T. Rowe Price: Drei Einschätzungen zur heutigen EZB-Sitzung

T. Rowe Price: Drei Einschätzungen zur heutigen EZB-Sitzung
Tomasz Wieladek, Chief European Economist bei T. Rowe Price. (Bild: T. Rowe Price)

Die EZB hat noch etwas Zeit, um die Wirksamkeit ihrer Zinserhöhungen zu beobachten

Von Jack McIntyre, Portfoliomanager bei Brandywine Global, Teil von Franklin Templeton

Die EZB hat mit ihrer Zinserhöhung um 25 Basispunkte nicht enttäuscht. Im Gegensatz zur US-Notenbank war diese Zinserhöhung weniger dovish, da die EZB die Straffung der Geldpolitik offensichtlich noch nicht abgeschlossen hat, die US-Notenbank hingegen möglicherweise schon. Dies ist insofern vernünftig, da die EZB bei der Einleitung des aktuellen Straffungszyklus ein Nachzügler war. Die Inflation in der Eurozone entwickelt sich nicht gut. Im Gegensatz zu den USA hat der Arbeitsmarktsektor in der Eurozone einen strukturellen Vorteil, was die Anfälligkeit für lohninduzierte Inflation erhöht. Die EZB gehört nun zu den Zentralbanken, welche die kumulativen Auswirkungen früherer Straffungsmassnahmen beobachten und auf die Daten angewiesen sind. Sie hat jedoch noch etwas Zeit, um die Wirksamkeit ihrer Zinserhöhungen zu beobachten, da ihre nächste Sitzung erst am 14. September stattfindet.

Kreditbedingungen könnten Nachfrage zunehmend bremsen

Von Jill Hirzel, Senior Investment Specialist bei Insight Investment

Die Europäische Zentralbank warnt davor, dass die Inflation noch zu lange auf einem zu hohen Niveau verharren wird und erhöht die Einlagen- und Refinanzierungssätze um 25 Basispunkte. Die Prognosen waren wie erwartet etwas vage. Zwar wurde darauf hingewiesen, dass künftige Entscheidungen sicherstellen werden, dass die Zinssätze ausreichend restriktiv bleiben, aber es wurde auch eingeräumt, dass die Kreditbedingungen die Nachfrage zunehmend bremsen. Die Daten, die in den nächsten sechs Wochen veröffentlicht werden, werden darüber entscheiden, ob eine weitere Feinabstimmung erforderlich sein wird – wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine weitere Zinserhöhung bevorstehen könnte, bevor dieser Zinserhöhungszyklus endgültig zu Ende geht.

Zu viel Optimismus an den Märkten angesichts der heutigen EZB-Prognose

Von Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price

Die heutige EZB-Prognose war im Grossen und Ganzen neutral – eine Zinserhöhung im September bleibt im Spiel und die dovishe Interpretation des Marktes ist wahrscheinlich überzogen.

Die EZB hat heute die Leitzinsen um 25 Basispunkte angehoben, was so von den Marktteilnehmern auch erwartet worden war, da Präsidentin Christine Lagarde dies bereits im Juni angekündigt hatte.

Die geldpolitische Erklärung fiel weitgehend neutral aus und wir glauben, dass dies absichtlich geschah, um eine Wende hin zu einer vollständigen Datenabhängigkeit zu signalisieren. Die Erklärung enthielt die Sorge, dass die Inflation über einen längeren Zeitraum über dem Zielwert liegen könnte, und räumte ein, dass einige Messgrössen für die Kerninflation zwar Anzeichen einer Abschwächung zeigten, die Inflation insgesamt aber hoch bleibe. Gleichzeitig wies die EZB darauf hin, dass sich die Realwirtschaft abschwächt und die Finanzierungsbedingungen verschärft werden, was die Nachfrage dämpft. Die Formulierung über das Erreichen restriktiver Zinssätze wurde aus der Erklärung gestrichen. Angesichts der Fokussierung auf die Inflation gehen wir jedoch davon aus, dass die Erklärung bewusst so abgefasst wurde, dass sie keine Hinweise auf künftige Zinssätze enthält.

Präsidentin Lagarde wiederholte in ihrer Pressekonferenz die Datenabhängigkeit. Sie sagte mehrmals, dass die EZB datenabhängig bleiben wird und ging sogar so weit zu sagen, dass die EZB im September eine Zinspause einlegen oder die Zinsen erhöhen könnte, ohne jedoch einen Hinweis in die eine oder andere Richtung zu geben. Sie wiederholte ebenfalls mehrmals, dass beides eine Option sei.

Trotz der Äusserungen von Präsidentin Lagarde haben die Märkte die heutigen Leitlinien eindeutig als dovishes Signal interpretiert. Wir glauben, dass die EZB stattdessen zu einer vollständigen Datenabhängigkeit übergegangen ist, was ein wichtiger Unterschied ist. In der aktuellen Phase des Datenzyklus erhöht dies nicht die Wahrscheinlichkeit einer Zinspause im September. Die Inflationsdaten morgen und am Montag werden die wichtigsten Daten für die EZB sein. Allerdings konnte der EZB-Rat die morgen und am Montag veröffentlichten Daten nicht mit einbeziehen, als er heute seine Entscheidung traf und die Leitlinien festlegte. Eine höher als erwartete Kerninflation des Verbraucherpreisindex morgen und am Montag könnte leicht dazu führen, dass die „gefühlte Zurückhaltung“ nach der heutigen Sitzung eingepreist wird.

Für eine Zinserhöhung im September kommt es daher auf die Daten an. Inflationsprognosen sind derzeit schwierig. Wir wissen jedoch, dass die hohe Inflation in der Eurozone eine gewisse Persistenz zu haben scheint. Der einzige Datenpunkt, der die EZB von einer Zinserhöhung abhalten könnte, ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit, aber der jüngste Rückgang der spanischen Arbeitslosenquote macht einen kurzfristigen Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Eurozone unwahrscheinlich. Wir bleiben daher bei unserer Einschätzung, dass die Daten eher für als gegen eine Zinserhöhung im September sprechen.

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