Tom Sulzer, Co-Founder Sulzer Schmid Laboratories AG, im Interview

Tom Sulzer, Co-Founder Sulzer Schmid Laboratories AG, im Interview
Tom Sulzer, Co-Founder Sulzer & Schmid Laboratories AG. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Sulzer, die Inspektion von Rotorblättern von Windenergieanlagen ist sehr aufwändig. Sulzer Schmid Laboratories hat Drohnen entwickelt, die für Rotorblattinspektionen bei Windturbinen eingesetzt werden können. Wie kam es zu dieser Geschäftsidee und 2015 zur Gründung des Unternehmens?

Tom Sulzer: Als Ingenieur ETH hatte ich immer schon eine grosse Leidenschaft für Technik und Robotik. Nach meiner beruflichen Karriere in den USA und meiner Rückkehr in die Schweiz traf ich per Zufall auf Christoph Schmid, einen Pionier in der UAV (Unbemanntes Luftfahrzeug)-Technologie. Wir hatten die Zeit und die Überzeugung, dass wir etwas in diese Richtung tun wollten. Gleichzeitig suchten einige Windkraftanlagen-Hersteller aktiv nach Möglichkeiten für die Inspektion der Rotorblätter mit Drohnen. Wir haben uns gefragt, ob das etwas für uns wäre und uns nach einer technischen und finanziellen Machbarkeitsanalyse entschieden, diesen Schritt zu gehen.

Wie ging es weiter?

Über einen persönlichen Kontakt kamen wir an einen ersten Pilotkunden in Deutschland. Wir haben viel Energie investiert, hatten unsere Ups und Downs. Aber wir haben uns durchgesetzt. Der Druck zur Automatisierung und Digitalisierung in der Branche ist gestiegen und die Industrie hat ihre anfängliche Skepsis abgelegt.

Die Drohnen ermöglichen eine visuelle Zustandsbeurteilung der Rotorblatt-Oberfläche. Welche Vorteile bietet das über den deutlich tieferen Aufwand für die Inspektion hinaus?

Ja, die Arbeitseffizienz und erhöhte Arbeitssicherheit waren sicherlich die ursprünglichen Motivatoren, um Drohnen für die Inspektion von Rotorblätter einzusetzen. Allerdings stehen Daten und Datenqualität im Mittelpunkt jeder Rotorblattinspektion. Jede Inspektion ist eine Investition in Daten. Während Rotorblattinspektionen überwiegend durchgeführt werden, um den Reparaturbedarf festzustellen, werden diese Daten mehr und mehr in einem viel grösseren Zusammenhang aufbewahrt und bewertet. Die quantitative Schadensanalyse ist möglich geworden, da der gesamte Prüfprozess durch den Einsatz von modernen Inspektionstechnologien, wie unserer 3DXTM Inspektionsplattform, wiederholbar geworden ist. Das bedeutet, dass die resultierenden Daten einheitlich und konsistent generiert werden. Schadensanalysen über einen Windpark oder über eine ganze Flotte von Windenergieanlagen hinweg sind nun möglich.

Durch die Vergleichbarkeit der Inspektionsresultate über die Jahre hinweg können Inspektionsdaten in die Lebensakte einer Windenergieanlage integriert werden und wertvolle Erkenntnisse über den zeitlichen Verlauf von Schäden liefern. Dies öffnet die Türen für eine vorausschauende Instandhaltung, was der Windindustrie signifikante Reduktionen bei den Unterhaltskosten bescheren wird. Die Drohne allein stellt nur ca. 20% des Mehrwertes dar, den wir unserer 3DXTM Inspektionsplattform schaffen wollen. Aber der Datenerfassungsprozess ist äusserst wichtig, denn auch hier gilt der einfache Grundsatz «Garbage in – garbage out».

«Durch die Vergleichbarkeit der Inspektionsresultate über die Jahre hinweg können Inspektionsdaten in die Lebensakte einer Windenergieanlage integriert werden und wertvolle Erkenntnisse über den zeitlichen Verlauf von Schäden liefern.»
Tom Sulzer, Co-Founder Sulzer Schmid Laboratories AG

Ist es in einem weiteren Schritt denkbar, auch das Innere der Rotorblätter überprüfen zu können?

Ja, dies ist durchaus denkbar. Die Blatt-Innenbegehungen werden traditionell noch von Technikern durchgeführt. Allerdings können Personen von der Blattnabe aus nur einige Meter bis höchstens zum ersten Drittel eines Rotorblattes vordringen. Der restliche Innenbereich eines Blattes von Onshore-Turbinen ist nicht begehbar. Um dies doch zu ermöglichen wird aktuell in der Industrie mit verschiedenen Technologien experimentiert, z.B. mit Roboter oder Kleinstdrohnen (ähnlich wie diejenigen von Verity Studios AG). Da wird sich noch einiges bewegen.

Zusammen mit dem im Bereich Künstliche Intelligenz tätigen Tessiner Unternehmen Nnaisense wollen Sie noch «intelligentere» Drohnen entwickeln. In welche Richtung soll diese Entwicklung gehen?

Unsere Zusammenarbeit mit Nnaisense konzentriert sich auf die automatische Identifikation und Auswertung von Defekten. Um die Rotorblätter einer Windkraftanlagen flächendeckend zu inspizieren, erzeugen unsere Drohnen zwischen 1200 und 1500 Bilder pro Anlage. Wenn ein Experte all diese Aufnahme sichten muss, dauert dies viel zu lange. Auf den meisten dieser Bilder sind auch keine Schäden zu erkennen. Nnaisense appliziert nun ihre Expertise in der Erkennung von Oberflächendefekten aus der Metall- und Glasindustrie auf die Windindustrie, im speziellen auf Rotorblätter. Nachdem die KI von Nnaisense auffällige Bereich markiert hat, muss sich ein Blattexperte nur noch einige wenige Bilder pro Turbine anschauen, um vorliegende Schäden abschliessend beurteilen zu können Mit dem Einsatz der Technologie von Nnaisense sollen also keine Experten ersetzt, sondern deren Arbeit vereinfacht werden.

(Foto: zvg)

Naturgemäss sind Windparks an exponierten Lagen platziert. Wie herausfordernd sind die äusseren Einflüsse wie Windgeschwindigkeiten, extreme Kälte oder Hitze für die Erhebung der erforderlichen Daten mit der Drohne?

Diese können sehr herausfordernd sein. Die Wetterelement wie Regen, Schnee, Eis, etc. in Kombination mit der Geschwindigkeit, mit welcher sich diese Blätter bewegen, führt zu einer enormen Materialbeanspruchung und -abnutzung, welche sich schlussendlich negativ auf die Energieproduktion auswirkt. Gerne verweise ich dabei auf den Bericht , den Ulrich Moor, unser VP Business Development, auf LinkedIn publiziert hat. Der Einsatzbereich von Drohnen ist grösser als derjenige von traditionellen Inspektionsmethoden (Seilzugang, Hebebühne, etc.). Die von uns eingesetzten handelsüblichen DJI Drohnen können in Temperaturen von minus 10 bis plus 40 Grad Celsius eingesetzt werden und bis zu einer Windgeschwindigkeit von knapp 45km /h, was einer Windgeschwindigkeit von 6 Beaufort entspricht.

Kommen die Drohnen auch bei Offshore-Anlagen zum Einsatz?

Ja, es werden heute schon Drohnen bei Offshore-Anlagen eingesetzt. Dort macht deren Einsatz noch mehr Sinn, da die Anlagen schwerer zugänglich sind als diejenigen an Land und die Rotorblätter auf dem Meer viel harscheren Wetterkonditionen ausgesetzt sind. Die grösste Herausforderung im Offshore-Bereich liegt in der Optimierung der Logistik, denn die Kosten für Service- und Versorgungsschiffe, die zum Erreichen der Offshore Windparks benötigt werden, sind enorm. Sulzer & Schmid arbeitet bereits an einer entsprechenden Lösung.

«Die grösste Herausforderung im Offshore-Bereich liegt in der Optimierung der Logistik.»

Wie gross müssen die Windparks und Windanlagen sein, dass sich ein Einsatz von Drohnen lohnt?

Drohne ist nicht gleich Drohne. Ein hochqualifizierter Drohnenpilot könnte einige Turbinen auch manuell abfliegen. Dies ist allerdings höchst ineffizient und die dem Inspektionsflug nachgelagerte Datenbearbeitung und -auswertung ist damit auch noch nicht gewährleistet. Ein Drohnensystem von Sulzer & Schmid schafft ca. 600 – 800 Anlagen pro Jahr. Damit es wirtschaftlich sinnvoll ist, muss eine Auslastung von mindestens 50% erreicht werden. Mit einem unserer Systeme liesse sich der aktuelle Gesamtbestand an Windkraftanlagen in Schweiz 20-mal pro Jahr inspizieren. Das wären dann wohl die bestinspizierten Windturbinen weltweit.

Im Mai wurde Sulzer Schmid zusammen mit WKA mit der Durchführung einer umfassenden Drohnen-Inspektionskampagne über 1250 Windturbinen beauftragt. Wie kann man sich das zeitlich vorstellen? Wie lange dauert die Inspektion einer Turbine und wie viele Drohnen sind da im Einsatz?

Bei dieser grossflächigen Inspektionskampagne waren 3 – 4 Teams von WKA, ausgerüstet mit unserer 3DXTM Technologie, parallel während rund drei Monaten im Einsatz. Die Techniker von WKA haben einen super Job gemacht. Das ist harte Arbeit. Im Frühling ist das Wetter in Nordschweden eine echte Herausforderung – nebst Schnee, der die Zufahrt zu Anlagen oft erschwerte. Die Inspektion einer einzelnen Anlage dauert zirka eine Stunde. An einem Arbeitstag können bis zu 10 Anlagen durch ein Team inspiziert werden, sofern sich die Anlagen im selben Windpark befinden und die Verschiebungszeiten zwischen den Turbinen kurz sind. Muss das Team zwischen verschiedenen Windparks hin und her fahren, schafft es nicht gleich viele Anlagen. Nebst der Logistik hat auch das Wetter einen grossen Einfluss. Bei Regen oder Schnee kann nicht geflogen werden, da die Feuchtigkeit sich auf der Kameralinse niederschlägt und die Bildqualität dadurch negativ beeinfluss.

Das Unternehmen Ülke Enerji hat die Technologie nun lizenziert, um sie auf dem türkischen Windenergiemarkt anzuwenden. Wo kommen Ihre Drohnen heute bereits überall zum Einsatz?

Bis anhin wurden mit unserer Technologie Inspektionen in ganz Europa, USA, Kanada, Mexiko, Australien und Indien durchgeführt. Wenn wir jetzt noch Anlagen in Hawaii inspizieren, so haben wir als Schweizer KMU den Globus mit unserer Inspektionstechnologie bereits umspannt.

Windenergie wird in über 100 Ländern weltweit kommerziell genutzt, mit China als bedeutendstem Markt. Wie gross ist der Anteil der Inspektionen, die mit Drohnen durchgeführt werden und wie gross das Potenzial für Anbieter wie Sulzer Schmid?

China ist ein riesiger Windmarkt, aber für internationale Firma noch recht unzugänglich. Wir sind überzeugt, dass die führenden westlichen Turbinenhersteller auch dort zunehmend Fuss fassen werden, denn dank ihren grossen Stückzahlen werden sie mit dem kompetitiven Preisniveau in China Schritt halten können. Sulzer & Schmid wird dank seinen Beziehungen zu diesen westlichen Turbinenhersteller auch in China Fuss fassen können. Wir sind überzeugt, dass wir in den kommenden Jahren auch dort Inspektionen durchführen werden.

«Wenn wir jetzt noch Anlagen in Hawaii inspizieren, so haben wir als Schweizer KMU den Globus mit unserer Inspektionstechnologie bereits umspannt.»

Letzte Frage: Konzentrieren Sie sich rein auf den Einsatz der Drohnen bei Rotorblattinspektionen oder sind auch andere Einsatzgebiete denkbar?

Bis anhin konzentrieren wir uns voll auf die Windenergie. Natürlich gibt es noch viele andere Anwendungsbereiche für Inspektionen: Staudämme, Brücken, Mobilfunkantennen, Flugzeuge. Bei einigen dieser Themen haben wir schon unsere Fühler ausgestreckt, aber es liegt noch nichts Konkretes vor.

Herr Sulzer, ganz herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.

Sulzer Schmid Laboratories

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