SGKB investment views: Der Holzpreis wird die Inflation nicht anheizen

SGKB investment views: Der Holzpreis wird die Inflation nicht anheizen
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Als Anfang Jahr die Inflationsangst um sich griff, wurde der Engpass in der Verfügbarkeit von Bauholz und die markante Erhöhung des Holzpreises als Sinnbild für die drohende Inflationsgefahr hochstilisiert. Für den Holzpreis interessierten sich vorher nur die im Holzhandel und in der Holzverarbeitung involvierten Akteure. Das änderte sich mit der Corona-Pandemie, insbesondere in den USA. Zu Beginn der Pandemie ist der Holzpreis eingebrochen. Während des Lockdowns haben die grossen Holzabbaufirmen und viele Sägereien ihren Betrieb eingestellt und wie in den USA üblich einen grossen Teil ihrer Belegschaft entlassen.

Im Herbst stieg die Nachfrage nach Bauholz, weil viele Leute ihre freie Zeit dazu nutzten, an ihren Häusern Renovationen vorzunehmen. Akzentuiert wurde dieser Effekt in diesem Frühjahr, als die Wirtschaft sich erholte und damit auch die Bautätigkeit wieder zunahm. Auf der anderen Seite war die stillgelegte Holzindustrie nicht in der Lage, auf den raschen Anstieg der Nachfrage nach Holz zu reagieren. Mit den Schlagzeilen über den steigenden Holzpreis entdeckte auch die Finanzwelt das Holz. Der Handel im Futures-Kontrakt für Bauholz, normalerweise ein Klassentreffen kommerzieller Interessenten, wurde zum Spielfeld spekulativer Investoren. Bis Mitte Mai stieg der Preis für Bauholz in den USA auf das Vierfache des üblichen Werts. Seither hat die Holzproduktion wieder zugenommen, der Holzpreis hat sich halbiert und die spekulativen Anleger haben sich vom Holz-Future verabschiedet.

Holzpreis nicht entscheidend für die Inflation
Die Vorgänge im Holzmarkt sind aber ein gutes Beispiel dafür, was die Entwicklung bei den Inflationsraten in den nächsten Monaten antreibt. Dank den staatlichen Hilfs- und Überbrückungsgeldern konnten die Kaufkraft der Konsumenten und die meisten Firmen über den Lockdown gerettet werden. Mit der Wiedereröffnung der Wirtschaft und dem Beginn der konjunkturellen Erholung entlud sich ein Nachholbedarf, der die Nachfrage nach Produkten innert kurzer Zeit markant erhöhte. Das Angebot kann auf diese Nachfrage nur zum Teil reagieren. Viele Produzenten sind erst daran, ihre Produktion wieder hochzufahren. Zudem gibt es nach wie vor Einschränkungen bei den internationalen Transportkapazitäten, sei es per Schiff oder per Flugzeug. Das alles führt dazu, dass viele Lieferketten für Rohstoffe und Zwischenprodukte noch nicht im gewohnten und nötigen Ausmass funktionieren. Insbesondere in Branchen mit einer flexiblen Preispolitik führt dies teilweise zu deutlichen Preiserhöhungen und damit zu einem Anstieg der Inflationsraten. Dass dieser in den USA oder in Grossbritannien stärker ausgefallen ist als in der Schweiz oder in Deutschland, überrascht dabei nicht.

Normalisierung des Angebots absehbar
Das Angebot wird sich wieder normalisieren. Die nötige Infrastruktur und die nötigen Kapazitäten sind im Grundsatz vorhanden. Das gilt sowohl für die Förderung von Rohstoffen als auch für die Produktion und die Verteilung von Gütern. Gleichzeitig wird der Nachholbedarf auslaufen. In der Folge werden die Preise vieler Produkte und Dienstleistungen analog dem Preis für Bauholz wieder sinken. Wann das genau der Fall sein wird, ob bereits im Herbst oder erst im nächsten Jahr, wird man sehen. Für die Zentralbanken und ihre Geldpolitik bedeutet das, dass ihre Annahme eines temporären Anstiegs der Inflationsrate realistisch ist. Entsprechend sind sie auch nicht gezwungen, ihre Leitzinsen zu schnell und zu stark zu erhöhen. (SGKB/mc/pg)

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