Andreas Hug, Mitbesitzer und VRP HUG Familie, im Interview

von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Hug, das Unternehmen HUG Familie hat sich stark der Nachhaltigkeit verschrieben. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie persönlich?
Andreas Hug: Ich verstehe Nachhaltigkeit ganzheitlich als Dreiklang, der wirtschaftliche, soziale und Umweltaspekte verbindet. Es ist mir persönlich wichtig, dass unser HUG Familien-Versprechen «natürlich und ehrlich» das Fundament für unser unternehmerisches Handeln bildet und wir uns laufend verbessern und unsere Nachhaltigkeitskultur stärken.
Welche Rolle spielt diese in der Tradition des Unternehmens?
Nachhaltigkeit hat in unserem Unternehmen eine lange Tradition. Bereits in den 1980er-Jahren erkannten wir, dass bestimmte Fragen rund um Rohstoffe unsere Konsumentinnen und Konsumenten beschäftigen. Um ihnen Sicherheit zu geben, haben wir damals unsere eigene Rohstoff-Charta entwickelt. Ebenfalls schon früh haben uns die Themen «Verpackungen» und «Energie» beschäftigt. So haben wir für unseren Biscuits bereits in den 1990er-Jahren wo immer möglich die ökologischere Beutel-Variante gewählt. Später kam dann auch die Materialwahl mehr in den Fokus, wobei wir einerseits eine Materialreduktion und anderseits eine möglichst gute Recyclierbarkeit anstreben. Beim Thema Energie streben wir stets eine Verbesserung der Energieeffizienz an und installieren auf unserem Areal immer mehr Photovoltaikanlagen.
Wie haben Sie die Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie und den langfristigen Zielen verankert?
Nachhaltigkeit ist bei uns nicht nur ein aktuelles Thema, sondern fester Bestandteil unserer rollenden Mittelfriststrategie, die bis 2027 läuft. Im Bereich Umwelt verfolgen wir konkrete Ziele in den Handlungsfeldern Energie & Klima, Roh- und Packstoffe. Gleichzeitig möchten wir unsere Mitarbeitenden dazu inspirieren, ihr Verhalten noch nachhaltiger zu gestalten. Dabei setzen wir bewusst nicht auf kurzfristige Trends, sondern entwickeln unsere wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit mit einem langfristigen Horizont konsequent weiter.
«Wir setzen bewusst nicht auf kurzfristige Trends, sondern entwickeln unsere wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit mit einem langfristigen Horizont konsequent weiter.»
Andreas Hug, Mitbesitzer und VRP HUG Familie
Nachhaltige Beschaffung ist ein zentrales Thema. Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Rohstoffe aus?
Unsere Richtschnur ist die erwähnte HUG Rohstoff-Charta (siehe Rohstoffe – HUG Familie), die wir freiwillig entwickelt haben und die für alle unsere Marken als verbindliche Mindestanforderung gilt. Sie spiegelt zugleich die Erwartungen unserer Anspruchsgruppen an unsere Produkte wider. Für unsere Rohstoffbeschaffung ist die Einhaltung dieser Charta verpflichtend. Seit 2017 setzen wir zudem in unseren eigenen Produktionsbetrieben die «Swissness»-Verordnung zur Verwendung schweizerischer Herkunftsangaben für Lebensmittel konsequent um.
Welche Massnahmen zur Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien haben Sie ergriffen, insbesondere in der Produktionsinfrastruktur?
Wir investieren gezielt in effiziente Produktionsanlagen und setzen dabei konsequent auf Energieeinsparungen. So achten wir bereits bei der Beschaffung von Kälteanlagen oder Druckluftkompressoren auf höchste Effizienz. 2024 konnten wir dadurch über 200 MWh einsparen – das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von rund 40 Vier-Personen-Haushalten. Die Einsparungen resultierten unter anderem aus der Behebung von Druckluftleckagen, der Entlastung unserer Kälteversorgung sowie dem Einsatz von Energiesparfiltern in Lüftungen. Weitere Optimierungen sind die Klimatisierung unserer Gebäude mit Grundwasser, die Beheizung durch Abwärme aus den Produktionsanlagen sowie die Nutzung der Abwärme von Druckluftkompressoren zur Warmwassererzeugung.
Heute stammen rund 80 Prozent unseres Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen. Hauptsächlich nutzen wir Strom aus Wasserkraft, ergänzt durch Solarenergie und ein Freecooling-System für die Kühlung am Standort Malters. Für den Betrieb von fünf Backöfen nutzen wir aktuell noch Propangas. Unser Ziel ist es, auch diesen Bereich mittelfristig vollständig fossilfrei zu gestalten.
Sie haben die Verpackungslösungen angesprochen. Welche nachhaltigen Verpackungslösungen setzen Sie heute ein?
Wir verfolgen das Ziel, Verpackungen spürbar zu reduzieren. So wollen wir das Gewicht unserer Kunststoff-Gebäckträger bis 2027 um 30 Prozent senken. Erste Schritte haben wir bereits 2024 gemacht: Allein beim Wernli Choco Petit-Beurre konnten wir 5 Tonnen Kunststoff einsparen. Diese Massnahme weiten wir nun schrittweise auf das gesamte Wernli-Sortiment aus und rechnen damit, bis Ende 2026 die Einsparung zu verdoppeln – das entspricht rund 14 Prozent weniger Verpackung. Für die Zielerreichung braucht es jedoch weitere Initiativen, die wir derzeit prüfen. Dabei gilt: Optimierungen sind nur tragfähig, wenn unser hoher Qualitätsstandard unangetastet bleibt.
«Wir verfolgen das Ziel, Verpackungen spürbar zu reduzieren. So wollen wir das Gewicht unserer Kunststoff-Gebäckträger bis 2027 um 30 Prozent senken.»
Parallel fördern wir die Kreislaufwirtschaft, indem wir auf recyclingfähige Materialien setzen und den Einsatz von Rezyklat vorantreiben. Dieses Ziel können wir nicht allein erreichen. Darum sind wir Gründungsmitglied von RecyPac, einer freiwilligen Branchenorganisation für die Kreislaufwirtschaft von Plastikverpackungen und Getränkekartons. Unsere Vision: Sobald genügend Kunststoff über das RecyBag-System gesammelt und aufbereitet wird, wollen wir lebensmitteltaugliches Recyclingplastik daraus für unsere Gebäckträger einsetzen.
Wie können Sie darauf Einfluss nehmen, dass Lebensmittelabfälle vermieden und unverkäufliche Waren verwertet werden?
Wir engagieren uns auf zwei Ebenen, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden und unverkäufliche Waren sinnvoll zu verwerten. Erstens durch Unterstützung der Konsumentinnen und Konsumenten: Gemeinsam mit «Too Good To Go» setzen wir auf Aufklärung gegen Food Waste. Viele Produkte von Wernli, HUG und DAR-VIDA tragen den Hinweis «Oft länger gut». Er macht darauf aufmerksam, dass unsere Gebäcke auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums häufig noch geniessbar sind – ein kurzer Sinnes-Check genügt: schauen, riechen, probieren, geniessen.
Zweitens übernehmen wir Verantwortung in der Produktion: Wir vermeiden Abfälle durch optimierte Prozesse und Schulungen. Unverwertbare Reste führen wir einem Schweizer Verarbeiter zur Tierfutterproduktion zu. Unser Ansatz folgt den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft: Produktionsnebenströme, Rework und alternative Absatzwege wie Fabrikläden, Rampenverkäufe oder Spenden halten Rohstoffe im Kreislauf und schonen Ressourcen.
Hygiene, Lebensmittelsicherheit, Arbeitssicherheit und Rückverfolgbarkeit bleiben dabei unverrückbare Grundpfeiler. Mit unserem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) sichern wir Qualität, steigern die Produktivität und entlasten zugleich die Umwelt.
Neu ist HUG Teil der Science Based Targets Initiative (SBTi). Was ermöglicht Ihnen dieser Schritt, und zu was verpflichtet er das Unternehmen?
Mit dem Beitritt zur Science Based Targets Initiative verpflichten wir uns, unseren CO₂-Fussabdruck im Einklang mit wissenschaftlich fundierten Klimazielen zu senken. Das gibt uns Orientierung und fordert uns zugleich, wirksame Massnahmen zu entwickeln und konsequent umzusetzen. In den Scopes 1 und 2 sind die mit Propangas betriebenen Backöfen unsere grössten Emissionsquellen – hier arbeiten wir auf Basis einer PINCH-Analyse und einer Dekarbonisierungsstrategie an Lösungen. Auch Geschäfts- und Pendlerfahrten sowie ein weiterer Ausbau erneuerbarer Energien stehen im Fokus.
Die weitaus grössten Emissionen entstehen jedoch im Scope 3 durch Rohstoffe, vor allem Kakao. Hier können Fortschritte nur gemeinsam mit unseren Lieferanten erzielt werden – etwa durch nachhaltigere Anbaupraktiken, Biodiversitätsförderung oder Projekte wie das DAR-VIDA Weizenschrot-Projekt. Hinzu kommen Massnahmen zur Verpackungsreduktion und Kreislaufwirtschaft. Kurz: SBTi verlangt von uns verbindliche Klimaziele und gibt uns den Rahmen, mit konkreten Schritten Verantwortung zu übernehmen – innerhalb wie auch entlang unserer Lieferkette.
«SBTi verlangt von uns verbindliche Klimaziele und gibt uns den Rahmen, mit konkreten Schritten Verantwortung zu übernehmen – innerhalb wie auch entlang unserer Lieferkette.»
HUG ist ein sehr familiäres Unternehmen. Wie äussert sich das für die Mitarbeitenden?
Wir, die Familie Hug in der vierten und fünften Generation, sind aktiv im operativen Firmengeschäft tätig und dadurch nahe bei den Mitarbeitenden. Wir pflegen flache Hierarchiestufen und eine ausgeprägte «Du-Kultur». Das schafft Nähe. Und das prägt auch unsere spezielle Firmenkultur, die auf den Pfeilern Herzlich, Unternehmerisch und Gewissenhaft aufgebaut ist – HUG eben.
Wie sind die Mitarbeitenden selbst in die Nachhaltigkeitsstrategie eingebunden?
Unsere Mitarbeitenden sind auf verschiedene Weise eingebunden. So arbeiten alle in einer der über 30 KVP-Gruppen mit, die sich alle zwei Wochen treffen. Dort können sie Vorschläge zur Prozessoptimierung, zur Reduktion von Verschwendung oder zu Umweltthemen einbringen. Darüber hinaus haben wir in der laufenden Mittelfristperiode ein abteilungsübergreifendes Nachhaltigkeitsteam gegründet. Dieses trifft sich regelmässig, verfolgt die Zielerreichung und entwickelt zusätzliche Massnahmen.
Wie messen Sie den Erfolg all der genannten Nachhaltigkeitsmassnahmen?
Nicht alle Erfolge lassen sich in Zahlen messen. Unsere Energieeffizienz erfassen wir über das jährliche Reporting der EnAW, und unser CO₂-Fussabdruck wird ebenfalls jährlich von einem externen Partner berechnet. Schwieriger zu quantifizieren sind hingegen die Nachhaltigkeitskultur und die Sensibilisierung unserer Mitarbeitenden. Zwar lässt sich die Anzahl Schulungen erfassen, entscheidend ist jedoch, dass sich das Verhalten im Umgang mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen kontinuierlich weiterentwickelt. Dieser Prozess braucht Geduld und bedarf stetiger «Pflege».
Wo stellen sich bei der Umsetzung der umfassenden Nachhaltigkeitsziele die grössten Herausforderungen?
Die Herausforderungen sind mannigfach. Sie liegen einerseits im Bereitstellen der nötigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Andererseits machen uns die sich verändernden politischen Rahmenbedingungen im In- und Ausland zu Nachhaltigkeits- und Klimaberichterstattung, Anteil Recyclingmaterial in Verpackungen etc. Sorgen. Dabei geht es vor allem darum, dass es einen grösseren Verwaltungs- und Berichtsapparat zur Erfüllung all dieser Anforderungen braucht, was Ressourcen für die Umsetzung von effektiven Verbesserungen in Umweltthemen behindert.