Die Sicht des Raiffeisen Chefökonomen: SNB-Gewinne ans Volk

Seit der Finanzkrise kauft die Schweizerische Nationalbank (SNB) in grossem Stil ausländische Devisen. Sie tut dies, um eine übermässige und damit wirtschaftlich schädliche Erstarkung des Frankens zu verhindern oder zumindest zu dämpfen. Infolge dieser Politik sind die Devisenreserven der SNB von knapp 50 Milliarden auf heute rund 754 Milliarden Franken angewachsen. Diese massive Bilanzausweitung hat einiges verändert.
Begehrlichkeiten im Zaum halten
Mit einer Bilanz, die gegenwärtig mehr als acht Mal grösser ist als vor 2008, haben sich auch Umfang und Schwankungsbreite, der jeweils zum Jahresende ausgewiesenen Gewinne und Verluste vervielfacht. Das mittelfristige Gewinnpotenzial der SNB wird mit rund 10 bis 15 Milliarden Franken veranschlagt. Entsprechend hat die Ausweitung der Zentralbankbilanz Begehrlichkeiten geweckt, wie die regelmässigen Diskussionen, über die Anlage- und die Ausschüttungspolitik der Nationalbank zeigen. Bislang gehen die Gewinnausschüttungen zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone. Da wiederkehrende politische Forderungen die Unabhängigkeit der Nationalbank untergraben und sie von der Erfüllung ihres Auftrages zur Wahrung der Preisstabilität ablenken, sollte nach Möglichkeit primär die Bilanz wieder verkürzt und die Eigenkapitalquote erhöht werden. Ist dies aufgrund geldpolitischer Zwänge, namentlich der fortgesetzten Bekämpfung einer übermässigen Aufwertung des Schweizer Frankens, nicht möglich, müssen andere Wege gefunden werden, um die Begehrlichkeiten im Zaum zu halten.
Verteilung an die Bevölkerung gut begründet
Dies gelingt am besten, indem die SNB-Gewinne möglichst breit an die Gesamtbevölkerung verteilt werden. Eine derartige «Zersplitterung» der Ansprüche würde den Druck politischer Sonderinteressen stark reduzieren, wie eine Analyse von Avenir Suisse vom Herbst 2024 aufzeigt. Auf diese Weise wäre auch jegliche Zweckbindung vom Tisch. Derartige Zweckbindungen, beispielsweise an die AHV, kommen immer wieder aufs Tapet, führen jedoch zu Zielkonflikten. Die SNB könnte dadurch unter Druck geraten, ihr Anlageverhalten und ihre Geldpolitik vermehrt auf die Ertragssituation und die AHV auszurichten. Zweckbindungen bergen damit die Gefahr, dass dadurch das Ziel der Preisstabilität konkurrenziert und in den Hintergrund gerückt werden könnte.
Eine direkte Ausschüttung an die Bevölkerung gewährleistet, dass die Gewinne tatsächlich auch beim Volk ankommen. Sie stellen eine teilweise Kompensation dar für die Renditeschmälerung, welche die Bevölkerung aufgrund der Geldpolitik der Nationalbank erleidet. Denn die massive Bilanzausweitung und die daraus resultierenden höheren Gewinnausschüttungen sind nicht im luftleeren Raum entstanden. Sie sind die Folge der Doppelstrategie der SNB, die mittels Tiefstzinsen und Devisenmarktinterventionen den Franken zu schwächen versucht. So erfolgreich die Strategie bisher war, hinterlässt sie dennoch auch Verlierer. Zu diesen zählen Sparerinnen und Sparer sowie Pensionskassen, sprich letztendlich die Bevölkerung, die aufgrund der tiefen Zinsen eine deutlich geringere Rendite einfährt. Eine direkte Ausschüttung an die Bevölkerung ist daher in hohem Masse legitimiert. Angesehene Ökonomen wie Aymo Brunetti und Reto Föllmi haben diese Idee schon vor Jahren in die Debatte eingebracht – und sie bleibt aktueller denn je.
Technisch problemlos umsetzbar
Technisch wäre eine solche Verteilung problemlos realisierbar. Sie könnte analog zur bestehenden Rückverteilung der CO2-Abgabe über die Krankenkassenprämien oder durch Steuergutschriften erfolgen. Der Zeitpunkt, sich über die Gewinnverteilung Gedanken zu machen, ist günstig. Einerseits nähert sich die Schweiz wieder Null- oder gar Negativzinsen, was aufseiten der Sparer erneut für Ausfälle sorgt. Andererseits läuft in diesem Jahr die geltende Vereinbarung über die Gewinnverwendung zwischen der SNB und dem Eidgenössischen Finanzdepartement aus und muss neu ausgehandelt werden. Dass diese Mittel dem Volk zustehen, zeigt allein schon die Bestimmung im Nationalbankgesetz, wonach die Ausschüttungen der SNB entsprechend der Wohnbevölkerung an die Kantone zu verteilen sind.
Kantone sind nicht auf die SNB-Gewinne angewiesen
Die bisherige Verteilung der Nationalbankgewinne über Bund und Kantone ist zudem nicht zielführend. Aufgrund ihrer Volatilität können die Kantone solche Mittelzuflüsse nur schlecht budgetieren. Entsprechend ineffizient dürfte dieses «Gratisgeld» in den Kantonen verwendet werden. Die Gefahr besteht, dass der ohnehin geringe Sparwille in den Kantonen und beim Bund noch stärker erlahmt. Am sinnvollsten wäre es, wenn die Kantone die Ausschüttungen für Steuersenkungen verwendeten – so würde die breite Bevölkerung profitieren. Dazu kommt es in der Praxis aber selten, weshalb eine direkte Ausschüttung an die Bevölkerung ins Auge zu fassen ist. Für die Kantonsfinanzen stellt dies kein Problem dar, denn die Kantone erzielten seit 2016 im Schnitt pro Jahr Haushaltsüberschüsse von mehr als 2,5 Milliarden Franken.
Die Gewinne der SNB gehören der Bevölkerung, das bestreitet niemand. Demnach sollten sie am besten auch direkt an die Bevölkerung verteilt werden. (Raiffeisen/mc/pg)