Fernando Lehner, CEO BVZ Holding, im Interview

Fernando Lehner, CEO BVZ Holding, im Interview
Fernando Lehner, CEO BVZ Holding. (Foto: BVZ)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Lehner, die BVZ Holding hat den starken Geschäftsverlauf 2022 im ersten Halbjahr 2023 nahtlos fortgesetzt. Welches waren die Erfolgsfaktoren?

Fernando Lehner: Alle unsere vier Geschäftsfelder haben sich sehr erfreulich entwickelt: Bei den Bahnen sind die prognostizierten Auf- und Nachholeffekte bei den internationalen Gästen noch höher ausgefallen, als erwartet.

Wie sieht das im Detail aus?

Am Gornergrat liegen die Nah- und Fernmärkte – mit Ausnahme von Japan und Greater China – mittlerweile alle spürbar über dem Vorkrisenniveau. Besonders erfreulich sind die Gästezahlen aus den USA sowie aus den südostasiatischen Ländern. Dazu kommt die konstant hohe Inlandsnachfrage. Die Zahl der Reisenden ab Zermatt lag bei über 410’000 und damit fast 90’000 höher als in den ersten sechs Monaten 2022.

Ähnliches sehen wir im regionalen Personenverkehr der Matterhorn Gotthard Bahn (MGBahn). Allein die Erträge aus den Swiss Travel Pässen für ausländische Gäste sind im ersten Halbjahr sprunghaft um CHF 4.8 Mio. auf CHF 8.5 Mio. angestiegen. Zudem bewegt sich die schweizweite Anzahl der Generalabonnemente mit 450’000 auf einem sehr guten Niveau. Und die Halbtaxabonnements verzeichneten mit über 3 Millionen per Ende Juni 2023 gar ein Allzeithoch.

Die Beteiligungen am Parkhaus und Shuttle-Bahnhof Matterhorn Terminal Täsch und die Zermatt Bergbahnen konnten auch von der Rückkehr der Touristen profitieren. Die die Liegenschaften konnten sich zunehmend als stabiles und wichtiges Standbein neben den vorwiegend touristisch geprägten Geschäftsfeldern etablieren. Beim Wohn- und Geschäftshaus Andermatt Central treiben wir zusammen mit den Partnern Andermatt Swiss Alps und der Schmid Gruppe, aufgrund der hervorragenden Auslastung des 1. Teil, den Bau der 2. Etappe voran.

Wir profitieren vor allem von unseren einzigartigen Angeboten in der alpinen Bergwelt. Den Hauptverdienst tragen jedoch die Mitarbeitenden, die jeden Tag mit vollem Einsatz, hoher Flexibilität und unermüdlichen Engagement hinter unserem Unternehmen stehen.

«Wir waren immer zuversichtlich, dass wir von der Rückkehr der Reisenden überproportional profitieren können. Von den Dimensionen waren wir selbst ein wenig überrascht, im positiven Sinne.»
Fernando Lehner, CEO BVZ Holding

Hätten Sie den Anstieg der Anzahl Reisender aus dem Ausland in diesem Ausmass für möglich gehalten?

Die ganze Welt wartete auf den Moment, nach Corona wieder andere Länder besuchen zu können. Wir waren immer zuversichtlich, dass wir von der Rückkehr der Reisenden überproportional profitieren können. Von den Dimensionen waren wir selbst ein wenig überrascht, im positiven Sinne. Darüber freuen wir uns sehr müssen zugleich jedoch Mass halten – die Natur ist das wichtigste Gut, auf dem unsere Angebote aufbauen. Mit dem Gornergrat positionieren wir uns beispielsweise ganz bewusst als naturnaher Ausflugsberg. Die Position wollen wir festigen und ausbauen. Das bedeutet zugleich, dass wir den Berg nicht überfüllen wollen und den Gästen Angebote machen, sich am Berg verteilen zu können. Beste Beispiele hierfür sind die Begegnungen mit den Walliser Schwarznasenschafen bei «Meet the Sheep» oder der höchste Alpingarten Europas, der jetzt gerade seine Türen öffnet.

Hält sich das Wachstum bei Individualreisenden und Gruppenreisenden in etwa die Waage?

Bereits vor der Pandemie hat sich der allgemeine gesellschaftliche Trend nach mehr Individualität auch im Tourismus gezeigt. Immer mehr Gäste wollen ihre Reise eigenständig planen und flexibel bleiben. Diese Entwicklung hat sich durch und nach Corona sicher nochmals verstärkt. Wie so vieles haben beide Segmente ihre Vor- und Nachteile: Bei den Individualreisenden fällt der Ertrag pro Gast höher aus. Andererseits werden Reisepläne auch mal kurzfristig angepasst. Bei den Gruppenreisenden haben wir eine höhere Planbarkeit und Verlässlichkeit, dafür sind die Einnahmen etwa geringer. Das ist auch der Grund, warum wir beide Zielgruppen aktiv ansprechen und bei uns begrüssen wollen.

Sie haben es eingangs erwähnt: Das Geschäft mit Reisen auf den Gornergrat lief im ersten Halbjahr sehr gut. Welchen Einfluss haben hier neue Kundenattraktionen wie die multimediale Erlebniswelt «ZOOOM the Matterhorn», der Alpingarten oder «Meet the Sheep»?

Seit dem 20. August 1898 und damit seit 125 Jahren geht es mit der Gornergrat Bahn hoch hinaus. Als erste elektrische Zahnradbahn der Schweiz ermöglichte die bahntechnische Pionierleistung Gästen aus nah und fern die mystische Berg- und Gletscherwelt rund um Zermatt am Gornergrat auf 3089 M.ü.M zu entdecken. In nur zwei Jahren erbaut, prägte sie die touristische Entwicklung im Matterhorndorf nachhaltig. Den Pioniergeist der Erbauer ist heute noch Antrieb für die Entwicklung immer neuer Kundenattraktionen. 2021 eröffnet, also mitten in der Coronazeit, durften wir schon im 1. Betriebsjahr 73’000 Besuchende in der interaktiven Erlebniswelt “ZOOOM the Matterhorn» begrüssen. Eine ähnliche Erfolgsgeschichte ist «Meet the Sheep». Nicht nur, dass tausende Gäste die berühmten Walliser Schwarznasenschafen am Gornergrat per GPS aufspüren, wunderbare Fotos mit diesen machen und sich über sie informieren. Darüber hinaus haben uns die Tiere eine weltweite mediale Präsenz beschert und die Nachfrage hält unvermindert an. Jetzt kommt neu der Alpingarten dazu sowie als besonderes und exklusives Erlebnis die NostalChic Class. Mit seinen vielseitigen und naturnahen Angeboten ist und bleibt der Gornergrat immer eine Reise wert.

Matterhorn
«ZOOOM» the Matterhorn. (Foto: zvg)

Im Winter 2022/23 wurden die POLARIS-Triebzüge bei der Gornergrat Bahn und im Juni nun sechs neue ORION-Triebzüge im regionalen Personenverkehr der MGBahn in Betrieb genommen. Wie sind die bisherigen Erfahrungen?

Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass wir mit beiden Projekten sehr gut im Plan sind. Dies vor allem auch, wenn man sich a) die schwierigen globalen Rahmenbedingungen (Covid, Fachkräftemangel) und b) die Dimension vor Augen führt. Die erste Lokführer-Ausbildung fand planmässig bereits im Herbst 2022 statt. Momentan befinden sich zehn der bis Ende 2023 vorgesehenen zwölf 3-teiligen Zahnrad-Triebzüge ORION im Einsatz. Die fünf POLARIS-Triebzüge auf den Gornergrat fahren nach einigen kleinen «Kinderkrankheiten» zu Beginn nun fast störungsfrei täglich von Zermatt auf den 3089 Meter hohen Gornergrat.

«Mit der Inbetriebnahme der POLARIS-Triebzüge bei der Gornergrat Bahn und der ersten ORION-Triebzüge bei der MGBahn wurde eine neue Ära eingeleitet.»

Welche Bedeutung haben die neuen Triebzüge für Ihr Unternehmen?

Mit der Inbetriebnahme der POLARIS-Triebzüge bei der Gornergrat Bahn und der ersten ORION-Triebzüge bei der MGBahn wurde eine neue Ära eingeleitet. Für die Gäste bedeutet das neue Rollmaterial mehr Reisekomfort und eine höhere Zuverlässigkeit. Für die Bahnunternehmen der BVZ-Gruppe geht mit den modernen Zügen des Schweizer Herstellers Stadler Rail eine höhere Fahrzeugverfügbarkeit und eine noch grössere Fahrplanstabilität einher.

ORION-Triebzug vor der Matterhorn-Kulisse. (Foto: zvg)

Die neuen Triebfahrzeuge haben auch eine Erweiterung des Depots und der Werkstätte Glisergrund nötig gemacht. Dort wurde in diesem Sommer die weltweit erste mobile Depotsteuerung in der Cloud in Betrieb genommen. Welche Vorteile bringt das?

Bisher waren beim Rangierbetrieb komplexe Kommunikationsabläufe zwischen Fahrdienstleiter und Rangierleiter nötig. Den Mitarbeitenden im Rangierbetrieb fehlte oftmals der betriebliche Gesamtüberblick und es wurden unterschiedliche Systeme für das Rangieren und den Reisezugverkehr verwendet. Mit TrackOps Depot lassen sich in den Werkstätten und im Depot Glisergrund der MGBahn die betrieblichen Prozesse schlank und übersichtlich abwickeln.

Wie zeigt sich das im Arbeitsalltag?

Der Rangierleiter übernimmt während des Rangiervorgangs die Rolle eines lokalen Fahrdienstleiters auf den definierten Rangierfahrstrassen im Depot Glisergrund. Er steuert und überwacht selbstständig den Rangierverkehr. Die Anforderung von Rangierfahrstrassen sowie dafür erforderliche Weichenstellungen erfolgen digital und werden nach Prüfung vom Stellwerk automatisch eingestellt. Durch die klare Abgrenzung zu den Fahrstrassen sowie die verbesserte Übersicht zur Betriebslage wird die Sicherheit nochmals erhöht. Komplexe Kommunikationsabläufe zwischen Fahrdienstleiter und Rangierleiter gehören somit der Vergangenheit an.

Bereits Anfang 2017 waren Siemens Schweiz und die Gornergrat Bahn auf digitaler Pionierfahrt und realisierten gemeinsam das weltweit erste Bahnleitsystem, das in einer «Cloud» betrieben wird.

«Das Geschäftsfeld Immobilien ist eine wichtige Absicherung im volatilen, von vielen externen Einflüssen geprägten Tourismussektor.»

Das Geschäftsfeld Immobilien steuert einen verhältnismässig kleinen Beitrag an das Gesamtergebnis bei. Es läuft gut, aber welche Bedeutung hat es überhaupt für die BVZ Holding?

Im Geschäftsfeld Immobilien nahmen die Erträge der bestehenden Renditeliegenschaften in Zermatt und Visp sowie der Überbauung Andermatt Central um CHF 298’000 oder 10.4% zu. Damit sind sie eine wichtige Absicherung im volatilen, von vielen externen Einflüssen geprägten Tourismussektor, in dem wir vorwiegend mit unseren Bahnen unterwegs sind. Zudem bieten sie Entwicklungspotenzial. Ganz konkret sind hier die 2. Etappe beim Andermatt Central zu nennen, welches allenfalls sogar noch um einen dritten Abschnitt erweitert werden kann sowie das Bahnhofsareal Brig. Dabei handelt es sich um ein Generationenprojekt, welches sowohl die Verkehrsströme deutlich optimieren wird als auch Möglichkeiten für die Stadtentwicklung eröffnet.

Wir blicken auf einen erneut sehr heissen Sommer zurück. Der Rückzug der Gletscher und das Auftauen des Permafrosts schaffen neue instabile Gebiete, die Steinschlag, Felsstürze oder Murgänge verursachen können. Wie stark steigt der Druck auf das Naturgefahrenmanagement und welche neuen Massnahmen müssen getroffen werden?

Wir führen Statistiken, kennen und beobachten die Gefahrenstellen, arbeiten eng mit externen Experten wie beispielsweise Geologen zusammen und lassen alle Erkenntnisse in ein systematisches Naturgefahrenmanagement einfliessen. Danach analysieren wir anhand feststehender Kriterien die Risiken an den einzelnen Stellen, legen auf der Basis die Prioritäten fest und setzen anhand einer so genannten Korridormassnahme geeignete Präventionsmassnahmen um.

Klar ist aber auch, dass die Natur nicht beherrschbar ist und ihren eigenen Gesetzen folgt. Das gilt erst recht in Zeiten von Klimawandel und zurückgehendem Permafrost, wodurch viele geologische Formationen ein Stück weit destabilisiert werden. Insofern gilt es die Herausforderungen von zwei Seiten anzugehen. Zum einen durch ein in sich abgestimmtes Naturgefahrenmanagement und zum anderen durch den massvollen Umgang mit der Natur. Genau aus diesem Grund werden wir unsere gerade durch ein übergreifendes Projektteam erarbeitete Nachhaltigkeitsagenda als Fundament in die Strategieperiode 2025-2029 einbeziehen.

Herr Lehner, besten Dank für das Interview.

Gornergrat
Gornergrat Bahn – Faszination seit 125 Jahren
Matterhorn Gotthard Bahn
ZOOOM the Matterhorn
ORION Triebzüge
POLARIS Triebzüge
Depot Glisergrund

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