SGKB Investment views: Lockdown im November ist nicht gleich Lockdown im März

SGKB Investment views: Lockdown im November ist nicht gleich Lockdown im März
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Anfang März erreichte das Coronavirus Europa und die USA mit voller Wucht. Um die Ausbreitung einzudämmen und die Gesundheitssysteme zu schützen, reagierten die Regierungen mit der Schliessung von Läden, Restaurants und Schulen. Der Schock war gross und die Finanzmärkte trudelten dem Abgrund entgegen. Anfang November hat die zweite Welle der Corona-Pandemie Europa und die USA voll im Griff und dem Gesundheitssystem droht die Überlastung. Fast täglich beschliesst in Europa irgendwo eine Regierung neue Lockdowns. Den Überblick zu behalten, was jetzt wo geschlossen ist und welche Einschränkungen gelten, ist schwierig geworden. Die Finanzmärkte haben sich kurz geschüttelt und sich dann wieder dem Wahlkrimi in den USA zugewendet.

Dabei treffen die neuen Einschränkungen die Wirtschaft in einem ungünstigen Moment. Nach dem Einbruch im zweiten Quartal hat sich die Wirtschaft fast überall überraschend stark erholt. Der Rückgang im BIP im Vergleich zum Vorjahr ist nach dem dritten Quartal mit 2.9% in den USA und mit 4.3% in der Eurozone zwar immer noch einschneidend, aber nicht mehr dramatisch. Die Arbeitslosigkeit konnte in Europa dank den Hilfsmassnahmen bisher in Grenzen gehalten werden. In den USA ist die Arbeitslosenrate mit 6.9% stärker gesunken als erwartet. Der wirtschaftliche Rückschlag aufgrund der neuen Lockdowns erhöht jedoch die Gefahr, dass angeschlagene Branchen und Unternehmen nun endgültig aufgeben müssen.

Lockdowns vor allem in Europa
Dass die Finanzmärkte gelassener reagieren als im März, macht dennoch Sinn. Im Frühjahr fiel die Weltwirtschaft als Ganzes praktisch über Nacht in den Lockdown. Die Handels- und Transportwege waren unterbrochen und die Massnahmen trafen die Firmen unvorbereitet. Die aktuellen Einschränkungen betreffen vor allem die europäischen Länder. Zudem sind sie sowohl in der regionalen Verteilung als auch in ihrer Art spezifischer. In den USA wird es auch nach dem Wahlsieg von Joe Biden nicht mehr zu grösseren Lockdowns kommen. Die unmittelbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Schliessungen sind mangels Überbrückungsinstrumenten wie Kurzarbeitsentschädigungen viel grösser als in Europa. Die Wahlen haben gezeigt, dass für die Leute die Wirtschaft und damit ihre Arbeitsplätze von existentieller Bedeutung sind und sie diese stärker gewichten als die Gefahr durch das Coronavirus. In Asien, allen voran in China, ist die Pandemie besser unter Kontrolle und die Wirtschaft erholt sich weiter. Die zwei wichtigsten Volkswirtschaften der Welt sind damit durch die neuerlichen Corona-Massnahmen nur am Rande betroffen.

Grosse, international tätige Unternehmen weniger betroffen
Der negative Einfluss der Lockdowns konzentriert sich auf die Wirtschaft in Europa. Für verschiedene Branchen wie die Gastronomie oder den Tourismus sind sie hart. Viele kleine und mittlere Firmen sind in ihrer Existenz bedroht oder werden schliessen müssen. Bei den an der Börse kotierten Firmen handelt es sich aber mehrheitlich um grosse und international tätige Unternehmen. Für diese ist wichtiger, dass sich die Weltwirtschaft weiter erholt und dass die Transportwege offen sind. Zudem haben sie aus dem Frühjahr gelernt und ihre Prozesse flexibler gestaltet. Deshalb ist nachvollziehbar, dass die Börsen auf die Meldungen neuer Lockdown kurzfristig negativ reagieren, aber nicht mehr in einen Panikmodus verfallen. (SGKB/mc/ps)

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