VP Bank: Auf allen Ebenen ein enttäuschendes Anlagejahr

VP Bank: Auf allen Ebenen ein enttäuschendes Anlagejahr
Bernd Hartmann, Head of CIO Office (Chief Strategist) VP Bank. (Foto: VP Bank)

Vaduz – Nur selten korrigieren Aktien- und Anleihenmärkte gleichzeitig so wie 2022. Doch es gibt auch eine positive Nachricht.

Auch wenn das Jahr noch nicht zu Ende ist, zeichnet sich ab, dass 2022 als eines der schwächsten Jahre in die Geschichte der Finanzmärkte eingehen wird. Das erstaunliche dabei: Weniger Risiko einzugehen, hat kaum geholfen.

von Bernd Hartmann, Head of CIO Office (Chief Strategist) VP Bank

Durchaus typisch für schwierige Börsenjahre ist, dass reine Aktienstrategien stark einbüssen. Per Ende Oktober liegt das Minus in Dollar gerechnet bei rund 20 %. Nach einigen starken Aktienjahren ist es der grösste Verlust seit der Finanzkrise 2008, als globale Aktien mit -41 % deutlich stärker korrigiert hatten. In den letzten rund zwanzig Jahren hat der Aktienmarkt vier Bärenmärkte (Verlust über 20 % vom letzterreichten Höchst gerechnet) durchlebt. Aktieninvestoren sind somit grössere Verluste gewohnt.

Annus horribilis für Anleihen
Grösser dürfte die Ernüchterung bei Anleiheninvestoren sein, denn hier sind Einbussen seltener und in der Regel auch kleiner. Zudem sind seit Beginn der 1980er bis zum Anfang der 2020er-Jahre die Anleihenrenditen sukzessive gefallen, was zu einem Rückenwind in Form von Kursgewinnen geführt hat. Über diesen Zeitraum wurden in der Schweiz und in den USA zwar jeweils sechs Jahre mit negativer Anleihen-Performance beobachtet, zuletzt 2021. Ausser 2021 folgten darauf hohe Gewinne.

Nicht nur fiel 2022 die Erholung aus, die Minusperformance weitete sich im laufenden Jahr zudem ungewöhnlich aus. Per Ende Oktober haben gemischte Anleihenindizes, bestehend aus Staats- und Unternehmensanleihen solider Qualität, zweistellige Verluste verzeichnet (Schweiz: -11.9 %, USA: -15.7 %, Eurozone -16.1 %, Grossbritannien -22.7 %). In der beinahe hundertjährigen Aufzeichnung von Marktdaten gab es keine Periode mit annähernd vergleichbaren Verlusten.

Zwar gab es Jahre mit einem ähnlich starken Anstieg der zehnjährigen US-Staatsanleihenrenditen (seit Anfang Jahr plus 244 Basispunkte (BP) vs. 200 (1977), 180 (1969) oder 160 BP (2009). Doch in den Vergleichsperioden reduzierte die höhere laufende Rendite die Kursverluste. Diesmal stand nach dem strukturellen Abwärtstrend der Rendite der letzten Jahre nur eine niedrige laufende Verzinsung entgegen. Zusätzlich war die Zinssensitivität der Anleihenmärkte erhöht, da die Schuldner die tiefen Finanzierungskosten der letzten Jahre genutzt haben, um sich längerfristig zu verschulden. Längere Laufzeiten bringen höher Zinsrisiken mit sich.

Diversifikationsversagen
Anleger tun gut daran, wie es die Engländer sagen, nicht alle Eier in einen Korb zu geben. Doch selbst das Prinzip der Diversifikation des Portfolios hat nicht funktioniert. Normalerweise performen Portfolios mit zunehmendem Anleihen-Anteil besser. Im Krisenjahr 2008 zum Beispiel büsste eine Strategie, bestehend aus 50 % Aktien Welt und 50 % Schweizer Anleihen, rund 21 % ein. Die Negativrendite reduzierte sich auf einen Drittel, wenn das Verhältnis 25 % zu 75 % gewesen wäre.

Doch 2022 haben die Aktien- und Anleihenmärkte gleichzeitig korrigiert, was sehr selten vorkommt. Seit 1926 verzeichneten etwa Schweizer-Franken-Anleihen nur achtmal eine negative Jahresperformance. Der Verlust war dabei mit zwischen 0.3 % und 4 % jeweils überschaubar. Der Schweizer Aktienmarkt brachte es hingegen auf 29 negative Jahre. Das heisst, im Durchschnitt war die Performance fast jedes dritte Jahr unter null. Bisher kam es jedoch nur dreimal vor, dass Anleihen- und Aktienmärkte gleichzeitig eine negative Jahresbilanz aufwiesen -Zuletzt war dies im Jahr 2007 der Fall.

Der US-Anleihenmarkt verzeichnete seit dem Jahr 1928 mit 17 Jahren deutlich mehr negative Perioden, während die Bilanz der Wall Street mit 25 negativen Jahren dem Schweizer Markt stark ähnelt. Auch im US-Markt korrigieren Anleihen- und Aktienmärkte äusserst selten gleichzeitig. In nur sechs Jahren korrigierten beide Anlageklassen zur selben Zeit, also durchschnittlich alle 15 Jahre. US-Staatsanleihen verloren gar nur dreimal gleichzeitig wie die Aktien.

Ganz konkret hat dies zur Folge, dass die Performance-Unterschiede der verschiedenen Strategien deutlich geringer ausfällt als üblich (vgl. Grafik und Tabelle unten). Denn auch eine höhere Staatsanleihenquote hat dieses Jahr nur bedingt geholfen, die Negativperformance in anderen Anlagen aufzufangen. In der Eurozone und in Grossbritannien verzeichneten Anleihen gemessen am gemischten Index gar grössere Verluste als globale Aktien.

Mehrwert der Alternativen Anlagen
Auch wenn die Beimischung von Anleihen 2022 nicht den üblichen Effekt gebracht hat, hat es sich gelohnt, zu diversifizieren. Anlageklassen mit alternativen Renditetreibern (z.B. Gold, Insurance-linked Securities) verloren meist ebenfalls, die Kursverluste fallen aber geringer aus.

Aufgrund des starken Dollars hängt die Goldentwicklung stark von der Referenzwährung ab. In USD verlor das Edelmetall rund 10 % an Wert, in den meisten anderen Währungen ist die bisherige Jahresentwicklung sogar positiv (EUR +2.7 %, GBP: +5.4 %, SEK 8.8 % CHF -2.1 %). Die Bilanz von Insurance-linked Securities rutschte nach den Schäden des Sturms Ian ins Minus und liegt bei rund -8 %. Mit am besten geschlagen haben sich dieses Jahr Hedgefonds mit einer Performance von -3.1 % (im USD). Aktienähnliche Anlageklassen haben ebenfalls deutlich gelitten (Wandelanleihen -22 %) oder sogar noch mehr als Aktien (Private Equity -23 %, Immobilien-Aktien -27 %).

Höhere Zinsen haben auch was Positives
Selbst wenn es noch zu einer Jahresend-Rallye kommen sollte, würde dies wohl wenig daran ändern: 2022 wird ein trauriges Anlagejahr, für alle, die Aktien und Anleihen im Portfolio halten. Selbst konservative und ausgewogene Anlagestrategien haben ungewöhnlich hohe Einbussen verzeichnet.

So schlecht das Jahr auch war: Das gestiegene Renditeniveau sorgt nun für ein höheres Potenzial für Anleihen. Die Konjunkturerwartungen belasten zwar vorerst die Aussichten für Aktien, doch immerhin wurde die durch die tiefen Renditen ausgelöste Überbewertung ausgepreist. (VP Bank/mc/pg)

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