Robeco: Die Fleischlieferkette birgt weltweit erhebliche Gesundheitsrisiken

Robeco: Die Fleischlieferkette birgt weltweit erhebliche Gesundheitsrisiken
von Masja Zandbergen, Head of sustainability integration, und Peter van der Werf, Engagement Specialist bei Robeco. (Foto: zvg)

Es sind nicht nur Lebendtiermärkte, die Gesundheitsrisiken verursachen, wie wir im Fall des Coronavirus gesehen haben. Die gesamte Fleischlieferkette birgt weltweit erhebliche Gesundheitsrisiken. In der Vergangenheit war dies bei der Schweinegrippe und beim Rinderwahnsinn zu beobachten. Sehr wahrscheinlich wird sich dies auch in Zukunft in Form anderer Krankheiten und Bakterienresistenzen infolge übermässigen Antibiotikaeinsatzes zeigen. Des Weiteren trägt die Fleischlieferkette durch Entwaldung zum Klimawandel bei. Ausserdem bestehen Probleme im Hinblick auf das Tierwohl sowie die Löhne und Arbeitssicherheit in den Fabriken. Diese Probleme sind während der Coronavirus-Krise zusätzlich in den Vordergrund gerückt, sind aber nicht neu. Sie sind der Grund dafür, dass Robeco sich seit vielen Jahren im Dialog mit Unternehmen in der Fleischlieferkette befindet.

Solche Aspekte stellen nicht nur Probleme in gesellschaftlicher oder umweltbezogener Hinsicht dar, sondern haben auch reale geschäftliche Auswirkungen, wenn sie nicht angemessen gehandhabt werden. Geschäftliche Auswirkungen ergeben sich nicht nur während Krisen wie im Fall der Fleischverarbeitungsbetriebe, die geschlossen werden mussten, nachdem dort die Coronavirus-Infektionen stark gestiegen waren. Die ausgeprägten Umwelteffekte der industriellen Viehhaltung dürften sich ebenfalls in finanzieller Hinsicht negativ auswirken, da die Branche wesentlich zum Klimawandel beiträgt und verstärkt in den regulatorischen und finanziellen Fokus geraten dürfte.

Doch ist nicht alles nur schlecht. So gibt es auch Unternehmen, die von den Chancen profitieren, die mit neuen Formen der Landwirtschaft einhergehen. Gleichwohl sind Anreize für Innovationen in einem Bereich erforderlich, der mehr als 11.000 Jahre alt ist und einst mit der Domestizierung von Schafen und Ziegen begonnen hat.

Überblick über unser dreijähriges Engagement in der Fleischlieferkette

Der Fleischkonsum ist seit den 1960er Jahren immer schneller gestiegen
Verhaltensmuster bei der Produktion und dem Konsum von Nahrungsmitteln sind sowohl für unsere Gesundheit als auch für eine intakte Umwelt entscheidend. Das Bevölkerungswachstum, zunehmender Wohlstand und der Klimawandel sind nur einige der Faktoren, die die globale Nahrungsmittelbranche in den nächsten Jahren erheblich beeinflussen werden. Die Fleischproduktion ist seit den 1960er Jahren nahezu exponentiell gestiegen. Dabei entfiel der Grossteil des Anstiegs auf Geflügel, Rind- und Schweinefleisch.

Im Jahr 2014 konsumierte der Mensch im Schnitt rund 43 kg Fleisch pro Jahr. Bei Europäern und Nordamerikanern ist der Wert mehr als doppelt so hoch. Dort verzehren die Konsumenten jährlich im Schnitt 80-110 kg Fleisch. Der globale Durchschnittswert wird voraussichtlich zunehmen, da ähnliche Veränderungen im Hinblick auf Bevölkerung, Einkommen und Urbanisierung zu einer steigenden Nachfrage nach Fleisch und tierischen Produkten führen.

Schätzungen zufolge ist die Landwirtschaft der weltweit zweitgrösste Emittent von Treibhausgasen. Im Schnitt produziert eine Kuh 85 kg Methan pro Jahr. Um die Emissionen zu verringern, die Gesundheit zu verbessern und mehr Menschen zu ernähren, sind dringende und radikale Änderung vonnöten, wenn die UN Sustainable Development Goals sowie die Ziele des Klimaabkommens von Paris bis 2030 erreicht werden sollen.

Zentrale Herausforderungen und unsere Erwartungen
Die Fleischproduktion steht vor grossen Herausforderungen, darunter Beschränkungen in Form begrenzter natürlicher Ressourcen, der Umwelteffekt industrieller Produktion und die Auswirkungen auf die Gesundheit der Verbraucher infolge der Übertragung von Krankheiten von Nutztieren auf den Menschen, die aus Antibiotikaresistenz resultieren. Nicht zuletzt bestehen generelle Bedenken hinsichtlich des übermässigen Fleischverzehrs der Konsumenten.

Mit Blick auf unser Engagement entwickelten wir eine Reihe von Indikatoren, die die folgenden Zielgrössen umfassen: Tierwohl, Arbeitsbedingungen, Produktqualität, Sicherheitsvorkehrungen und Innovationsmanagement.

Tierwohl: die Leitlinien eines Unternehmens in Bezug auf das Tierwohl sollten diverse Aspekte abdecken, darunter routinemässige Verstümmelungen, Massentierhaltung, Betäubung vor der Schlachtung, Ferntransporte von Lebendvieh und den Einsatz von Antibiotika während der Wachstumsphase. Die Leitlinien sollten sich auch auf alle Regionen erstrecken und Zulieferer sowie Subunternehmer einbeziehen. Wir evaluieren das Abschneiden der Unternehmen im Hinblick auf drei breitgefasste Parameter: Governance und Management, Leadership und Innovation sowie Performance-Reporting und Impact.

Arbeitsbedingungen: Wir prüfen, ob die Unternehmen über Leitlinien in Bezug auf die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen verfügen. Wir analysieren den Geltungsbereich der Leitlinien hinsichtlich der operativen Tätigkeit des Unternehmens selbst und derjenigen seiner Zulieferer, ausserdem die Abdeckung diverser arbeitsbezogener Aspekte und Prozesse zwecks Sicherstellung der Einhaltung der Standards. Wir werfen auch einen Blick auf die Überwachungsprozesse und die Vorkehrungen zu Arbeitssicherheit, die den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter gewährleisten sollen.

Produktqualität und -sicherheit: Wir evaluieren, wie Fleischverarbeiter und -einzelhändler sicherstellen, dass ihre Produkte die hohen Qualität- und Sicherheitsansprüche ihrer Kunden erfüllen. Wir wollen, dass die Unternehmen über ein System verfügen, anhand dessen sie die Herkunft ihrer Fleischprodukte nachvollziehen können. Ausserdem sollen sie ihre Lebensmittel mit detaillierten Angaben versehen.

Zertifizierte und biologisch angebaute Produkte werden bevorzugt. Wir erwarten des Weiteren, dass die Unternehmen die Good Manufacturing Practices und andere relevante Standards bei ihren Prozessen einhalten. Nicht zuletzt wollen wir, dass die Unternehmen sich an der Aufklärung der Kunden über die gesundheitlichen Auswirkungen des Fleischverzehrs beteiligen mit dem Ziel, dass diese ihren Fleischkonsum reduzieren.

Innovationsmanagement: Zu den Bereichen, in denen wir Innovationschancen in dieser Branche sehen, gehören:

  • Spezialchemieproduzenten (Hersteller von Tierfutter), die beispielsweise innovative Lösungen wie Probiotika anstelle von Antibiotika zur Futterbeimischung entwickeln
  • Automatisierung von Lebensmittelfabriken zwecks Verringerung des Risikos von Arbeitsschutzrisiken
  • Im Hinblick auf Schnellrestaurants und Einzelhändler wandelt sich der Markt, da sich die Verbrauchernachfrage ändert. Wir erwarten von den Unternehmen, dass sie aktiv auf die Diversifikation ihrer Portfolios hinarbeiten und sich in ihren Geschäften und Niederlassungen an Programmen zur Aufklärung der Verbraucher beteiligen.

Die Bekämpfung der Entwaldung war kein offizielles Ziel bei den Aktivitäten im Rahmen dieses Engagements. Jedoch haben wir uns diesbezüglich in den letzten Jahren auf Ebene von Unternehmen und sogar Ländern (Brasilien) eingesetzt. Diese Thematik ist weiterhin besorgniserregend und erfordert entsprechendes Engagement.

Bei der Analyse der Unternehmensprofile hilfreiche Initiativen
Als wir im Jahr 2016 dieses Engagement begannen, hielten wir eine Konferenz mit der in Grossbritannien ansässigen Researcheinrichtung Farm Animal Investment Risk and Return (FAIRR) und mit der Business Benchmark for Farm Animal Welfare (BBFAW) ab, bei der wir die Risiken und Chancen erörterten, die sich aus Veränderungen innerhalb der Fleisch- und Fisch-Lieferkette ergeben.

Diese beiden Initiativen erwiesen sich als sehr hilfreich bei der Ausrichtung unseres eigenen Researchs. Der Austausch erleichtert uns die Entwicklung eines eigenen robusten Systems aus Indikatoren, an dem sich unser Dialog mit den Unternehmen orientiert. Auch der Access to Nutrition Index und die PRI Deforestation Benchmark waren hilfreich für unsere Analysen, was den Umgang der Unternehmen mit den diversen Problemen in der Fleischlieferkette angeht.

Fazit aus unserem Engagement
Unser Engagement fokussierte sich auf Unternehmen aus der gesamten Nahrungsmittel-Lieferkette – von Bioscience-Unternehmen über (Fleisch) Verarbeitende Betriebe bis hin zu Lebensmittelprodukten und Einzelhändlern. Zu den Unternehmen, die dabei am besten abschnitten, gehörten solche aus Nordeuropa (insbesondere Skandinavien) sowie amerikanische Firmen aus der Fastfood-Branche.

Ihre Aktivitäten und Offenlegungen, speziell hinsichtlich der Beteiligung am Carbon Disclosure Project, ihr Engagement im Zusammenhang mit dem Cerrado Manifesto sowie ihre wissenschaftsbasierten Zielsetzungen illustrieren ihre Ausrichtung auf Nachhaltigkeit und die in den letzten drei Jahren unternommenen Schritte zur permanenten Verbesserung.

Unseren Dialog mit brasilianischen Unternehmen dagegen beendeten wir ohne Ergebnis, da diese bei den meisten Zielsetzungen erheblich hinter ihren Mitbewerbern zurücklegen. Wir wollen, dass diese Unternehmen im Hinblick auf dieses Thema Fortschritte machen, und wir bleiben solange involviert, wie wir an ihnen beteiligt sind. (Robeco/mc)

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