Mehr als 10’000 Hotels klagen gegen Booking.com

Rom / Berlin / Brüssel – Europas Hotellerie geht gegen Booking.com vor Gericht. Mehr als 10’000 Hotels beteiligen sich an einer Sammelklage gegen das Reiseportal, um Schadenersatz für jahrelang erzwungene Preisbindungen zu fordern. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Herbst 2024.
Demnach sind sogenannte Bestpreisklauseln kartellrechtswidrig. Diese Klauseln hatten verhindert, dass Hotels ihre Zimmer abseits der Plattform – etwa auf der eigenen Website – günstiger anbieten durften. Ziel war es, sogenannte Trittbrettbuchungen zu unterbinden. Die EuGH-Richter urteilten jedoch, dass Plattformen wie Booking.com auch ohne solche Vorgaben wirtschaftlich bestehen können. Für Reisende machte es wenig Unterschied: Die Online-Plattform hatte die Klauseln im Europäischen Wirtschaftsraum wegen des EU-Digitalgesetzes Digital Markets Act (DMA) 2024 abgeschafft.
Booking.com bestreitet die Kartellrechtswidrigkeit. In einer Stellungnahme heisst es: «Das von Hortec und anderen Hotelverbänden zur Begründung einer möglichen Sammelklage herangezogene Urteil des EuGH kam nicht zu dem Schluss, dass die Preisparitätsklauseln von Booking.com wettbewerbswidrig waren. Wenn Hotrec etwas anderes suggeriert, ist dies irreführend, da der EuGH nicht festgestellt (oder auch nur geprüft) hat, ob die Preisparitätsklauseln von Booking.com tatsächlich wettbewerbswidrige Auswirkungen hatten oder überhaupt Auswirkungen auf den Wettbewerb hatten. Der EuGH wurde vom Amsterdamer Bezirksgericht gebeten, zu klären, ob Paritätsklauseln im Allgemeinen in den Anwendungsbereich des EU-Wettbewerbsrechts fallen. Der EuGH hat bestätigt, dass diese Art von Klauseln grundsätzlich unter das EU-Wettbewerbsrecht fallen – aber entscheidend ist, dass er die Auswirkungen der spezifischen Klauseln von Booking.com nicht bewertet hat und dass das Gericht keine Feststellung über wettbewerbsfördernde oder wettbewerbswidrige Auswirkungen der Preisparitätsklauseln von Booking.com getroffen hat. Stattdessen stellte er klar, dass solche Bewertungen von Einzelfall zu Einzelfall vorgenommen werden müssen, in diesem Fall durch das Amsterdamer Gericht. Dieses Urteil ebnet also nicht den Weg für Schadenersatzansprüche, und wir werden weiterhin vor Gericht – falls dies erforderlich sein sollte – unsere Position darlegen, dass Paritätsklauseln keine wettbewerbswidrige Wirkung hatten.»
Schadenersatz für zwei Jahrzehnte Einschränkung
«Europäische Hoteliers haben lange unter unfairen Bedingungen und überhöhten Kosten gelitten», sagt der Präsident der europäischen Hotelallianz Hotrec, Alexandros Vassilikos. Die Sammelklage sende somit eine klare Botschaft: «Missbräuchliche Praktiken im digitalen Markt werden von der Hotellerie in Europa nicht hingenommen.» Ziel ist es, Schadenersatz für den Zeitraum von 2004 bis 2024 zu erhalten.
Die Klage wird vor einem niederländischen Gericht verhandelt – der Hauptsitz des Reiseportals ist in Amsterdam – und von der Hotel Claims Alliance koordiniert. Unterstützt wird sie vom Hotrec und mehr als 30 nationalen Hotelverbänden, darunter auch der Hotelverband Deutschland (IHA). «Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam aufzutreten und Wiedergutmachung zu fordern», sagt Alessandro Nucara, Generaldirektor des italienischen Verbands Federalberghi.
«Die Sammelklage erfährt einen überwältigenden Zuspruch», sagt IHA-Hauptgeschäftsführer Markus Luthe. Wegen der grossen Resonanz wurde die Anmeldefrist bis zum 29. August verlängert.
Hassliebe-Beziehung
Trotz Kritik bleibt Booking.com für viele Hotels unverzichtbar. Über die Plattform erreichen sie eine grosse Zahl potenzieller Gäste. Laut einer Studie von Hotrec und der Fachhochschule Westschweiz Wallis lag der Marktanteil des Mutterkonzerns Booking Holdings bei Online-Reiseplattformen im Jahr 2023 europaweit bei 71 Prozent – in Deutschland sogar bei 72,3 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der Direktbuchungen in Deutschland zwischen 2013 und 2023 um gut acht Prozent gesunken. (awp/mc/ps)