SGKB Investment views: Die Staatsfinanzen sind eine tickende Zeitbombe

SGKB Investment views: Die Staatsfinanzen sind eine tickende Zeitbombe
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Praktisch überall werden im Wochenrhythmus neue staatliche Hilfspakete und Entschädigungsprogramme geschnürt. Mit Geld oder attraktiven Krediten wird den kleineren Unternehmen geholfen, aber auch die grossen internationalen Firmen kommen zum Handkuss. Selbstständig Erwerbende werden für Umsatzeinbussen entschädigt, genauso wie die Halter von GA-Abonnements für das eingeschränkte Angebot im öffentlichen Verkehr. Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Nur eine Gruppe ist bisher leer ausgegangen: die öffentlichen Strukturen auf den unteren Ebenen. In der Schweiz sind das die Kantone und Gemeinden, in den USA die Gliedstaaten und Städte. Dabei werden die Haushalte dieser Körperschaften durch die Corona-Krise genauso zerzaust wie der private Sektor.

Die Einkommen der Haushalte und die Gewinne der Firmen werden in diesem Jahr und wahrscheinlich auch im nächsten Jahr deutlich tiefer ausfallen. Ein massiver Einbruch bei den Steuereinnahmen wird die Folge sein. Die Ausgaben werden auf der anderen Seite steigen, insbesondere im Bereich des Sozialwesens. Hohe Haushaltsdefizite auf den verschiedenen Ebenen des Staatswesens werden die unausweichliche Folge sein.

Solide Ausgangslage in der Schweiz
Wie bei vielem in dieser Corona-Krise ist die Situation in der Schweiz deutlich besser als anderswo. Die Finanzen der Kantone sind insgesamt in einem soliden Zustand in die Corona-Krise gestartet. Zudem haben sie auch einen guten Zugang zum Kapitalmarkt, um bei Bedarf zusätzliches Geld aufzunehmen. Die eine oder andere Gemeinde wird dagegen nicht um eine Steuererhöhung herumkommen. Das flexible System in der Schweiz mit individuellen Steuersätzen und dem demokratischen Prozess zur Festlegung der Steuersätze ist ein grosser Vorteil. Die Leute werden bereit sein, vorübergehende Steuererhöhungen zur Behebung der Corona-Schäden in Kauf zu nehmen, weil sie wissen, dass die Steuern danach auch wieder gesenkt werden können.

Schwieriger ist die Situation in den USA. Die Kommunen und die Gliedstaaten finanzieren sich zum grossen Teil über die Sales Tax auf den Produkten und Dienstleistungen. Im aktuellen Lockdown brechen diese weg. Bis sich der private Konsum wieder auf die alten Niveaus erholt, wird es angesichts der dramatisch steigenden Arbeitslosigkeit lange dauern. Neben den einbrechenden Einnahmen sind sie mit steigenden Ausgaben zur Bekämpfung der Corona-Epidemie konfrontiert. Insbesondere die Gliedstaaten haben deshalb Alarm geschlagen und pochen auf Hilfe aus Washington.

Risiko einer Schuldenkrise
Dies hat eine Kontroverse ausgelöst, nachdem der Republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell in einem Interview gesagt hat, die Gliedstaaten sollen lieber in Konkurs gehen statt unterstützt zu werden. Da für Gliedstaaten die in den USA bei privaten Unternehmen verbreitete Sanierung unter dem Gläubigerschutz gemäss Chapter 11 nicht möglich ist, müssten sie bei einem Insolvenzverfahren ihre Kosten massiv reduzieren. Faktisch heisst das, dass sie Hunderttausende von Mitarbeitern entlassen müssen und ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Das ist aber genau das, was in der aktuellen Krise nicht gebraucht wird. Zudem würden Zahlungsausfälle von grossen Staaten wie New York zusätzliche Schockwellen durch den Kapitalmarkt senden.

Die indirekten Auswirkungen der Corona-Krise werden erst nach und nach zum Vorschein kommen, insbesondere auch bei den staatlichen Institutionen. Mit den aktuellen Hilfsprogrammen ist es nicht getan. Bis die Folgen der Krise überwunden sind, wird es Jahre dauern. Das Risiko, dass die Corona-Krise wie die Finanzkrise eine nachgelagerte Schuldenkrise auslöst, darf nicht unterschätzt werden. (SGKB/mc/ps)

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