Wildtiere: Gewinner & Verlierer 2025
Zürich – Erfolge wie die Erholung von Wisent, grüner Meeresschildkröte und Steinkauz in der Schweiz zeigen, dass Artenschutz wirkt. Doch insgesamt bleibt die Bilanz negativ: Naturzerstörung, Wilderei und Klimakrise gefährden zahllose Tierarten.
Gemäss dem Living Planet Report 2024 des WWF ist die Grösse der untersuchten Wildtierpopulationen innert 50 Jahren im Schnitt um 73 Prozent zurückgegangen. Der Bericht belegt einen beispiellosen Artenverlust innert kurzer Zeit. Auch die Schweiz ist kein Vorbild: Der Anteil bedrohter Arten ist in keinem anderen Land der Welt so gross wie hierzulande. Über ein Drittel der Pflanzen-, Tier- und Pilzarten ist bedroht. Eine Naturschutz- und Renaturierungsoffensive ist dringend nötig, um den negativen Trend zu stoppen und wieder mehr Natur zu schaffen – sie ist unsere Lebensgrundlage.
Gewinner 2025
Goldschakal in der Schweiz: Goldschakale (Canis aureus) leben ursprünglich in den Savannen und Halbwüsten zwischen der Türkei und Myanmar. Seit mehreren Jahren beobachtet man die Verbreitung in Richtung Westen und Norden. 2011 wurde der erste Goldschakal in der Schweiz gesehen. Seit 2016 gibt es regelmässige Beobachtungen in verschiedenen Kantonen. Bisher wurden noch keine Weibchen entdeckt. Im Trentino, in Baden-Württemberg und in Südost-Österreich gibt es bereits etablierte Vorkommen. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis auch in der Schweiz junge Goldschakale auf die Welt kommen. Da Goldschakale eine ähnliche Lebensweise wie Füchse haben, ist offen, wie sich dies auf die Schweizer Fuchspopulationen auswirken wird.
Steinkauz: Steinkäuze (Athene noctua) sind Bewohner von reich strukturierten Kulturlandschaften und leben in Europa seit Tausenden von Jahren in der direkten Umgebung der Menschen. Wegen ihrer Fähigkeit in der Nacht zu sehen und der Möglichkeit den Kopf weit zu drehen und damit das zu sehen, was anderen verborgen bleibt, gelten sie als Symbol der Weisheit. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg zerbrach diese Beziehung. Durch den Verlust ihres Lebensraums wurde der Steinkauz in der Schweiz an den Rand des Aussterbens gedrängt. Dank Artenförderungsprojekten in verschiedenen Regionen der Schweiz gibt es mittlerweile wieder 161 Reviere, so viele wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Damit unser weiser Begleiter aber wieder in der ganzen Schweiz gehört werden kann, braucht es noch viel mehr Anstrengungen.
Wisente: In den rumänischen Karpaten wurden 2025 erneut Wisente in freier Wildbahn geboren – ein Symbol für erfolgreiche Wiederansiedelungsprogramme nach ihrer Ausrottung. Die Rückkehr der Wisente (Bison bonasus) ist jedoch mehr als nur die Rettung einer Art. Sie ist auch ein Symbol für die Erneuerung ganzer Ökosysteme. Wisente sind die grössten Landsäugetiere und werden oft als „Architekten des Waldes“ bezeichnet. Während sie grasen, die Vegetation niedertrampeln und den Boden düngen, helfen sie Grasland und Wäldern, sich zu regenerieren. So profitieren unzählige Pflanzen- und Tierarten von ihrer Rückkehr.
Grüne Meeresschildkröte: Die Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas) wurde 2025 auf der Roten Liste von „stark gefährdet“ auf „nicht gefährdet“ herabgestuft – ein Sprung um drei Kategorien. Seit den 1970er-Jahren ist der Bestand um rund 28 Prozent gestiegen. Verantwortlich sind Schutzprogramme für Niststrände, Gemeindeprojekte gegen die Entnahme von Schildkröten und Eiern, der Einsatz von Schildkrötenschutzgittern, sogenannten Turtle Excluder Devices, in Fischereinetzen sowie die Eindämmung des internationalen Handels. Trotz dieser Fortschritte bleibt die Gesamtpopulation deutlich kleiner als vor der Zeit intensiver Ausbeutung, und die Mehrheit der Meeresschildkrötenarten gilt weiterhin als bedroht.
Atlantischer Nordkaper: Der Atlantische Nordkaper (Eubalaena glacialis) galt 2020 als „stark gefährdet“ und vom Aussterben bedroht. Die kleine Population von wenigen Hundert Tieren konnte sich jedoch halten und wächst langsam um 1–2 Prozent pro Jahr – gerettet ist die auf der Hochsee lebende Walart aber noch lange nicht. Hauptursachen für Todesfälle sind Beifang und Schiffskollisionen. Damit sich die Bestände erholen, müssen die Wanderrouten besser geschützt werden. Das 2025 verabschiedete Hochseeabkommen BBNJ schafft dafür erstmals einen verbindlichen Rechtsrahmen und erleichtert die Einrichtung von Schutzgebieten.
Haie und Rochen:
Bei der Artenschutzkonferenz (CITES COP) in Usbekistan, wurden erstmals internationale Handelsverbote für zahlreiche Hai- und Rochenarten beschlossen. Ein besonderer Durchbruch ist das internationale Handelsverbot für Manta- und Teufelsrochen, Walhaie, Weissspitzen-Hochseehaie und 18 Arten von Geigenrochen. Strengere Massnahmen wurden auch für den Handel mit Tiefsee-, Hunds- und Glatthaien beschlossen. Doch der Schutz am Papier ist nur der Anfang. Jetzt müssen die einzelnen Staaten eine lückenlose Umsetzung und strenge Kontrollen für Handel und Fischerei sicherstellen.
Schneeleoparden: In Nepal wurde 2025 erstmals eine nationale Bestandsaufnahme der Schneeleoparden (Panthera uncia) abgeschlossen. Demnach leben knapp 400 Tiere verstreut in den Bergen des Himalaya-Staates. Die Erhebung liefert wichtige Daten zu Verbreitung, Bestand und Lebensräumen der bedrohten Grosskatze. Für dem WWF ist das die Grundlage für wirksame Schutzstrategien und ein Signal an andere Verbreitungsländer wie China, ihre Bestände ebenfalls systematisch zu erfassen.
Livingstone-Flughund auf den Komoren: Der Livingstone-Flughund (Pteropus livingstonii) lebt ausschliesslich auf zwei Inseln des Archipels Komoren im westlichen Indischen Ozean. Die Population gilt nun dank gezielter Schutzmassnahmen als stabil, mit rund 1 200–1 500 Individuen. Der Rote-Liste-Schutzstatus wurde 2025 von „vom Aussterben bedroht“ auf „stark gefährdet“ herabgestuft. Von zentraler Bedeutung war die GPS-Besenderung einzelner Tiere, die zur Identifikation wichtiger Schlaf- und Futterplätze geführt hat. Darauf aufbauend konnten Vereinbarungen mit Landbesitzern zum Schutz dieser Standorte getroffen werden.
Verlierer 2025
Murmeltier in der Schweiz: Murmeltiere (Marmota marmota) verschlafen den Winter in ihren Erdhöhlen. Für einen tiefen, gesunden Winterschlaf sind sie auf eine ausreichend dicke Schneedecke angewiesen. Wenn es wenig Schnee hat, wie im letzten Winter, überleben viele Murmeltiere den Winter nicht. Diese Bedrohung nimmt wegen der Erderhitzung zu. Weil es auch in Zukunft immer weniger Schnee geben wird.
Feldhase in der Schweiz: Früher häufig und fast überall anzutreffen, sind sie mittlerweile sehr selten geworden. Die intensive Landwirtschaft hat viele Lebensräume der Feldhasen (Lepus europaeus) vernichtet und in verschiedenen Regionen im Mittelland sind sie schon ganz verschwunden. Der Feldhase gilt als Fruchtbarkeitssymbol. Es ist aber wohl trotzdem nur Zufall, dass mit dem Rückgang der Feldhasen-Population auch die Geburtenrate bei uns Menschen zurückgeht.
Bachflohkrebs in der Schweiz: Bachflohkrebse ernähren sich von abgestorbenem organischem Material und sorgen damit für klares Wasser. Gleichzeitig dient der Bachflohkrebs vielen Fischen als Nahrung. Bachflohkrebse (Gammarus fossarum) reagieren aber sehr empfindlich auf Gewässerverschmutzung mit Pestiziden. Entsprechend verschwindet der Bachflohkrebs aus immer mehr Bächen. Mit dem Verzicht auf die Einführung eines Grenzwertes von Deltamethrin in den Gewässern hat es der Bundesrat verpasst, die Überlebenschancen von Bachflohkrebsen zu verbessern.
Luchs in der Schweiz: Anfang des 20. Jahrhunderts ist der Luchs wegen Jagd und Wilderei in der Schweiz verschwunden. 1971 wurde dann der erste Luchs (lynx lynx) in Obwalden wieder ausgewildert. Dies legte den Grundstein für eine Schweizer Luchspopulation von über 300 Tieren, die grösste Population in Westeuropa. Es ist aber nicht gelungen, die verschiedenen Populationen untereinander zu vernetzen und wichtige Verbreitungshindernisse aus dem Weg zu räumen. So sind die Populationen noch immer isoliert und genetisch verarmt. Gendefekte wegen Inzucht drohen die vergangenen Erfolge zunichtezumachen.
Vögel: Die Aktualisierung der Roten Liste 2025 zeigt bei Vögeln eine alarmierende Entwicklung: 61 Prozent aller Vogelarten weltweit nehmen in ihrem Bestand ab – deutlich mehr als bei der letzten umfassenden Bewertung im Jahr 2016, als es 44 Prozent waren. Betroffen sind auch Arten in der Schweiz wie der Wachtelkönig und die Bekassine. Hauptursachen sind die Zerstörung und Zerschneidung von Lebensräumen durch die Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft, Flächenversiegelung und Abholzung. Damit gehen auch wichtige Funktionen verloren, denn Vögel sind unverzichtbar als Bestäuber, Samenverbreiter, natürliche Schädlingsbekämpfer und Aasfresser.
Europäischer Aal: Der Europäische Aal (Anguilla anguilla) ist auf der Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Besonders drastisch ist der Rückgang der Jungtiere, deren Zahl seit den 1980er-Jahren um über 90 Prozent gefallen ist. Ursachen sind Lebensraumverlust, Barrieren in Flüssen, Krankheiten und vor allem der illegale Handel. Denn mit jungen Aalen werden jährlich Umsätze in Milliardenhöhe erzielt. Trotz bestehender Schutz- und Managementmassnahmen bleibt die Erholung unsicher und erfordert strengere Handelskontrollen, besseren Schutz des Lebensraums und internationale Zusammenarbeit.
Arktische Robben: Gleich drei arktische Robbenarten wurden 2025 auf der Roten Liste hochgestuft. Die Klappmütze (Cystophora cristata) gilt nun als „stark gefährdet“, nachdem ihr Bestand stark gesunken ist. Auch Bartrobbe (Erignathus barbatus) und Sattelrobbe (Pagophilus groenlandicus) wurden neu als „gering gefährdet“ eingestuft, vorher galten sie als „nicht gefährdet“. Die erneute Bewertung der Walrosse (Odobenus rosmarus) bestätigt ihren Status als „gefährdet“ und den enormen Druck auf die Art. Hauptursache ist der Verlust von Meereis durch die Erderhitzung: Ohne stabile Eisflächen fehlen Rückzugsorte zur Jungenaufzucht, Nahrungssuche und Erholung. Gleichzeitig nimmt der Druck durch Schifffahrt, Unterwasserlärm, Rohstoffabbau, Jagd und Fischerei zu.
Asiatische Goldkatze: Die Asiatische Goldkatze (Catopuma temminckii) wurde 2025 auf der Roten Liste hochgestuft auf «verletzlich». Dies infolge eines geschätzten Bestandesrückgangs von 34 Prozent in 20 Jahren. Der globale Bestand beträgt nur noch rund 7000 erwachsene Tiere, viele Teilpopulationen in Südostasien sind bereits verschwunden. Haupttreiber des Rückgangs ist die illegale Jagd. Daneben setzt der Tierart auch der zunehmende Lebensraumverlust zu. Einige «Hochburgen» mit gesunden Populationen machen Hoffnung für die Zukunft. Doch ohne verstärkte Anti-Wilderei-Massnahmen droht ein weiterer Rückgang der Populationen.
Antarktischer Krill (Euphausia superba): Ende 2024 wurden die bisher geltenden Management-Massnahmen für die Krillfischerei in der Antarktis gelockert. Damit droht einerseits eine Überfischung der gesamten Krill-Ressourcen und andererseits eine Konzentration der Krillfischerei in besonders krillreichen Gebieten, die auch von vielen Tieren genutzt werden, die sich von Krill ernähren. Damit steigt das Risiko, dass Wale und andere Tierarten, die sich von Krill ernähren, nicht mehr ausreichend Nahrung finden. Zusätzlich besteht auch die Gefahr von Beifang, mit möglicherweise gravierenden Folgen für verschiedene Arten von Walen, Robben und Pinguinen. (WWF/mc/ps)