Tiefe Zinsen machen Neubauprojekte attraktiv

St. Gallen – Der Wohnungsbau in der Schweiz stockt. Laut einer Immobilienstudie von Raiffeisen Schweiz wecken die tiefen Zinsen aber «Wohnbau-Hoffnungen».
«Das Ausmass der ungenügenden Wohnungsproduktion wird deutlich sichtbar, wenn man diese ins Verhältnis zur Bevölkerungsentwicklung oder zum Wohnungsbestand setzt», heisst es in einer Mitteilung vom Donnerstag. Wurden zwischen 2004 und 2017 pro 1000 Bewohner im Schnitt jährlich 7,3 Wohnungen geplant, waren es zwischen 2020 und 2024 lediglich 5,5.
In diesen Zahlen, die sich auf eingereichte Baugesuche beziehen, sei zudem nicht berücksichtigt, dass für die Erstellung von neuem Wohnraum immer häufiger auch Wohnungen abgerissen werden müssten. Heute fallen pro 100 neue Wohnungen 17 Altwohnungen einem Abbruch oder Umbau zum Opfer, um eine dichtere Bebauung zu ermöglichen.
Umstrittener Ersatzneubau
Der Ersatzneubau als Form der Verdichtung ist umstritten: Einerseits werde so zwar ein hoher Nettozuwachs an Wohnungen ermöglicht, schreibt Raiffeisen Schweiz weiter. Andererseits führe der Ersatzneubau zu erheblichen sozialen und ökologischen Herausforderungen: «Günstigere Altwohnungen verschwinden, und die neuen Einheiten sind meist teurer.»
Die Situation auf dem Schweizer Mietwohnungsmarkt bleibt derweil ausgesprochen angespannt: Aufgrund der anhaltenden Zuwanderung und einer tiefen Bautätigkeit übersteige die Nachfrage das Angebot. Seit einigen Quartalen gebe es aber Anzeichen für einen vermehrten Wohnungsbau. Denn 2024 wurden laut Raiffeisen Schweiz in Baugesuchen insgesamt 3400 mehr Wohnungen registriert als im Vorjahr, was einem Plus von 7 Prozent entspreche.
Die damit erwartete Vergrösserung des Wohnungsbestandes dürfte aber gemäss den Immobilienmarktexperten für die hohe Nachfrage nicht ausreichen. Die Wohnraumknappheit dürfte dadurch also nicht massgeblich gelindert werden. Die Rückkehr des Tiefzinsniveaus lasse jedoch auf weitere bauseitige Impulse hoffen.
Eigentum wieder beliebter
Derweil steigt am Eigenheimmarkt nach einer kurzen Abkühlungsphase die Dynamik bereits wieder spürbar: Die zinsbedingt wachsende finanzielle Attraktivität von Wohneigentum gegenüber dem Wohnen zur Miete lässt die Nachfrage kräftig steigen.
Bei einer weiteren Senkung des Leitzinses dürfte sich mit einer Geldmarkthypothek bald ein Kostenvorteil gegenüber einer Mietwohnung von rund einem Drittel ergeben, so Raiffeisen.
Innert Jahresfrist sei Stockwerkeigentum um 3,5 Prozent teurer geworden, und Einfamilienhauspreise hätten sogar um 5 Prozent zugelegt. «Trotz hoher Immobilienpreise gelingt es kaufwilligen Haushalten das notwendige Eigenkapital aufzubringen, etwa durch Erbvorbezüge oder einen Rückgriff auf Vorsorgegelder», kommentiert Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz. Es sei daher zu erwarten, dass der Preisanstieg weitergeht. (awp/mc/ps)