Voltaire wäre heute erfolgreicher Vermögensverwalter

Voltaire wäre heute erfolgreicher Vermögensverwalter
Thomas Meier, Portfoliomanager bei MainFirst. (Foto: zvg)

Bewährte Anlagestrategien funktionierten nicht mehr. Voltaires Aussage «Le mieux est l’ennemi du bien» ist aktueller denn je.

von Thomas Meier, Portfoliomanager bei MainFirst

Als einer der einflussreichsten Philosophen der Aufklärung wäre Voltaire auch ein guter Banker geworden. Er wusste, wie wichtig finanzielle Unabhängigkeit für einen kritischen Literaten war. Auch die geistige Freiheit war ihm wichtig. Deshalb floh er im 18. Jahrhundert aus Frankreich vor die Tore der Stadt Genf. Nach dem Tod seines Vater 1722 gelang es ihm, sein Erbe zu vermehren und war bald sehr wohlhabend. Seine Aussage «Le mieux est l’ennemi du bien» ist heute wieder ganz aktuell – gerade in Zeiten erhöhter Inflation.

Die Anleger verarbeiten im Neujahr noch die Aktienrally aus dem Vorjahr und erfreuen sich über die erzielten Renditen. Doch die grosse Frage, die sich viele Anleger stellen, ist: Ist das Inflationsgespenst gebannt und falls nicht, was bedeutet das für die Anlageklassen?

Die Nullzinsära mit ihren Vor- und Nachteilen sowie Exzessen ist passé. Die Geld- und Rentenmärkte bieten heute Zinssätze, die Sparer in den letzten Jahren sehnsüchtig gesucht haben. Viele Anleger flüchten sich deshalb in die festverzinslichen Alternativen zu Aktien. Das Problem: Dabei verlieren sie oft die realen Renditen, also die inflationsbereinigten Ertragschancen, aus ihrem Blickfeld. Einen detaillierten Blick auf die Inflation und deren Auswirkungen auf die Asset Allokation zu berücksichtigen, ist heute wichtiger denn je.

Zeitenwende nach 40 Jahren
Seit Ende der 70er-Jahre lebten wir mit einer Obligationenhausse. Jetzt erleben wir erstmals wieder einen mehrjährigen Bärenmarkt. In atemberaubender Geschwindigkeit haben die Notenbanken die Zinsen angehoben, um die galoppierende Inflation zu bekämpfen.

Die Folgen staatlicher Eingriffe, wie Zölle und Handelsbeschränkungen, spüren die Konsumenten ebenfalls in ihren Portemonnaies. Da der Erhebung von Abgaben selten kreative Grenzen gesetzt sind, erlaubten sich viele Staaten auch noch ihre Steuern zu erhöhen. Diese Massnahmen verstärken die Inflationsdynamik in Europa zusätzlich. Dabei werden einige wichtige Auswirkungen für die Anleger ausser Acht gelassen.

Sie befinden sich in einer neuen, sehr herausfordernden Anlagewelt. An die Realität mit höherer Volatilität in Assetklassen und Inflation, ob politisch oder ökonomisch induziert, müssen wir uns gewöhnen. Schauen wir der Tatsache in die Augen: Die Inflation wird sich auf einem höheren Niveau einpendeln als in den letzten 20 Jahren – auch in der Schweiz, die nur dank dem starken Franken mit einer so tiefen Inflation davongekommen ist.

Obligationen sind kein sicherer Hafen mehr
Auf der Suche nach Renditen sind Anleger versucht, in langfristige Obligationen mit hohen Renditen zu investieren. Sie sollten sich nicht blenden lassen. Der Anstieg der Zinsen in den letzten Monaten hat zu einer hohen Volatilität und Kursverlusten bei Obligationen geführt. Die Risiken von Ausfällen aufgrund höherer Kapital- und Refinanzierungskosten bei Staaten sowie Unternehmen sind einfach zu hoch.

Die historisch negative Korrelation zwischen Anleihen und Aktien ist seit dem Ukraine-Krieg nicht mehr vorhanden. Ein Portfolio lässt sich heute durch Obligationen nicht mehr effizient diversifizieren.
Wir leben in einer neuen Realität: Mit Obligationen lässt sich heute ein Vermögen nicht mehr erhalten. Die Inflation marginalisiert die realen Renditen im Vergleich zu den Aktien.

Bewährte Anlagestrategien haben ausgedient
Investoren brauchen ein robustes Nervenkostüm. Die kurzfristigen Ausschläge an den Märkten gegen oben und unten werden heftiger. Hinzu kommt die Inflation, an welche sich die Anleger gewöhnen müssen.

An Aktien führt kein Weg vorbei, wenn es um den Vermögenserhalt geht. Vordergrund der Vermögensverwaltung muss reale Rendite stehen. Die Vermeidung von Volatilität tritt in den Hintergrund. Das Inflationsgespenst ist gezähmt, aber um es zu beherrschen muss die Asset Allokation aktiv und dynamisch mit Aktien gestaltet werden.

Das klassische 60/40 Portfolio mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Obligationsanteil hat zu den grössten Verlierern der letzten Jahre gehört. Die Volatilität an den Märkten führt auch zu schnelleren und härteren Trendbrüchen, was Trend-Strategien oder Themen-ETFs anfällig macht. Seit dem Ausbruch des Ukraine Kriegs haben Trend-Strategien mit dem Fokus ESG in ihrer Wertentwicklung nicht überzeugt.

Obligationen dienten lange gut als sichere Anlagen. Doch in Zukunft werden sie keine ausreichenden Renditen abwerfen. Nur mit Aktien lässt sich die Inflation schlagen und ein Vermögen erhalten. Anleger sollten sich Voltaires Worte zu Herzen nehmen. Er würde heute auf Aktien setzen und seine Vermögensallokation flexibel anpassen. Anleger sollten sich seine Worte zu Herzen nehmen. (MainFirst/mc/pg)

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