Jean-Claude Clémençon, CEO Galenica, im Interview

Jean-Claude Clémençon, CEO Galenica, im Interview
Jean-Claude Clémençon, scheidender Galenica-CEO. (Foto: Galenica)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Clémencon, Galenica hat im ersten Halbjahr den Umsatz um 2,2%, das Betriebsergebnis EBIT um 8,3% und den Reingewinn um 7,3% gesteigert. Gibt es aus Ihrer Sicht überhaupt etwas, was das Resultat trübt?

Jean-Claude Clémençon: Wir haben ein starkes erstes Halbjahr hinter uns. Alle Geschäftsbereiche haben zum guten Resultat beigetragen, darauf dürfen wir stolz sein. Ausschlaggebend waren unter anderem erfolgreiche Expansions-Aktivitäten im Geschäftsbereich Retail. Allerdings haben wir gerade bei Retail ohne Expansion die Preissenkungen bei den Medikamenten nicht kompensieren können. Das ist eine der grössten Herausforderungen. Nebst Expansion und Innovation treiben wir deshalb auch auf unserer dritten strategischen Entwicklungsachse Effizienz Massnahmen und Projekte voran, mit dem Ziel, die Preis- und Margensenkungen zu kompensieren und die Rentabilität zu verbessern.

Medikamenten-Preissenkungen haben den Umsatz mit 1,9% negativ beeinflusst. Wie ist es gelungen, die vom Bundesrat diktierten Preissenkungen wettzumachen?

Die Preissenkungsmassnahmen haben den Umsatz im Geschäftsbereich Retail mit 1.9% und im Geschäftsbereich Services mit 2.6% negativ beeinflusst. Dank grossen Anstrengungen konnte Retail die Preissenkungen auf vergleichbarer Basis fast kompensieren. Das Umsatzplus basiert auf der Expansion. Auch bei Services konnte das Umsatzplus insbesondere dank neuen Kunden realisiert werden.

«Die Expansionsmöglichkeiten in einem Markt mit 1’800 Apotheken sind nach wie vor attraktiv.»
Jean-Claude Clémençon, CEO Galenica

Das Segment Health&Beauty mit dem Retailbereich legte auch dank acht neuen Apotheken-Standorten am stärksten zu. Sie sind an weiteren Standorten interessiert – wie weit soll die Expansion gehen?

Die Expansionsmöglichkeiten in einem Markt mit 1’800 Apotheken sind nach wie vor attraktiv. Wir haben das Ziel, jährlich 5 bis 15 neue Standorte zu akquirieren oder neu zu eröffnen. Gleichzeitig optimieren wir das Apothekennetz laufend, das heisst, wir schliessen Standorte oder legen Apotheken zusammen.

Wie stark wird das steigende Angebot von Dienstleistungen wie zum Beispiel Impfen oder Gesundheitschecks in Apotheken in Anspruch genommen?

Die Kunden schätzen diese Angebote und die Nachfrage steigt stetig. Mit ein Grund, diese Dienstleistungen bei der Apotheke zu beziehen, ist sicher auch der einfache Zugang an zentralen Lagen, was insbesondere auch Berufstätigen sehr entgegenkommt.

Stimmt der Eindruck, dass das Apothekengeschäft weniger vom Onlinehandel konkurrenziert wird als andere Detailhandelsbranchen?

Für uns stellt sich viel mehr die Frage, was der Kunde wann, wo und wie bestellen respektive kaufen möchte. Welche neuen Trends und Bedürfnisse nachhaltig sein werden und welche Lösungen wir als Dienstleister im Gesundheitswesen bieten. Fragen rund um die Gesundheit sind eng verbunden mit Vertrauen und persönlicher Beratung. Deshalb entwickeln wir unsere drei Vertriebskanäle konsequent weiter: Zum einen die Apotheke, in der sich der Kunden persönlich beraten lassen kann. Hier ist der zwischenmenschliche Kontakt zentral und entsprechend auch die Beratungs-Kompetenz, die Freundlichkeit und die Hilfsbereitschaft der Mitarbeitenden.

Zum zweiten die Web-Shops, über die die Kunden ihre Bestellung nach Hause liefern lassen können oder sie mit Click & Collect direkt in der Apotheke abholen. Und drittens die Betreuung zu Hause mit unseren Home-Care-Dienstleistungen von Mediservice, Curarex und Bichsel. Wir liefern den Patienten die Medikamente direkt nach Hause und bieten Betreuung vor Ort mit speziell ausgebildeten Fachkräften.

«Die Online-Umsätze entsprechen mittlerweile einer grösseren Apotheke und entwickeln sich weiter.»

Welches Fazit ziehen Sie zur Jahresmitte hinsichtlich der eigenen Online-Aktivitäten von Galenica?

Wir konnten die Online-Sichtbarkeit unserer E-Shops stark verbessern, ein zentrales Element, dass wir im Internet überhaupt gefunden werden. Die stetig steigenden Umsätze belegen dies. Wir bieten aktuell über 40‘000 Artikel online an und wir vergrössern das Angebot täglich. Die Online-Umsätze entsprechen mittlerweile einer grösseren Apotheke und entwickeln sich weiter.

Eine Liberalisierung des Medikamentenversands würde Galenica wie auch anderen Anbietern neue Perspektiven im Online-Geschäft eröffnen. Wie realistisch ist es, dass es dazu kommt?

Zu Recht räumt der Gesetzgeber in dieser Frage der Patientensicherheit eine hohe Priorität ein. Unter Beachtung der Patientensicherheit muss eine Liberalisierung des Medikamentenversandhandels zum Ziel haben, den Kunden einen effektiven Mehrwert zu bieten. Ansonsten werden sie das Angebot nicht nutzen, und es wird entsprechend auch nicht attraktiv für mögliche Anbieter sein. Wir bereiten uns schon heute auf eine mögliche Liberalisierung vor.

Der kleinere Bereich Products&Brands steigerte den Nettoumsatz um 11%, im Schweizer Markt sogar um 13,6%. Welche Pläne verfolgen Sie beim Ausbau des Produktportfolios, das bekannte Brands wie Anti-Brumm, Perskindol, Algifor oder seit 2017 auch Merfen umfasst?

Die eigenen Marken von Verfora entwickeln wir kontinuierlich weiter, zum einen mit Innovationen, wie zum Beispiel der neuen eigenen Dermokosmetik-Marke Dermafora, und dem Ausbau der bestehenden Produktelinien, wie zum Beispiel Anti-Brumm Kids. Gleichzeitig nutzen wir Opportunitäten, Marken zu kaufen, die in unser Produkteportfolio passen. Die dritte Achse ist der Vertrieb von Lizenzmarken, jüngstes Beispiel ist der Ausbau der Partnerschaft mit Procter & Gamble. Auch in diesem Bereich wollen wir unsere Position als attraktiver Partner von nationalen und internationalen Unternehmen weiter stärken und ausbauen. Und schliesslich wollen wir mit unserem starken Produkteportfolio den gesamten Gesundheits-Fachhandel in der Schweiz stärken.

«Die eigenen Marken von Verfora entwickeln wir kontinuierlich weiter, zum einen mit Innovationen, wie zum Beispiel der neuen eigenen Dermokosmetik-Marke Dermafora, und dem Ausbau der bestehenden Produktelinien, wie zum Beispiel Anti-Brumm Kids.»

Was kennzeichnete das Geschäft im Segment Services, das einen 1,3% höheren Umsatz auswies?

Das breite Sortiment, die hohe Verfügbarkeit der Produkte und die zuverlässige Lieferung sind massgebend für die Wahl unserer Logistik-Dienstleistungen. Das hat erneut Kunden überzeugt, die Logistik-Dienstleistungen bei uns zu beziehen. Auch die Beiträge von HCI Solutions und der kontinuierliche Ausbau von digitalen Dienstleistungen und Software-Modulen werden immer mehr im Markt aufgenommen und implementiert.

Im Juli wurde das Baugesuch für die Sanierung und Modernisierung des Galexis-Distributionszentrums in Lausanne-Ecublens genehmigt. Wie hoch sind die Investitionskosten und welcher Zeitplan besteht?

Wir investieren in den nächsten zwei Jahren rund 30 Millionen in die Modernisierung und in den Ausbau der Automatisierung in Ecublens. Ein wichtiges Projekt, die Effizienz im Logistikgeschäft zu erhöhen, um dem steigenden Druck der Preis- und Margensenkungen bei den Medikamenten standhalten zu können. Indem wir den Standort in Lausanne erhalten und modernisieren, leisten wir auch einen Beitrag zur landesweiten Verfügbarkeit von Medikamenten und damit zur Versorgungssicherheit der Patienten.

Herr Clémençon, besten Dank für das Interview.

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