Adrian Bührer, Managing Partner Übermorgen Ventures, im Interview

Adrian Bührer, Managing Partner Übermorgen Ventures, im Interview
Adrian Bührer, Managing Partner Übermorgen Ventures. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Bührer, der Klimawandel ist das grösste und wichtigste Thema unserer Zeit. Das Timing von Übermorgen Ventures könnte also besser nicht sein. Wann entstand die Idee dazu?

Adrian Bührer: Die Überzeugung etwas zu tun, entstand bei jedem der vier Partner individuell. Bei mir ist der Groschen irgendwann im Sommer 2017 runtergefallen. Ich schrieb für meinen Firmenblog einen längeren Artikel zum Thema und seither hat es mich nicht mehr losgelassen. 2018, während eines sechsmonatigen Sabbaticals, setzte sich dann bei mir der Gedanke definitiv durch, dass ich etwas machen will, ja machen muss! Gottlob fand ich mit Elena, Myke und Alex Mitstreiter, die zu einem ganz ähnlichen Schluss gelangt sind.

Ich bin auch Gründungsmitglied des Vereins Klimaschutz Schweiz, welcher die Gletscherinitiative lancierte. Es ist für mich das erste Mal, dass ich mich für ein gesellschaftliches Thema derart einsetze. Aber hier gilt es keine Zeit mehr zu verlieren und leider hat die Politik noch nicht mal ansatzweise die Dimension des Problems begriffen.

Übermorgen Ventures will in Startups investieren, die dazu beitragen, dass jährlich 1 Million Tonnen CO2 reduziert werden können. In welcher Phase sollen sich diese Jungunternehmen befinden?

Wir sind ein Frühphasen-Investor, das heisst, wir steigen in der frühesten Phase des Unternehmens ein (Preseed, Seed, Series A), weil wir hier auch den grössten Impact für die unterstützten Startups bieten können: Finanzierung, Legal, Marketing, Distribution, Netzwerk – hier bieten wir als ehemalige Gründer mit reichhaltiger praktischer Erfahrung einen einmaligen Mehrwert.

In welchen Bereichen sehen Sie die grössten Chancen, im «Übermorgen-Zeithorizont» Geschäftsideen in Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die der Zielsetzung des Fonds entsprechen?

Wir fokussieren uns auf drei Teilbereiche: Food & Agritech, Clean Energy & Transport, Materials. Hier sehen wir die grösste Chancen, mit Innovation und Unternehmergeist echte Durchbrüche zu erzielen. Es gibt in diesen Bereichen ein riesiges ökonomisches Marktpotenzial und den grössten ökologischen Impact.

«Finanzierung, Legal, Marketing, Distribution, Netzwerk – hier bieten wir als ehemalige Gründer mit reichhaltiger praktischer Erfahrung einen einmaligen Mehrwert.»
Adrian Bührer, Managing Partner Übermorgen Ventures

Welche Bedeutung haben «grüne», nachhaltig agierende Jungunternehmen in der heutigen Schweizer Startup-Szene?

Die Bedeutung steigt stetig. Mit jeder Regulierung wird der Druck nach neuen, klimaschonenden Produkten und Dienstleistungen grösser werden. Zudem zieht es auch immer mehr Talente in diesen Bereich – seien es Wissenschaftler, Gründer oder Mitarbeiter – wir kriegen Blindbewerbungen von hochqualifizierten Personen, welche auch anpacken wollen, die nicht nur Teil des Problems, sondern vor allem Teil der Lösung sein wollen.

Wie unterscheiden sich diese Startups von anderen? Wie stark ist ihr Streben, mit ihrem Unternehmen auch eine gesellschaftliche Wirkung zu erzielen?

Ich glaube dieses Streben ist sehr stark und sehr echt. “Purpose” ist glücklicherweise mehr als nur ein Corporate Communication-Feigenblatt geworden. Sinnhaftigkeit lockt Talente, fördert Ideen und bringt Menschen zusammen, welche mehr wollen als Arbeit gegen Geld eintauschen. Gerade die Startup-Welt bietet eine optimale Chance, positiven gesellschaftlichen Wandel mit Innovation und Unternehmergeist zu verbinden und im besten Fall auch noch reich damit zu werden. Gerade der Glaube daran, dass nur ökologisch nachhaltig ist, was auch ökologisch erfolgreich ist, unterscheidet uns klar vom philanthropischen Ansatz.

Welches sind für Sie Beispiele für nachhaltige, erfolgreiche Innovationen?

Die Solarzelle, das Windrad, der Tesla, der Beyond Meat Burger – you name it. Oft kommt etwas Gescheites heraus, wenn kluge Menschen mit genug Kapital ausgestattet, sich einem Thema annehmen. Würde man so viel Zeit und Geld in Innovation im Klimawandel investieren, wie z.B. für die Entwicklung des Verbrennungsmotors investiert wurde, hätten wir sehr bald sensationelle Durchbrüche in allen Feldern.

» Ich glaube die Menschen sind relativ gut darin, ihre eigene Zerstörung zu verhindern. Die Einsicht, dass es wirklich ein gravierendes, globales Problem ist, setzt sich ja langsam erst durch.»

Als treibende Motivation von Übermorgen Ventures geben Sie an, dass die Gesellschaft es schaffen kann und wird, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden. Die politischen (Nicht)-Entscheidungen geben aber wenig Anlass zu Optimismus. Wo nehmen Sie Ihren her?

Ich glaube die Menschen sind relativ gut darin, ihre eigene Zerstörung zu verhindern. Die Einsicht, dass es wirklich ein gravierendes, globales Problem ist, setzt sich ja langsam erst durch. Selbst ich habe mir noch vor 3-4 Jahren kaum Gedanken über meinen Fleischkonsum oder meine Fluggewohnheiten gemacht. Aber die Katastrophen kommen und mit ihnen die Einsicht, dass wir uns mit der Erde arrangieren müssen, sie pflegen, gärtnern und auskommen mit dem, was sie uns hergibt an Ressourcen. Und die Politiker werden den Wählern folgen.

Sie und die Mitgründer rechnen mit Änderungen der politischen Rahmenbedingungen. Die Mühlen der Politik mahlen aber sehr langsam…

Ein bisschen enttäuscht bin ich schon von der Politik. Eigentlich wählen wir die Politiker, dass sie unser Zusammenleben so strukturieren, dass wir friedlich, sicher und prosperierend in die Zukunft schauen können. Dass sie Regeln schaffen, welche dies für alle Bürger sicherstellen. Beim Klimawandel versagen die meisten Politiker nun kläglich. Gerade hier, wo der Markt versagt, weil die Kosten des Klimawandels externalisiert werden, gerade hier wäre eben die Politik gefragt, um eine klare Leitlinie vorzugeben. Auch um für Unternehmen und Individuen Planungssicherheit herzustellen, damit richtige Investitionsentscheide gefällt werden können. Wenn ich jetzt darüber entscheiden muss, meine Ölheizung zu renovieren oder in eine neue Erdwärmesonden-Heizung zu investieren, so würde ich gerne wissen, was der Liter Öl in 5, 10 oder 20 Jahren kostet.

«Wie Übermorgen Ventures könnte ja auch die Schweiz den Klimawandel als Chance für die Wirtschaft verstehen. Als Umsatzpotential, statt nur als Kostenblock.»

Es braucht also eine umfassende CO2-Lenkungsabgabe, welche bis 2050 nachvollziehbar ansteigt und zwar so, dass wir auf dem in Paris verabschiedeten Emissions-Absenkungspfad bleiben. Die Einnahmen könnten an die Bevölkerung zurückverteilt werden. Das Instrument haben wir eigentlich bereits seit 2008, nur ist es voller Ausnahmen und wird nicht konsequent genutzt. Hier würde ich von der Politik schon erwarten, dass sie reinen Wein einschenkt und eine klare Leitlinie vorgibt, wie wir das Problem anpacken wollen. Ich glaube die Bevölkerung ist hier weiter als man denkt.

Und wie Übermorgen Ventures könnte ja auch die Schweiz den Klimawandel als Chance für die Wirtschaft verstehen. Als Umsatzpotential, statt nur als Kostenblock. Die Schweiz könnte mit ihren hervorragenden Hochschulen, ihrem hohen Innovationsgrad und den hochspezialisierten High-Tech Unternehmen eine globale Vorreiterrolle einnehmen um die Produkte und Dienstleistungen für Übermorgen zu entwickeln.

20 Millionen Franken wurden Übermorgen Ventures bereits zugesichert, 50 Millionen sollen es werden. Wie präsentiert sich der Zeitplan?

Wir hoffen ein erstes Closing in den kommenden Monaten machen zu können. Zudem sind wir mit einem institutionellen Investor in Kontakt, welcher bei positivem Entscheid seines Investment Committee sämtliche Investments verdoppeln würde. Wir sind aber aktiv auf der Suche nach solventen Investoren, welche wie wir daran glauben, dass man jetzt entschieden investieren muss um später durchaus auch die Früchte ernten zu können. Jetzt braucht es unternehmerischen Mut, Innovationen und natürlich Kapital, welches in die Firmen fliesst, welche wirklich Impact erzeugen können.

Und wie sieht der geographische Fokus von Übermorgen Ventures aus?

Wir sind offen für Startups aus allen Weltregionen, setzen aber einen klaren Fokus auf Europa und DACH, denn hier ist unser Netzwerk am stärksten.

Sie und die Mitgründer haben das Schweizer Startup-Ökosystem wesentlich mitgeprägt. Welches sind bei Übermorgen Ventures Ihre Hauptaufgaben?

Schlussendlich haben alle vier Gründer die gleiche Aufgabe: Gute Investments zu finden und diesen helfen ihr maximales Potential zu entfalten. So ist der Fonds erfolgreich und so haben wir den grössten Impact. Daneben hat Myke Näf einen Fokus auf Dealflow und Elena Walder auf juristische Themen. Alexander Langguth vertieft die technische Expertise und leitet das Expertenpanel und ich bin für Investoren und Kommunikation zuständig. Wir helfen einander aber gegenseitig und stehen, wie gesagt, zusammen für das Ganze ein.

Herr Bührer, besten Dank für das Interview.

One thought on “Adrian Bührer, Managing Partner Übermorgen Ventures, im Interview

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert