Martin Schwab, CEO CKW, im Interview

Martin Schwab, CEO CKW, im Interview
CKW-CEO Martin Schwab. (Foto: CKW)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Schwab, dank dem neuen Laufkraftwerk in Flühli können mit dem Wasser der Waldemme 1500 Vierpersonen-Haushalte mit Strom versorgt werden. Aber eine Frage vorab: Was passiert, wenn die Waldemme Hochwasser führt? Manches Mal schüttet es im Entlebuch ja gewaltig?

Martin Schwab: Ja, wenn die Waldemme sehr viel Wasser führt, schwemmt sie auch Geröll mit. In solchen Fällen schaltet das Kraftwerk automatisch aus. Das werden aber Ausnahmesituationen sein. Denn das Kraftwerk ist sehr flexibel in der Produktion. Die eingebaute Turbine läuft bereits bei 350 Litern Wasser pro Sekunde und bis maximal 5000 Liter Wasser pro Sekunde.

Im Entlebuch, ganz hoch über dem Taleinstieg, hat die CKW ihr bisher einziges Windrad. Schön anzusehen ist es nicht…

Wir wissen, dass bei der optischen Betrachtung von Windrädern die Meinungen weit auseinandergehen. Ich persönlich finde sie ästhetisch und auch sehr sinnvoll. Das Windrad Lutersarni produziert nun seit 10 Jahren Strom – 20 Prozent mehr als ursprünglich erwartet und 67 Prozent im Winter, wenn wir den Strom besonders gut gebrauchen können. Im Entlebuch ist man stolz auf den Windpark.

«Die bekannten Wind-Meteodaten stimmen uns zuversichtlich, dass mit modernen Windkraftanlagen wirtschaftlich und klimafreundlich Strom gewonnen werden kann.»
Martin Schwab, CEO CKW

Nun setzen die CKW mit gleich fünf geplanten Windparks im nördlichen Kanton Luzern und im Aargau voll auf den Wind. Was lässt Sie so optimistisch sein?

Die bekannten Wind-Meteodaten stimmen uns zuversichtlich, dass mit modernen Windkraftanlagen wirtschaftlich und klimafreundlich Strom gewonnen werden kann. Diese Daten werden aktuell an zwei Standorten mit Windmessungen vor Ort überprüft. Wir werden sicherlich keinen Windpark realisieren, wenn sich das für die Stromproduktion nicht lohnt. Dabei ist mir wichtig: Wir machen das nicht für uns, sondern für die Bevölkerung und die Wirtschaft, die diesen Strom braucht.

Aber ist nicht Wasser die umweltfreundlichere Alternative?

Wind- und Wasserkraft gehören beide in die Kategorie der sehr umweltfreundlichen Stromgewinnung. Das Potenzial für neue Kleinwasserkraftwerke ist in der Schweiz jedoch beinahe erschöpft. Doch in Ihrer Frage schwingt genau das grosse Problem mit: Umweltverbände, Parteien und Privatpersonen spielen immer wieder die verschiedenen Technologien gegeneinander aus. Wir hören sehr oft Aussagen wie «warum Windkraft und nicht einfach Solar? Oder «warum Wasserkraft und nicht Geothermie?» Oder auch: «Ich bin ja nicht gegen den Ausbau der Erneuerbaren, aber nicht hier …». So kommen wir nicht weiter. Wir benötigen alle Technologien, sie ergänzen sich optimal. Windkraft, Wasserkraft, Solar, Geothermie. Zudem benötigen wir Reservekraftwerke, mit welchen wir im Notfall für eine kurze Zeit überbrücken können.

«Umweltverbände, Parteien und Privatpersonen spielen immer wieder die verschiedenen Technologien gegeneinander aus.»

Also ist der Ausbau so dringend nötig?

Wir produzieren heute in der Schweiz rund 63 TWh Strom pro Jahr. Mit dem vom Stimmvolk beschlossenen Wegfall der Kernenergie und den strengeren Restwasservorschriften bei Neukonzessionierungen von Wasserkraftwerken verlieren wir mittelfristig rund 28 TWh. Auf der anderen Seite wird aufgrund der Dekarbonisierung der Stromverbrauch massiv steigen. Wir gehen bis 2050 von einem Verbrauch von rund 86 TWh aus. Es wird eine Lücke von rund 50 TWh entstehen. Das ist eine enorme Menge. Wir alle benötigen Strom und wollen eine sichere und vor allem auch bezahlbare Versorgung. Das wird nur möglich sein, wenn wir alle bereit sind für den Ausbau. Wir benötigen dringend mehr eigene Produktion in der Schweiz.

Bis die Kernkraft wegfällt, dauert es aber noch einige Jahre…

Sie haben zu Beginn des Gesprächs das Kleinwasserkraftwerk Waldemme angesprochen. Vor ein paar Wochen haben wir dieses in Betrieb genommen. Die Bauphase dauerte knapp anderthalb Jahre. Die Bewilligungsphase mit Einsprachen und Gerichtsurteilen nahm jedoch 17 Jahre in Anspruch. Das dauert alles viel zu lange. Wir müssen jetzt loslegen. Wenn wir heute nicht vorwärts machen, fehlt uns in ein paar Jahren eine enorme Menge Strom. Das können wir nicht auf die Schnelle korrigieren.

Aufgrund der «Flatterhaftigkeit» von Solar- und Windenergie müssen die Stromnetze stabilisiert werden. Wie gelingt das zu vernünftigen Kosten?

Es ist tatsächlich so. Die Ansprüche ans Netz sind durch die verschiedenen Technologien grösser geworden. Wir investieren seit je her in einen gezielten Netzausbau. Der Solarausbau ist dabei nicht die einzige Komponente, auch E-Mobilität und der Umstieg auf Wärmepumpen machen dies nötig. Bei Solar hilft der Einsatz von Batteriespeichern und die Nutzung des Stroms im Eigenverbrauch – das kann auch mit einem Zusammenschluss unter Nachbarn sein. Dieser Strom belastet das Netz nicht. Bei der E-Mobilität ist es wichtig, dass insbesondere in grossen Überbauungen oder bei Firmen ein Lastmanagement den Ladezeitpunkt steuert. Meist werden Fahrzeuge nach Feierabend an die Ladestation angeschlossen, und sie müssen bis zum nächsten Morgen vollgeladen sein. Das Lastmanagement entscheidet aufgrund der Netzbelastung, wann in der Nacht der optimale Zeitpunkt zum Laden ist. Unsere eigene App «CKW Smart Charging» steuert genau solche Prozesse.

So richtig teuer wird es übrigens, wenn wir Energieversorger diese Investitionen nicht tätigen würden. Denn dann gäbe es Engpässe in der Versorgung. Zu welchen Strompreisen dies geführt hat, haben wir vor einem Jahr gesehen. Für den Wirtschaftsstandort Schweiz und auch für die Bevölkerung wäre dies fatal.

Ist das CKW-Netz bereits gut gerüstet für die Energiewende?

Kurfristig ja. Schon heute investieren wir jedes Jahr 40 bis 50 Millionen Franken in unser Netz. In den letzten zwei Jahren haben sich die Anschlussgesuche für Solaranlagen verdreifacht. Etwa drei Viertel der Anlagen können wir aktuell ohne Massnahmen ans Netz anschliessen. Doch die Reserven werden kleiner und künftig werden mehr Netzverstärkungen nötig werden, und die Kosten auch für das Netz werden steigen. Hier müssen wir mit neuen Anreizen dafür sorgen, dass das Netz nicht unnötig gross dimensioniert werden muss.

Im «Nordkanton» wird mittlerweile mehrheitlich Strom aus erneuerbaren Energien produziert. Dafür hat es da jetzt den teuersten Strom Europas. Was kann die Schweiz davon lernen?

Die Schweiz verfolgt Gott sei Dank einen anderen Weg als Deutschland. Der deutsche Weg ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Beispielsweise haben sowohl die Importe wie auch der CO2-Ausstoss in Deutschland zugenommen seit dem Ausstieg aus der Kernenergie diesen Frühling. Bei uns laufen die AKW noch so lange diese sicher betrieben werden können. Den Ausstieg aus der Kernenergie hat das Volk beschlossen, und er ist aktuell Tatsache. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt zügig sich ergänzende erneuerbare Energien zubauen können. CKW arbeitet zurzeit technologieoffen. Wir verfolgen Wind-, Wasser-, Wärme- und Solarprojekte. Auch an einem Geothermieprojekt wird bei CKW gearbeitet.

«In der Geothermie sehen wir grosses, in der Schweiz fast ungenutztes Potenzial.»

Warum Geothermie? Die Erfahrungen in der Schweiz waren bisher ja, sagen wir es diplomatisch, etwas widersprüchlich.

In der Geothermie sehen wir grosses, in der Schweiz fast ungenutztes Potenzial. Mit ihr kann wetter- und tageszeitunabhängig Strom und Wärme produziert werden. Sie liefert somit zuverlässig Bandenergie – so wie die Kernkraft. Die Wärme wird in ein Fernwärmenetz gespiesen und dient zum Beheizen von Wohnungen und Warmwasser. Dadurch kann wertvoller Winterstrom gespart und die Stromnetzbelastung gedrosselt werden.

Die Erdbebensicherheit bleibt aber ein Problem…

Unser Projekt in der Luzerner Gemeinde Inwil ist nicht vergleichbar mit den angewandten Techniken, die bei früheren Tiefen-Erdwärmeprojekten Erdbeben ausgelöst haben. In St. Gallen zum Beispiel wurde gezielt in eine Bruch- und Störzone im Erdinnern gebohrt, weil dort meist viel warmes Wasser zirkuliert und man sich davon eine wirtschaftliche Nutzung versprach. Bruch- und Störzonen sind jedoch stark unter Spannung stehende Gesteinszonen und bergen deshalb ein hohes seismisches Risiko. Der Kanton Luzern gilt als Gebiet mit einem mehrheitlich tiefen seismischen Risiko und im Raum Inwil sind keine potenziell gefährlichen Bruch- oder Störzonen bekannt. Weiter hat sich die Bohrtechnik sowie die Früherkennung von seismischen Aktivitäten seit den ersten Projekten in der Schweiz stark weiterentwickelt.

Sind die modernen AKW nicht auch «erneuerbar»?

Atomkraftwerke produzieren praktisch CO2-freien Strom, das ist ein grosser Vorteil gegenüber Kohle- oder Gaskraftwerken. Uran oder auch andere Brennstoffe sind aber nur endlich verfügbar. Deshalb ist AKW-Strom zwar klimafreundlich, aber nicht erneuerbar.

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