Fajer Mushtaq, Mitgründerin & CEO von Oxyle, im Interview

Fajer Mushtaq, Mitgründerin & CEO von Oxyle, im Interview
Fajer Mushtaq, Mitgründerin & CEO von Oxyle. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Frau Mushtaq, in den letzten Jahren ist das Bewusstsein für die potenziellen Gesundheits- und Umweltauswirkungen von PFAS – den sogenannten «Ewigkeitschemikalien» – stark gestiegen. Könnten Sie eingangs kurz erklären, worum es sich bei PFAS eigentlich handelt?

Fajer Mushtaq: PFAS, also per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, sind eine Klasse von über 13.000 industriell hergestellten Chemikalien. Ihre besondere Eigenschaft ist die Kohlenstoff-Fluor-Bindung – die stärkste Bindung in der organischen Chemie. Diese macht PFAS extrem widerstandsfähig gegen Hitze, Wasser und Öl. Genau diese Beständigkeit führt dazu, dass sie sich in der Umwelt nicht abbauen – einmal freigesetzt, verbleiben sie dort für immer. Daher stammt auch der Begriff «Ewigkeitschemikalien».

In welchen Produkten werden PFAS am häufigsten eingesetzt?

PFAS sind heutzutage in zahllosen Alltags- und Industrieprodukten enthalten. Aufgrund ihrer abweisenden Eigenschaften gegenüber Fett, Wasser und Öl finden sie sich in Antihaftpfannen, wasserabweisender Kleidung, Lebensmittelverpackungen, Kosmetika, Feuerlöschschaum und sogar in der Halbleiterfertigung wieder. Ihre Anwendungsbreite ist enorm – was das Problem ihrer Verbreitung zusätzlich verschärft.

Was macht PFAS so gefährlich und welche gesundheitlichen Folgen können sie haben?

Die chemische Beständigkeit von PFAS sorgt dafür, dass sie sich über Wasser in der Umwelt verbreiten, sich in Lebewesen anreichern und kaum abgebaut werden. Selbst in sehr niedrigen Konzentrationen sind PFAS gesundheitlich bedenklich. Studien belegen Zusammenhänge mit einer Reihe schwerwiegender Gesundheitsprobleme – darunter Immunschwäche, hormonelle Störungen, Entwicklungsbeeinträchtigungen und bestimmte Krebsarten. Da sie sich im Körper anreichern, steigt das Risiko mit zunehmender Exposition.

Um zu verdeutlichen, wie gering die Konzentrationen sein können, bei denen bereits Gesundheitsrisiken bestehen: Die US-Umweltschutzbehörde EPA hat vorläufige Gesundheitsempfehlungen von 4 bzw. 20 Pikogramm pro Liter (für PFOA und PFOS im Trinkwasser vorgeschlagen. Da diese Konzentrationen analytisch kaum erfassbar sind, wurden verbindliche Grenzwerte bei 4 Nanogramm pro Liter festgelegt.

Oxyle hat eine Lösung entwickelt, die PFAS vollständig aus Wasser entfernt und in harmlose Mineralien umwandelt. Wie funktioniert diese Technologie?

Kein Abwasserstrom gleicht dem anderen. Die Zusammensetzung, die Konzentration der Schadstoffe, die Durchflussmenge und die Zielvorgaben unterscheiden sich je nach Standort. Deshalb entwickeln wir modulare, flexible Behandlungslösungen, die exakt auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten sind – mit einem besonderen Fokus auf schwer abbaubare kurz- und ultrakurzkettige PFAS. Unser Prozess umfasst die Aufkonzentrierung, die Zerstörung sowie eine kontinuierliche Echtzeitüberwachung – damit unsere Kunden ihre Wasserbehandlungsziele zuverlässig erreichen.

«Wir entwickeln modulare, flexible Behandlungslösungen, die exakt auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten sind – mit einem besonderen Fokus auf schwer abbaubare kurz- und ultrakurzkettige PFAS.»
Fajer Mushtaq, Mitgründerin & CEO von Oxyle

Was unterscheidet Ihre Technologie von bestehenden PFAS-Entfernungsverfahren wie Aktivkohle oder Ionenaustausch?

Der zentrale Unterschied liegt darin, dass wir PFAS nicht nur zurückhalten, sondern sie tatsächlich zersetzen. Hervorzuheben ist, dass wir eben auch die besonders mobilen und schwer zu entfernenden kurz- und ultrakurzkettigen PFAS eliminieren können, also jene Substanzen, die bei herkömmlichen Methoden oft durchrutschen und in der Umwelt verbleiben.

Wie energie- und wartungsintensiv ist der Betrieb Ihrer Technologie?

Der Energiebedarf hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa der Konzentration der Schadstoffe, der Wasserzusammensetzung, den Einleitgrenzwerten und dem zu behandelnden Volumen. Unsere Systeme sind so ausgelegt, dass sie mit minimalem Energieeinsatz maximale Wirkung erzielen.

Gibt es Einschränkungen bei besonders hartnäckigen oder neuartigen PFAS-Verbindungen?

Mit unseren eigens entwickelten Oxidations- und Reduktionsprozessen gelingt es uns, selbst die persistentesten und mobilsten PFAS, einschliesslich ultrakurzkettiger Verbindungen, zu zersetzen. Diese Fähigkeit hebt uns entscheidend von anderen Technologien ab.

«Mit unseren eigens entwickelten Oxidations- und Reduktionsprozessen gelingt es uns, selbst die persistentesten und mobilsten PFAS, einschliesslich ultrakurzkettiger Verbindungen, zu zersetzen.»

Wie skalierbar ist Ihre Lösung für grosse Wasserwerke oder industrielle Anwendungen?

Unsere Technologie ist von Grund auf modular und skalierbar konzipiert. Wir verfügen über ein flexibles Portfolio an Behandlungstechnologien, mit dem wir massgeschneiderte Lösungen für verschiedenste Anforderungen realisieren können. Unser Fokus liegt aktuell auf industriellen Anwendungen, also der Behandlung direkt an der Quelle, bevor PFAS in die Umwelt gelangen.

In anderen Verfahren erfordert die Überwachung des Reinigungsprozesses zeitaufwändige Laboranalysen. Wie ermöglicht Oxyle eine Echtzeitüberwachung?

Laboranalysen sind wichtig, aber langsam. Zwischen Probeentnahme und Ergebnis vergehen oft Tage bis Wochen, das kann zu ineffizientem Betrieb führen. Deshalb entwickeln wir ein System zur Echtzeitüberwachung, das mithilfe proprietärer Machine-Learning-Modelle und Sensordaten die Behandlungsleistung kontinuierlich überwacht und automatisch anpasst. So stellen wir sicher, dass nur so viel Energie eingesetzt wird wie nötig und alle Grenzwerte zuverlässig eingehalten werden.

Gegen Ende letzten Jahres hat Oxyle sein erstes vollständiges PFAS-Zerstörungssystem an einem kontaminierten Standort in Betrieb genommen. Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?

Diese Installation war für uns ein Meilenstein. Sie zeigte die erfolgreiche Integration aller Komponenten, von der Aufkonzentrierung über die Zerstörung bis hin zur Echtzeitüberwachung. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse fliessen direkt in die Weiterentwicklung und Skalierung unserer Systeme ein. Sie bestärken uns in unserer Mission, PFAS effektiv und dauerhaft aus der Umwelt zu entfernen.

Welche nächsten Schritte verfolgt Ihr Unternehmen?

2025 ist ein entscheidendes Jahr für unser Wachstum. Wir skalieren sowohl unser Team als auch unsere Technologie, um noch grössere PFAS-Herausforderungen zu lösen. Mit der Fokussierung auf die Behandlung von kurz- und ultrakurzkettigen PFAS adressieren wir einen Bereich, der bislang kaum beachtet wurde aber dringenden Handlungsbedarf hat.

«2025 ist ein entscheidendes Jahr für unser Wachstum. Wir skalieren sowohl unser Team als auch unsere Technologie, um noch grössere PFAS-Herausforderungen zu lösen.»

Wasserreinigung gilt als Ihr Kindheitstraum. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Ich bin in Delhi aufgewachsen – in einer Stadt, in der der Zugang zu sauberem Wasser keine Selbstverständlichkeit ist. Ich erinnere mich gut an die langen Warteschlangen in den Sommermonaten, wenn wir Wasser vom öffentlichen Versorgungsdienst abholen mussten. Diese Erfahrung hat mich tief geprägt. Als ich dann in Europa studierte und promovierte, wurde mir klar, wie oft wir sauberes Wasser als gegeben hinnehmen. Das hat mich motiviert, meine wissenschaftliche Laufbahn diesem Thema zu widmen. Wasser ist lebenswichtig und wenn ich heute durch unsere Arbeit dazu beitrage, verschmutztes Wasser zu reinigen, erfüllt das tatsächlich meinen Kindheitstraum.

Fajer Mushtaq bei LinkedIn
Oxyle

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert