VP Bank: Ölmarkt zwischen Geopolitik und neuen Russland-Sanktionen

VP Bank: Ölmarkt zwischen Geopolitik und neuen Russland-Sanktionen
(Photo by Cameron Venti on Unsplash)

Fünf Fragen zur möglichen Entwicklung des Erdölpreises.

Die Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran sowie den USA hat den Rohölpreis kurzfristig ansteigen lassen. Es ist ein gewohntes Muster, denn Anleger fürchten neben Angriffen auf Produktionsstätten eine Blockade der Strasse von Hormus.

Sie verbindet den Persischen Golf mit dem Indischen Ozean und gilt somit als Hauptschlagader für den Transport von Öl- und Flüssiggas. Tanker aus Saudi-Arabien, Katar, Irak, Bahrain, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten müssen diese Meerenge passieren, um ihre Produkte zu den Abnehmern zu bringen. Rund ein Fünftel des globalen Erdöls muss durch dieses Nadelöhr. Davon gehen ungefähr 80 % an Abnehmer in Asien.

Vor dem Angriff Israels Mitte Juni hatte sich der Preis im laufenden Jahr für ein Fass Erdöl (Sorte Brent) auf zwischenzeitlich 60 US-Dollar ermässigt – der Markt schien somit gut versorgt. Nach einem Zwischenhoch infolge der Luftangriffe der USA und nach dem vorläufigen Waffenstillstand notiert ein Fass wieder niedriger als zu Jahresbeginn. Wir erörtern in fünf Fragen, wie es nun mit dem Preis weitergehen könnte und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.

Sollte die Entspannung im Nahen Osten anhalten: Was sind die Treiber des Preises?

Der Erdölpreis hängt vom Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage ab. Für Preissprünge sorgen aber häufig kriegerische Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Aus Angst vor Produktionsausfällen durch Attacken auf Ölinfrastruktur oder eben auch durch eine Blockade der Strasse von Hormus preist der Markt eine Risikoprämie ein. Der Erdölpreis gab jedoch einen Teil der Gewinne schnell wieder ab, was zeigt, dass Investoren nicht mit einer Eskalation und somit einem Lieferengpass rechnen.

Wir gehen nicht davon aus, dass eine Sperre der Strasse von Hormus längerfristig durchsetzbar ist. Der Iran erzielt 15 % seiner Wirtschaftsleistung aus dem Energieexport, und der passiert diese Meerenge. Hinzu kommt, dass der wichtigste Handelspartner Irans – China, aber auch die USA, eine Schliessung wohl verhindern würden. Beide Staaten haben ein Interesse an niedrigen Erdölpreisen, nicht zuletzt wegen der Wirkung auf die Inflation. Nichtsdestotrotz könnten sich einzelne Reedereien oder Versicherer aufgrund des erhöhten Risikos gegen den Transport durch die Strasse von Hormus entscheiden.

Aufgrund der derzeitigen Entspannung im Nahen Osten dürften sich die Anleger wieder auf die fundamentalen Faktoren konzentrieren. Diese sprechen aktuell dafür, dass der Preis weiter fallen könnte.

Erdölproduktion pro Land mit Zugang zum Persischen Golf

Quelle: Opec, International Trade Administration, VP Bank

Welches sind die Faktoren, die für niedrigere Preise sprechen?

Zur Stabilisierung des Erdölpreises haben die Organisation der Erdölexportierenden Länder und ihre Verbündeten (Opec+) Produktionsgrenzen eingeführt. Insgesamt sechs Millionen Ölfässer pro Tag (ca. 6% der Nachfrage) produziert das Erdölkartell weniger. Doch einzelne Mitglieder, wie Kasachstan, Russland, Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate, haben sich zuletzt nicht daran gehalten und zu viel gefördert. Hinzu kommt, dass die Schieferölproduzenten in den USA vom hohen Preisniveau profitierten und Marktanteile gewinnen konnten.

Deshalb dreht die Opec+ den Hahn langsam wieder auf. Trotzdem ist die Produktionskapazität bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Mit knapp fünf Millionen Fässer pro Tag verfügt das Erdölkartell über genügend Spielraum, um etwaige Produktionsausfälle zu kompensieren.

Da auch US-Präsident Donald Trump tiefere Energiepreise fordert, dürften sanktionierten Länder wie Venezuela oder der Iran, auf eine Linderung der Restriktionen hoffen. Besonders der Iran darf sich auf Sanktionserleichterungen freuen, denn Washington signalisierte jüngst, dass China weiterhin iranisches Erdöl kaufen darf.

Wichtig ist zudem die US-Zollpolitik und die davon betroffene wirtschaftliche Nachfragedynamik. Um die expansive Politik der Opec+ zu rechtfertigen, müsste der Appetit nach Erdöl im zweiten Halbjahr wachsen. Ansonsten zeichnet sich aktuell ein Überangebot ab und somit tiefere Preise. Dementsprechend dürften die Durchschnittspreise von Erdöl im Vergleich zum Vorjahr im weiteren Jahresverlauf inflationsdämpfend wirken.

Es ist die Rede davon, dass der US-Senat bald hohe Zölle für Käufer von fossilen Energien aus Russland in Kraft setzen könnte. Welche Länder wären davon am meisten betroffen?

China und Indien gelten seit den ersten Sanktionsrunden als Auffangbecken für russisches Rohöl. Sie kaufen zusammen etwa drei Viertel der russischen Erdölexporte, sind somit wichtige Wirtschaftspartner Moskaus und finanzieren den Krieg in der Ukraine. Im Gegenzug profitieren beide Länder von niedrigen Preisen, denn Russland müsste eigentlich unter dem Weltmarktpreis verkaufen. Etwaige Volumenüberschüsse bei der Verarbeitung zu Ölprodukten in diesen Staaten, wie beispielsweise Benzin, finden den Weg nach Europa.

Das zeigt, dass die aktuellen Sanktionsmassnahmen gegen Russland, darunter auch Restriktionen gegen Reedereien und Versicherungen, erfolglos sind. Durch eine sogenannte Schattenflotte, bestehend aus älteren Tankern, gelingt es Russland, seine Handelsströme zu verschleiern. Gleichzeitig stellen diese Tanker ein Umweltrisiko dar.

Der «Sanctioning Russia Act» des US-Senats soll nun auch Sekundärsanktionen gegen Länder, die Öl, Gas oder auch Uran aus Russland importieren, beinhalten. China und Indien würden damit Zölle von bis 500 % auf sämtlichen Exporten in die USA drohen. Dies wäre de facto ein Handelsembargo gegen russisches Öl.

Auch wenn die genauen Rahmenbedingungen und Ausnahmeregelungen noch nicht bekannt sind, wäre auch die EU betroffen. Denn einige Mitglieder haben Mühe, sich von Russland als Energielieferant zu lösen. So beziehen die EU-Binnenländer Ungarn und die Slowakei weiterhin Gas und Erdöl über eine Pipeline und haben wenig Alternativen. Frankreich und Belgien wiederum gehören zu den grössten Importeuren von russischem Flüssiggas mit langfristigen Lieferverträgen. Um potenziellen Sanktionen aus den USA entgegenzuwirken, diskutiert die EU ein vollständiges Verbot für Energie aus russischen Quellen bis 2027.

Welche Auswirkungen hätte ein schärferes Vorgehen gegen Russland?

Russland ist der zweitgrösste Erdöllieferant der Welt. Täglich werden 7.5 Millionen Fässer Öl exportiert und somit rund 7 % der globalen Nachfrage bedient. Trotz schärferer Massnahmen muss angenommen werden, dass Moskau weiterhin einen Teil seiner Produktion ausliefern wird. Auch der Iran und Venezuela, die aktuell mit Sanktionen der USA belegt sind, schaffen es, Erdöl zu exportieren.

Als direkte Reaktion auf neue, härtere Sanktionen wären kurzfristige Engpässe unvermeidbar, weshalb die Energiepreise deutlich anziehen könnten. Abhängig vom Ausmass des Engpasses verfügt die Opec+ aktuell noch über genügend Kapazitäten, um einen Teil zu kompensieren. Zusätzlich hat sich der Schieferölsektor in den USA als «Swing Produzent» etabliert. Aufgrund der Flexibilität können Produzenten bei attraktiven Preisen die Förderung schnell erhöhen.

Energiepreisentwicklung seit 2022

Quelle: Bloomberg Finance L.P., VP Bank

Welche Unternehmen oder Sektoren können von Ölpreisschwankungen profitieren?

Im Falle von höheren Energiepreisen bewähren sich Öl- und Gasproduzenten als sicherer Hafen für Anleger. Die höheren Marktpreise steigern den Gewinn und den Cashflow, weshalb die Unternehmen mehr als nur die Förderkosten, Investitionen und regulären Gewinnausschüttungen abdecken können.

Dabei gilt: Je höher die Produktionskosten pro Fass Öl, desto grösser ist die Hebelwirkung. Der erwirtschaftete Überschuss wird meistens aufgewendet, um Extradividenden zu bezahlen oder Aktien zurückzukaufen. International tätige Energiekonzerne wie TotalEnergies, Repsol oder Equinor verfügen dabei über eine tiefere Kostenbasis als beispielsweise Schieferölproduzenten in den USA wie Diamondback Energy.

Zeichnet sich am Erdölmarkt ein Unterangebot ab, verharren die Preise über einen längeren Zeitraum auf höherem Niveau. In diesem Umfeld steigen die Investitionen in die Erschliessung von neuen Erdölfeldern, um die Produktion auszuweiten. Davon profitieren Zulieferer und Ingenieursunternehmen mit Fokus auf die Energiebranche, wie beispielsweise die französische Technip Energies oder die norwegische Subsea 7.

Generell gelten energieintensive Sektoren wie Transport, Chemie oder Landwirtschaft zu den Profiteuren von tieferen Erdölpreisen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert