Union Bancaire Privée: Schwellenmarkt-Anleihen gehören in jedes Portfolio
Die Schwellenländer liefern beeindruckende 80% des globalen BIP-Wachstums. Trotz eines Gesamtwerts von USD 44 Billionen, sind ihre Anleihen in globalen Portfolios nach wie vor signifikant untervertreten. Damit entgehen den Anlegern attraktive Chancen in einigen der dynamischsten Regionen der Welt.
von Thomas Christiansen, Head of Emerging Markets Fixed Income und Sergio Tarazona, Investment Specialist – EMD, Union Bancaire Privée
Der versteckte Riese
Schwellenländer (EM) sind keineswegs nur ein kleiner Akteur der Weltwirtschaft, sondern ihr wichtigster Wachstumsmotor. Nach Angaben des IWF und der Weltbank tragen diese Volkswirtschaften mittlerweile etwa 80% zum globalen BIP-Wachstum bei. Sie spielen damit eine zentrale Rolle in der Gestaltung der künftigen globalen Wirtschaftsleistung. Ihre Anleihemärkte haben sich ebenfalls zu einer beeindruckenden Anlageklasse mit einem Volumen von 44 Billionen US-Dollar entwickelt, was in etwa 25% aller weltweit handelbaren Schuldtitel entspricht.
Trotz dieser Grösse und Bedeutung sind globale Anlageportfolios jedoch nach wie vor stark auf entwickelte Märkte ausgerichtet, wobei weniger als 5% auf Schwellenländer entfallen. Diese konstante Untergewichtung schränkt nicht nur das Engagement in Segmente mit höherem Renditepotenzial ein, sondern übersieht auch eine sehr wichtige Wachstums- und Diversifikationsquelle. In zunehmend vernetzten globalen Märkten stellt dieses Ungleichgewicht ebenso viele verpasste Chancen dar, das Potenzial der Schwellenländer zu nutzen.
Anleger verfehlen das Ziel
Es herrscht ein gewisses Missverständnis rund um Schwellenländeranleihen, da sich viele Anleger auf kurzfristige Kursbewegungen oder Markt-Timing konzentrieren. Ihr wahrer Wert liegt jedoch in ihrer Eigenschaft als «Carry»-Anlageklasse. Im Gegensatz zu Aktien oder anderen volatilen Wertschriften werden die Renditen von Schwellenländeranleihen in erster Linie durch stetige Kuponerträge und nicht durch Kursschwankungen beeinflusst.
Historische Daten zeigen, dass in Hartwährung aufgelegte Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern langfristig ihre Renditen überwiegend über Kuponzahlungen liefern. Während die Preisvolatilität kurzfristig für Schlagzeilen sorgen mag, verblasst ihre Wirkung über einen mehrjährigen Horizont. Derweil summieren sich die konstanten Erträge aus Kupons im Laufe der Jahre still und leise und werden zum wichtigsten Treiber der Wertentwicklung.
Aus diesen Gründen sind EM-Anleihen besonders attraktiv für Anleger, die langfristig stabile Erträge anstreben, statt sich auf unvorhersehbare Kursbewegungen zu verlassen. So haben beispielsweise seit Anfang 2025 Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern Renditen von über 14 % erzielt, während jene in Hartwährung sowohl US-Staatspapiere als auch hochverzinsliche US–Anleihen übertroffen haben.
Entwickelte Märkte zeigen Ermüdungserscheinungen, Schwellenländer finden Anklang
Die entwickelten Märkte sind nicht mehr die Festungen der Finanzstabilität, als die sie einst galten. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür war im Mai 2025 zu beobachten, als Moody’s die Bonität der USA von Aaa auf Aa1 herabstufte und damit als letzte grosse Ratingagentur den USA ihren AAA-Status entzog. Die Gründe dafür lagen auf der Hand: eine explodierende Staatsverschuldung, steigende Zinskosten und eine anhaltende politische Pattsituation, die sinnvolle Finanzreformen blockierte. Solche Herausforderungen haben das Ansehen der entwickelten Märkte als zuverlässige Zufluchtsorte untergraben und ernsthafte Fragen hinsichtlich ihrer langfristigen finanziellen Stabilität aufgeworfen.
Im Gegensatz dazu weisen die Schwellenländer eine diszipliniertere Politik und somit eine widerstandsfähigere Entwicklung auf. Die durchschnittliche Bonität der Staaten hat sich wieder auf ein niedriges Investment-Grade-Niveau (BBB-) erhöht, was auf die verbesserte Finanzpolitik und stärkere Bilanz vieler Länder zurückzuführen ist. Hochverzinsliche Anleihen und strengere globale Finanzierungsbedingungen haben diese Regierungen zu einer vorsichtigeren Politik gezwungen. So wurden Defizite abgebaut und die Aussenhandelsbilanz verbessert.
Die Resultate sind beeindruckend. Nach Angaben des IWF wird die aggregierte Leistungsbilanz der Schwellenländer im Jahr 2025 voraussichtlich einen nahezu ausgeglichenen Wert von +0,3% ihres BIP erreichen, während die USA ein Defizit von -3,7% aufweisen. Zudem fällt die Schuldenquote der Schwellenländer mit rund 60% um 50% niedriger aus als jene der USA mit etwa 123%. Diese Divergenz unterstreicht einen generellen Trend: Während die Industrieländer mit steigendem finanzpolitischem Druck zu kämpfen haben, werden die Schwellenländer zunehmend als Vorbild für finanzpolitische Disziplin und wirtschaftliche Chancen anerkannt.
Die stille Kraft der Schwellenländer
Diese Umwandlung ist nicht unbemerkt geblieben. Nach Jahren mässigen Interesses wendet sich das Blatt, und es fliesst wieder mehr Kapital in diese Anlageklasse. Sie gilt zunehmend als strategisches Instrument, um US-zentrierte Portfolios zu diversifizieren und höhere Renditen zu erzielen.
Laut Bank of America Merrill Lynch und EPFR Global verzeichneten externe und lokale Schwellenländer-Anleihenfonds im Jahr 2025 in 28 der ersten 34 Wochen positive Zuflüsse, während sich die seit Anfang Jahr getätigten Investitionen auf insgesamt 10 Milliarden US-Dollar beziffern. Dieses neu erwachte Interesse unterstreicht die wachsende Anerkennung von EM-Anleihen als attraktive Chance für Anleger, die sowohl Diversifizierung als auch langfristiges Wachstum in einem sich wandelnden globalen Umfeld anstreben.
Angesichts der fortlaufenden Verschiebung des globalen gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, hat diese Anlageklasse ihr Nischendasein hinter sich gelassen. Anleger, die ihr Potenzial heute nutzen, dürften in den nächsten Jahren von diversifizierten und stabilen Erträgen profitieren. (UBP/mc)