerb behaupten zu können, ist die Branche auf Innovationen angewiesen. Hier setzt die Forschungsinitiative «SUBITEX – Sustainable Biomedicine Textiles» an, gegründet von der Empa und Swiss Textiles, dem Textilverband Schweiz. Forschung und Industrie spannen zusammen, um durch innovative Ansätze und Wissenstransfer Neuerungen auf dem Gebiet von biomedizinischen Textilien zu fördern und diese schneller auf den Markt zu bringen.

Textilien eignen sich ganz besonders für den Einsatz am und im menschlichen Körper. Nicht nur, dass der Körper selbst aus etlichen Fasern besteht – wir sprechen schliesslich auch von Muskel-, Sehnen- und Nervenfasern. Aus Textilien lassen sich auch ganze Organe oder Teile davon nachbilden. Aktuelles Beispiel dafür ist ein Grossprojekt mit Beteiligung der Empa namens «Zurich Heart»: Hier entwickeln Empa-Forscher unter dem Dach der Hochschulmedizin Zürich gemeinsam mit dem Universitätsspital, der Universität und der ETH Zürich eine künstliche Herzpumpe. Diese wird ein Vliestextil mit einer Schicht aus Herzmuskelzellen besitzen, die vom Blut nicht mehr als Fremdkörper wahrgenommen wird.

«Man muss Abschied nehmen von der Idee, dass es sich bei Textilentwicklung um Baumwoll-T-Shirts dreht», sagt René Rossi, Projektleiter von Subitex und Leiter der Empa-Abteilung «Biomimetic Membranes and Textiles». Vielmehr beschäftige sich die Forschung mit unterschiedlichsten Fasern aus Keramik, Metall, Holz und Kunststoff.

Hochtechnisierte und hochwertige Produkte
«Ein Textil ist auch nicht einfach ein ‚Lappen‘, sondern vielmehr ein zweidimensionales Gebilde, das aus einem eindimensionalen Material – einer Faser – entstanden ist», so Rossi. Die Gebilde, die daraus entstehen, sind flexible, formbare, dehnbare, leichte Gewirke, Gewebe oder Gestricke. Rossi: «Den textilen Materialien und ihren Eigenschaften sind theoretisch keine Grenzen gesetzt.» Dies haben auch viele Schweizer Textilunternehmen erkannt, die sich erfolgreich zu spezialisierten Herstellern hochtechnisierter und hochwertiger Produkte gewandelt haben. Sie haben sich zunehmend mit der Forschung vernetzt und besetzen geschickt wirtschaftliche Nischen. Die Empa bietet sich als Forschungspartnerin geradezu an, weil sie den Bogen schlägt von der Grundlagenforschung wie im Rahmen von «Zurich Heart» bis zur Entwicklung von Produkten, die nahe am Markt sind.

So hat sie beispielsweise optische Fasern entwickelt, die in Kliniken für die Messung von vitalen Funktionen bei Frühchen eingesetzt werden oder als Biosensoren mit pH-sensitiven Fasern der Wundüberwachung dienen. Andere Anwendungsbeispiele sind textile Drucksensoren, die etwa in Rollstühlen eingebaut werden können, um falsche Druckbelastungen aufzuzeigen, textile Wundpflaster, die Medikamente gezielt abgeben oder ein benetzbarer Brustgurt, der zuverlässig für die Langzeitüberwachung von Elektrokardiogrammen für Herz-/Kreislauf-Patientinnen und -Patienten benützt werden kann.

Eine Forschungsinitiative mit 15 Industriepartnern
Um weitere Innovationen voranzutreiben und das enorme Potenzial der textilen Alleskönner noch besser zu nutzen, gründete die Empa und der Schweizer Industrieverband Swiss Textiles vor zwei Jahren die Forschungsinitiative «SUBITEX». Die Entwicklung und Nutzung neuartiger Materialien, Fasern, Gewebe und Verfahren soll den Schweizer Textilfirmen einen langfristigen Wettbewerbsvorteil auf dem globalen Markt sichern. Innerhalb der Initiative wurden bereits zehn von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) mitfinanzierte Projekte gestartet. Der Initiative schlossen sich mittlerweile 15 Textilunternehmen an, unter anderem die Firmen Flawa AG, Cilander, E. Schellenberg Textildruck AG, Mammut Sports Group, Schoeller Textil AG, Serge Ferrari Tersuisse AG und TISCA Tischhauser & Co. AG.

Um noch mehr Textil-Knowhow an die Subitex-Partner weitergeben zu können, hat die Empa einen Teil der finanziellen Beiträge aus Subitex in das Forschungsprogramm «Self-care materials» des «Competence Center for Materials Science and Technology» (CCMX) des ETH-Bereichs investiert. Das Programm erforscht Faserstrukturen zur Substanzabgabe oder -aufnahme. Das CCMX-Programm ist ein Mix aus Grundlagen- und Industrieforschung und äusserst lukrativ, da sich der Schweizerische Nationalfonds (SNF) mit der gleichen Summe daran beteiligt wie die Industrie.

Zu diesem Zweck werden an den Elektrospinn- und Mikrofluidik-Anlagen der Empa Fasersysteme aus «smarten» Polymeren entwickelt. Diese reagieren auf externe Einflüsse wie Temperatur, pH-Wert, Feuchtigkeit oder Druck. Heutige Systeme verwenden kleine passive Kapseln, die Substanzen nur dann freisetzen können, indem sie sich abbauen. Das Besondere an «Self-care»-Materialien ist, dass die neuartigen Fasersysteme die Substanzen gezielt über einen bestimmten Zeitraum freisetzen, wenn sie «aktiviert» werden. Die sehr kleinen Fasern aus smarten Polymeren können nicht nur in biomedizinischen Textilien und Gewebe eingebracht, sondern auch in Verpackungsfolien der Lebensmittelindustrie verwendet werden.

Die Forschungsinitiative SUBITEX ist auf fünf Jahre angelegt und läuft noch bis 2020. (Empa/mc/pg)

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